Die Glücksritter (Novelle)

Die Glücksritter (Novelle)
Joseph von Eichendorff
(17881857)

Die Glücksritter ist eine Novelle von Joseph von Eichendorff, die gegen Ende 1840 im zweiten Jahrgang desRheinischen Jahrbuchs für Kunst und Poesie[1] in Köln als letzte zu Lebzeiten des Autors publizierte Erzählung erschien.[2]

Der Vagabund Klarinett zieht seine Freiheit einer herrschaftlichen Existenz vor.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1. Suppius und Klarinett

Anno 1648[3] in Halle und ein Stück saaleabwärts: Der Postillon peitscht Herrn Klarinett von der fahrenden Reisekutsche herunter. Der blinde Passagier fällt in einen blühenden Garten. Darin stiehlt er einer Gesellschaft eine Flasche Wein und eine Torte von der Tafel, verstaut sie in seinen Mantelsack und flieht. Klarinett wird von den Tortebesitzern bis nach Halle hinein verfolgt. Dort beziehen die Verfolger von dem ewigen Studenten Suppius[4] Prügel. Der Raufbold hatte Klarinett für einen Kommilitonen in Not gehalten. Der Tortendieb ist aber ein wandernder Musikus. Gleichviel, der Errettete gibt Suppius von seinem Diebesgut ab. Die Freundschaft ist besiegelt.

2. Die Serenaden

Als dem Anschein nach die heimliche Geliebte des Studenten entführt wird, verfolgen die beiden neuen Freunde die Unholde. Die nächtliche Fahrt geht in einem Nachen die Saale hinab bis in eine Stadt. Die Verfolger können im Dunkeln wenig ausrichten und nächtigen in einer ausgespannten Reisekutsche. Als die Schläfer erwachen, ist das Gefährt – mit vier prächtigen Rossen bespannt – bereits unterwegs. Während eines bewaffneten Überfalls durch Strauchdiebe rettet sich der Kutscher mit einem Sprung vom Bock ins Gebüsch. Die Pferde aber gehen durch.

3. Waldesrauschen

Ein alter Puppenspieler zieht mit seinem Sohn Seppi und der Tochter Denkeli durch die vom Krieg verwüsteten Ortschaften. Denkeli fürchtet sich nicht vor den vorüberziehenden Landsknechten. Im Gegenteil:Da ist der Siglhupfer dabei“, frohlockt sie. Das Mädchen meint seinen Geliebten. Als die drei vor einem vernachlässigten Schloss Halt machen, meint Denkeli ihren Siglhupfer oben auf dem Balkon stehend zu erkennen. Denkeli fragt beim Schlosspersonal nach und bekommt zur Antwort:Das ist ja der Herr Rittmeister von Klarinett, der Bräutigam des gnädigen Fräuleins.“

4. Das verzauberte Schloß

Suppius und Klarinett geben sich vor dem gnädigen Fräulein Euphrosyne als durchreisende Adelige aus. Verwunderlich nurihre hochherschaftliche Kutsche ohne Kutscher wurde in ihrer wilden Fahrt durch einen Pfeiler des Schlosshofes aufgehalten. Die zwei Freunde geraten nie in Verlegenheit. Auch in dem Fall nicht. Sie seien im Walde von Räubern überfallen worden. Klarinett kennt sich in der Gegend ein wenig aus und erzählt dem Fräulein die Sage von einem verzauberten Schlosse des Grafen Gerold. Wenig später erkennt Klarinett über der Tür betroffen das Wappen des Grafen. Fräulein Euphrosyne verliebt sich in Klarinett. Auch Freund Suppius meint, er habe Chancen bei dem Fräulein und erwägt, Klarinett im Fall der Vermählung als Kapellmeister einzustellen. Aber Euphrosyne gesteht Klarinett ihre Liebe.

5. Fortuna's Schildknappen

Jene oben genannten Strauchdiebe erweisen sich versprengte Landsknechte, die den Krieg noch ein wenig auf eigene Faust fortführen. Eichendorff lässt einen für alle sprechen:Wir haben den faulen Bauern die Felder mit Blut gedüngt,... die Welt wird noch ersticken vor Langerweile.“ So wollen die unverbesserlichen Ewiggestrigen das Schloss einnehmen und haben Suppius und Klarinett schon als die in der Kutsche entwischtenEdelleutewiedererkannt. Als sie den beabsichtigten Überfall mit dem Puppenspieler besprechen, bangt Denkeli – nahe beim Vater mithörend – um das Leben ihres Siglhupfer. Das Mädchen will den Geliebten warnen; ihn retten. Also prescht Denkeli vor.

6. Viel Lärmen um Nichts

Die Vermählung des Klarinett/Siglhupfer mit dem Fräulein Euphrosyne steht indes unmittelbar bevor. Klarinett aber verschmäht nach kurzem Besinnen dasSchloß, drei Weiler, vier Teiche und fette Karpfen und Untertanen und Himmelbett“. Mit seinem Denkeli macht er sich auf und davon. Er bleibtfortan in den Wäldern selig verschollen.“ „Reichgekleidete Jäger des Grafen Geroldvereiteln das Vorhaben der Landsknechte. Die Landsknechte erkennen in dem gnädigen Fräulein Euphrosynedie tolle Sinka“. Das war die schöne Marketenderin im Regiment derholk'schen Jäger“. Der Graf zieht mit seiner Tochter, der jungen Gräfin, in sein Schloss ein. Suppius traut den eigenen Augen kaumdie junge Gräfin, das ist in der Tat seine Angebetete aus Halle. Suppius, der ewige Student, macht doch nochsein Glück“.

Zitate

  • Der Schlaf probiert heimlich den Tod und der Traum die Ewigkeit.“[5]
  • Nichts [ist] langweiliger als Glück.“[6]

Rezeption

Zeitgenossen

  • Ludolf Wienbarg[7] lobt am 5. Dezember 1840 in den HamburgerLiterarischen und Kritischen Blättern der Börsen-Halledasgesunde Deutsch“, dieklarsten Sprachtöneund sieht in der Novelleeinen Dichterstern blinken und funkeln“.
  • In seiner Besprechung vom Dezember 1840 entdeckt ein Rezensent namensF. W. D.“ in der von August Lewald publizierten Stuttgarter ZeitschriftEuropa. Chronik der gebildeten Weltdie Selbstironie als Wesen der Romantik. Solche Novellen könntennie einen abgerundeten, nothwendigen Schlußhaben. Eichendorff hasse die Sonne. Die Erzählung spielewährend der Dämmerung oder der Nacht“.[8]
  • In einer im Dezember 1840 im HamburgerTelegraph für Deutschlanderschienenen Rezension, die Karl Gutzkow zugeschrieben wird, bespricht der Verfasser das detailliert geschilderteromantische Vagabondenlebenund bedauert, das brillante Feuerwerk blende, aber erwärme nicht.[9]

Äußerungen ab dem 20. Jahrhundert

  • Robert Mühlher[10] sieht den Text als Farcevom lächerlichen Bemühender beiden Vagabunden, „sich ins Weltglück einzuschmuggeln“.
  • Josef Kunz[11] bemerkt, Denkeli rette Klarinett aus einem langweiligen Leben in der aristokratischen Welt indie Unendlichkeit der Sehnsucht“.
  • Das Wohlleben auf dem Schloss sei für Suppius vorbei, als der wirkliche Graf anreist. Die Wirklichkeit erweise sich stärker als die Phantasie. Eichendorff bewerkstellige dierealistische Auflösungderromantischen Konfusion“.[12]
  • Schulz[13] charakterisiert den Text treffend alsein Scherzspiel in Erinnerung an den Taugenichts, aber ohne dessen innere Geschlossenheit“. Kremer,[14] der bei seinem Urteil ebenfalls am Taugenichts Maß nimmt, bemängelt zudem die anachronistische Tendenz.
  • Nach Schiwy[15] spiegele die Schilderung des im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Deutschlands die Desorientierung innerhalb der preußischen Gesellschaft ausgangs der 1830er Jahre wider.
  • Schillbach und Schultz[16] sehen auch eine Verbindung zu dem Taugenichts. Die Jagd des Studenten Suppius nach dem Glück, also nach einer Frau, die ab und zuwie ein Phantomerscheint, sei unter anderemSinnbild der Poesie“.

Weblinks

Digitalisierter Volltext von Die Glücksritter (Novelle) bei Zeno.org

Literatur

  • Ansgar Hillach, Klaus-Dieter Krabiel: Eichendorff-Kommentar. Band I. Zu den Dichtungen. 230 Seiten. Winkler, München 1971
  • Helmut Koopmann: Joseph von Eichendorff. S. 505-531 in Benno von Wiese (Hrsg.): Deutsche Dichter der Romantik. Ihr Leben und Werk. 659 Seiten. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1983 (2. Aufl.), ISBN 3-503-01664-3
  • Gerhard Schulz: Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. Teil 2. Das Zeitalter der Napoleonischen Kriege und der Restauration: 1806 - 1830. 912 Seiten. München 1989, ISBN 3-406-09399-X
  • Günther Schiwy: Eichendorff. Der Dichter in seiner Zeit. Eine Biographie. 734 Seiten. 54 Abbildungen. C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46673-7
  • Detlev Kremer: Romantik. Lehrbuch Germanistik. 342 Seiten. Metzler Stuttgart 2007 (3. Aufl.), ISBN 978-3-476-02176-2

Ausgaben

  • Joseph Freiherr von Eichendorff: Die Glücksritter. Mit 6 handsignierten Kupfern von Ferdinand Staeger. 150 Seiten. Hermann A. Wiechmann, München 1920
  • Joseph von Eichendorff: Die GlücksritterErzählung mit 31 Zeichnungen von Hans Meid. 82 Seiten. Deutsche Buchgemeinschaft Berlin 1928.
  • Arno Lubos (Hrsg.): Joseph von Eichendorff: Die Glücksritter. 51 Seiten. Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Würzburg 1960 (1. Aufl.), ISBN 978-3-87057-034-7

Zitierte Textausgabe

  • Die Glücksritter. Novelle S. 509-558 in: Brigitte Schillbach, Hartwig Schultz (Hrsg.): Dichter und ihre Gesellen. Erzählungen II. in Wolfgang Frühwald (Hrsg.), Brigitte Schillbach (Hrsg.), Hartwig Schultz (Hrsg.): Joseph von Eichendorff. Werke in fünf Bänden. Band 3. 904 Seiten. Leinen. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1993 (1. Aufl.), ISBN 3-618-60130-1

Einzelnachweise

Quelle meint die zitierte Textausgabe

  1. Herausgeber: Freiligrath, Christian Matzerath und Simrock
  2. Quelle, S. 855
  3. Quelle, S. 544, 7. Z.v.o.
  4. Albert Schumann: Suppius, Christoph Eusebius. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S782785.
  5. Quelle, S. 528, 17. Z.v.o.
  6. Quelle, S. 543, 16. Z.v.o.
  7. Ludolf Wienbarg zitiert in der Quelle, S. 865 Mitte
  8. ausEuropazitiert in der Quelle, S. 866-867
  9. Der HamburgerTelegraph“, zitiert in der Quelle, S. 867 unten
  10. Robert Mühlhers Aufsatz Dichterglück aus dem Jahr 1959, zitiert bei Hillach und Krabiel, S. 162, 9. Z.v.o.
  11. Josef Kunz zitiert bei Hillach und Krabiel, S. 162, 14. Z.v.o.
  12. Koopmann, S. 523, 23. Z.v.o.
  13. Schulz, S. 500, 17. Z.v.o.
  14. Kremer, S. 187, 9. Z.v.o.
  15. Schiwy, S. 547, 6. Z.v.o.
  16. Quelle, S. 868, 5. Z.v.u. - S. 869, 10. Z.v.o.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Glücksritter — steht für: einen Abenteurer, der sich blind auf sein Glück verlässt, siehe Abenteuer Glücksritter (Show), eine ehemalige RTL Spielshow (1996/97) Der Glücksritter steht für: Der Glücksritter (Gedicht), Gedicht von Joseph von Eichendorff Die… …   Deutsch Wikipedia

  • Insel-Bücherei — Die Insel Bücherei ist eine seit 1912 bestehende Buchreihe preiswerter und gut ausgestatteter Bücher mit anspruchsvoller Literatur sowie Kunst und Naturdarstellungen aus dem Insel Verlag. Inhaltsverzeichnis 1 Vom Beginn 1912 bis zum Jahr 1913 2… …   Deutsch Wikipedia

  • Eichendorff — Denkmal in Ratibor Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; † 26. November 1857 in Neiße, Oberschlesien) war ein bedeutender Lyriker und …   Deutsch Wikipedia

  • Joseph Eichendorff — Eichendorff Denkmal in Ratibor Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; † 26. November 1857 in Neiße, Oberschlesien) war ein bedeutender Lyriker und …   Deutsch Wikipedia

  • Joseph Freiherr von Eichendorff — Eichendorff Denkmal in Ratibor Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; † 26. November 1857 in Neiße, Oberschlesien) war ein bedeutender Lyriker und …   Deutsch Wikipedia

  • Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff — Eichendorff Denkmal in Ratibor Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; † 26. November 1857 in Neiße, Oberschlesien) war ein bedeutender Lyriker und …   Deutsch Wikipedia

  • Joseph von Eichendorf — Eichendorff Denkmal in Ratibor Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; † 26. November 1857 in Neiße, Oberschlesien) war ein bedeutender Lyriker und …   Deutsch Wikipedia

  • Joseph von Eichendorff — 1841 Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; † 26. November 1857 in Neiße, Oberschlesien) war ein bedeutender Lyriker …   Deutsch Wikipedia

  • Adaption (Literatur) — Als literarische Adaption (von lateinisch adaptare = anpassen) bezeichnet man die Umarbeitung eines literarischen (meist epischen) Werkes von einer Gattung in eine andere, Beispielsweise in ein Drama, oder in eine Oper, beziehungsweise die… …   Deutsch Wikipedia

  • Eichendorff: Aus dem unromantischen Leben eines romantischen Dichters —   Als Spätromantiker berühmt wurde Joseph Freiherr von Eichendorff mit seinen Prosawerken, v. a. mit seiner Erzählung »Aus dem Leben eines Taugenichts«, und seinen Gedichten, die oft eine ewige Jugend oder eine glückselige Vorzeit beschwören und… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/2326987 Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”