Katastrophe bei den Krönungsfeierlichkeiten des Kaisers Nikolaus II.

Katastrophe bei den Krönungsfeierlichkeiten des Kaisers Nikolaus II.
Opfer der Massenpanik

Die Katastrophe bei den Krönungsfeierlichkeiten des Kaisers Nikolaus II. war eine Massenpanik, die sich am 18. Mai 1896 auf dem Chodynkafeld bei Moskau ereignete. Es starben 1389 Menschen, weitere 1300 wurden verletzt. Die Katastrophe zählt damit zu den Massenpaniken mit den meisten Todesfällen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Die Krönung von Nikolaus II. fand am 14. Mai 1896 statt. Ihm zu Ehren sollte vier Tage später ein großes Volksfest auf dem Feld von Chodynka stattfinden, das von der Moskauer Garnison als Truppenübungsplatz verwendet wurde. Von Gräben durchzogen, erwies es sich als völlig ungeeignet für eine derartige Veranstaltung.[2] Laut Programm sollten um zehn Uhr morgens 400.000 Geschenke an die Menge verteilt werden, bestehend aus einem Bündel aus Lebensmitteln und verschiedenen Gegenständen, darunter ein emaillierter Becher mit dem Wappen des Zaren (Bild). 150 Buffets sollten das Volk verköstigen, in zehn Pavillons Musikgruppen und Theatertruppen für Unterhaltung sorgen. Um 14 Uhr sollte sich dann der Zar persönlich zeigen.[2]

Viele Moskauer waren schon in der Nacht auf das Feld gekommen, um am Morgen die Verteilung der Geschenke nicht zu verpassen. In der mondlosen Nacht lag völlige Dunkelheit auf dem Areal, viele Neuankömmlinge fielen bereits in Gräben. Am Morgen drängten sich eine halbe Million Menschen auf dem Gebiet. Die zu wenigen Ordnungskräfte merkten schnell, dass die Lage bedrohlich wurde und dass sie mit einer derartigen Menschenmenge nicht fertig werden würden. Das Unglück ereignete sich um sechs Uhr morgens. Aufgrund eines Gerüchts, es werden bereits Geschenke verteilt, drängte die Menge zu den aufgebauten Buffets. Der Augenzeuge und Journalist Wladimir Giljarowski schrieb später: „Das Gedränge war fürchterlich. Vielen wurde schlecht und einige verloren das Bewusstsein, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, herauszukommen oder auch nur umzufallen: bewusstlos, mit geschlossenen Augen, eingezwängt wie in Schraubstöcke, wogten sie mit der Menge hin und her... Ein in meiner Nähe neben meinem Nachbarn stehender großer, wohlgestalteter alter Mann atmete schon lange nicht mehr: Er war schweigend erstickt, ohne Laut gestorben, und seine erkaltete Leiche wogte mit uns hin und her.“[2] Die Katastrophe nahm ihren Lauf, als die ersten in der Menge in einen 90 Meter langen und etwa drei Meter tiefen Graben gedrückt wurden, der in dem Feld verlief. Die Nachrückenden bemerkten dies nicht und so fielen immer mehr Menschen in den Graben und begruben die unter ihnen Liegenden.[3]

Konsequenzen

Am 18. Mai schrieb Nikolaus in sein Tagebuch: „Bis jetzt lief alles Gott sei Dank wie ein Uhrwerk, aber heute ist ein großes Unglück passiert.“ Zusammen mit seiner Frau Alexandra verbrachte er den größten Teil des Tages damit, Verletzte in Hospitälern zu besuchen. Die Familie jedes Getöteten erhielt 1000 Rubel aus seinem Privatvermögen. Jedes Opfer sollte ein Begräbnis auf seine Kosten bekommen. Die öffentliche Meinung wurde jedoch nicht hiervon beeinflusst, sondern von der Tatsache, dass der Zar am Abend einen Ball der französischen Gesandtschaft besuchte.[4] Die Franzosen waren Russlands einzige wirkliche Alliierte in Europa, so überredeten Nikolaus’ Onkel ihn, an dem Ball teilzunehmen, um diese Beziehungen nicht zu gefährden.[3] Dies war ein Fehler, vom Beginn seiner Amtszeit an wurde der Zar als jemand wahrgenommen, der sich nicht um das Unglück seines Volkes scherte.

Nikolaus ordnete zwar eine Untersuchung an, doch als sich herausstellte, dass Nikolaus’ Onkel Sergei Alexandrowitsch, der seit Februar die Feierlichkeiten vorbereitete, für das Unglück verantwortlich gemacht werden musste, schreckte er vor ernsten Konsequenzen zurück. Die Zarenfamilie überzeugte ihn davon, dass die Monarchie ihre Autorität verlieren würde, wenn ihre Mitglieder öffentlich angeklagt würden. Stattdessen diente der Moskauer Oberpolizeimeister Alexander Alexandrowitsch Wlassowski als Sündenbock.[5] Das russische Volk ließ sich aber über den wahrhaft Verantwortlichen nicht täuschen: Sergei Alexandrowitsch wurde künftig im Volksmund "Fürst Chodynskij" gerufen.[5]

Der russische Poet Konstantin Balmont schrieb in einem Gedicht im Jahre 1908 über den Zaren: „Wer seine Herrschaft mit Chodynka begann, wird auf dem Schafott enden.“[6] Eine Behauptung, die sich als prophetisch herausstellen sollte: 1917 wurde Nikolaus im Zuge der Februarrevolution entmachtet, ein Jahr später zusammen mit seiner Familie ermordet.

Literatur

  • Helen S. Baker: Nicholas II and the Khodynka coronation catastrophe, May 1896: a study of contemporary responses. (Dr. David N. Collins.) Leeds Ph.D. 2002.

Weblinks

Alexei Volkovs Erinnnerungen an die Tragödie (en)

Quellen

  1. Die zehn tödlichsten Massenpaniken (englisch)
  2. a b c Artikel über die Krönung des Kaisers
  3. a b P. J. Blumenthal. Szenen die Geschichte machten. PM-Magazin, Riva-Verlag 2003, ISBN: 3-936994-02-01, S. 129
  4. Artikel auf koshka-the-cat.com
  5. a b Kathleen Klotchow: Der lange Weg zum Fest. Die Geschichte der Moskauer Stadtgründungsfeiern von 1847 bis 1947. Frank und Timme, ISBN:3-86596-050-0, S.132
  6. Das Gedicht Nasch Zar von Konstantin Balmot auf lib.ru (russisch)

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