Caritas Romana

Caritas Romana

Erotische Laktation (engl. erotic lactation) ist das Stillen eines erwachsenen Partners bzw. eine Relaktation primär aus erotischen (sinnlichen) Gründen.

Je nach Kontext finden auch andere, insbesondere englische Begriffe Verwendung, wie z. B. adult suckling, adult nursing, adult breastfeeding oder Adult Nursing Relationship (ANR). Die wissenschaftlich klingenden Begriffe Milch-Fetischismus oder Laktophilie wie auch Paraphilie (in diesem Kontext) sind nach den Definitionen des ICD-10 und DSM-IV falsch, da kein Leiden vorliegt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Brüste und speziell Brustwarze sind erogene Zonen und man geht allgemein davon aus, dass diese erogenen Zonen sich im Verlauf der Evolution entwickelt haben, um Mütter zum Stillen ihrer Säuglinge zu motivieren. Ähnliches gilt für die Lippen, die ebenfalls erogene Zonen sind, was nach dem Ethnologen Irenäus Eibl-Eibesfeldt aus der Kuss-Fütterung der Kinder heraus entstanden sein soll[2].

Da die weiblichen Brüste und Brustwarzen in der Regel eine wichtige Rolle in den sexuellen Aktivitäten und in der sexuellen Wahrnehmung haben, ist es zumindest theoretisch nicht überraschend, dass Paare vom Küssen zum echten Stillen kommen können. Bei lesbischen Beziehungen hat das gegenseitige oder einseitige Stillen bereits vor längerer Zeit Erwähnung in der Fachliteratur gefunden[3].

In der Sonntagsausgabe vom 13. März 2005 berichtete die Londoner Tageszeitung The Times von einer wissenschaftlichen Untersuchung mit 1690 britischen Männern, die ergab, dass bei 25 bis 33 % der Paare der Mann die Milch aus der Brust seiner Frau getrunken hat. Die meisten taten dies mehrfach und gaben als Grund nicht Neugier, sondern ein echtes emotionales Bedürfnis an[4].

Darüber hinaus existieren nahezu keine Berichte oder Untersuchungen über das Stillen von Erwachsenen aus erotischen Gründen. Ein ausführlicher wissenschaftlicher Bericht erschien erst im Jahr 2007[5]. Aber es sind zahlreiche Visionen aus dem Mittelalter bekannt, in denen die Jungfrau Maria einem Heiligen die Brust zum Trinken reichte. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die Lactatio des Heiligen Bernard von Clairvaux[6] Insgesamt wird man davon ausgehen können, dass das Thema einem starken Tabu unterliegt und deshalb kaum Erwähnung findet.

Arten der erotischen Laktation

  • Milchspiele: Jede Art sexueller Aktivitäten, die die Milch der Frau mit einbeziehen. Sehr weit verbreitet in der Zeit unmittelbar nach einer Geburt, da die sexuelle Erregung in dieser Zeit bei vielen Frauen den Milchspendereflex auslöst.[7]
ANR Logo
  • Adult Nursing Relationship (ANR): Deutsch: „Erwachsenen-Stillbeziehung“. Das Saugen der Milch aus der Brust als Ausdruck starker Intimität und gemeinsamer Zärtlichkeit, wobei die Beziehung der beiden Partner gleichrangig ist (z. B. kein Infantilismus). Erwachsenen-Stillbeziehungen beruhen auf einer stabilen Langzeitbeziehung, da es sonst auch kaum möglich ist, den Milchfluß aufrecht zu erhalten. Auf der anderen Seite wird sehr häufig berichtet, dass das Stillen einen stark bindenden und stabilisierenden Einfluss auf die Partnerschaft hat.[8] Die Frau kann beim Stillen u. U. einen Orgasmus erleben oder einen angenehmen Milchspendereflex, aber beides muss nicht immer der Fall sein und ist auch nicht das Ziel des Stillens. Die meisten Paare berichten, dass ihr Grund für die Erwachsenen-Stillbeziehungen eher die intensive Intimität und gemeinsame Bindung ist.
  • Pumpen: Einige Frauen pumpen ihre Milch aus sinnlichen Gründen ab oder streichen sie aus, unabhängig davon, ob sie aktuell einen Partner haben oder nicht. Neben den sinnlichen Gefühlen geben viele Frauen als Grund an, dass sie sich als stillende Frauen sehr weiblich fühlen. Es kommt sowohl vor, dass sich Frauen nach dem Abstillen eines Kindes selbst die Milchbildung noch längere Zeit erhalten, als auch, dass Frauen die Milchbildung gezielt hervorrufen.[9]
  • Es existieren auch mindestens drei BDSM-Varianten der erotischen Laktation:
  1. Infantilismus/Ageplay: Der Partner nimmt in einem Rollenspiel die Rolle eines Babys ein, das von der stillenden Frau gepflegt und gestillt wird. Das Stillen hat in dieser Variante eher einen sekundären Charakter.
  2. Stillen als Belohnung oder Ersatz: Das Stillen eines submissiven (BDSM) Partners kann als Belohnung für seine Unterordnung dienen oder als Surrogat für nicht erlaubte (andere) sexuelle Handlungen z. B. in einer Cuckold-Beziehung.
  3. Melken: Das „Melken“ (auch „forced lactation“) der submissiven Frau oder die Anweisung an sie, Milch für ihren dominanten Partner zu geben. Diese Variante ist auch als Petplay möglich.
  • Exzessives Stillen eines Kindes: Nur um einen vollständigen Überblick zu geben sei erwähnt, dass auch das Stillen eines Kindes aus primär sinnlichen Gründen vorkommt. Diese Variante ist nicht Gegenstand dieses Artikels und es ist auch unklar, ob eine Mutter ihr Kind ausschließlich über extensives Stillen überhaupt schädigen kann.[10]

Laktation, Relaktation und Induzierte Laktation

Die erotische Laktation kann sich aus dem normalen Stillen eines Kindes heraus entwickeln und der Milchfluss wird dann einfach durch kontinuierliche Stimulation erhalten.

Die Ursache für einen spontanen Milchfluss (Galactorrhoe) ist nicht selten eine Stimulation der Brustwarzen und es ist möglich, den Milchfluss gezielt nur durch mechanische Stimulation der Brustwarzen hervorzurufen (Induzierte Laktation).

Der Milchfluss kann aber auch gezielt und unabhängig von einer Schwangerschaft hervorgerufen werden. Dies wird induzierte Laktation genannt, während bei einer Frau, die den Milchfluss nach einer Stillpause wieder in Gang bringt, das Wort Relaktation zur Anwendung kommt. Dies kann erfolgen, indem regelmäßig mehrmals am Tag an den Brustwarzen gesaugt wird. Zusätzlich oder anstelle dessen kann auch gepumpt werden, massiert und „ausgemolken“. Außerdem wird oft zeitweilig ein unterstützendes Medikament eingenommen. Am bekanntesten ist der Dopaminantagonist Domperidon[11] [12].

Es ist keine Voraussetzung fürs Stillen, dass die Frau jemals schwanger war, ebenso kann sie auch jenseits der Wechseljahre sein. Wenn der Milchfluss einmal in Gang gekommen ist, regelt er sich auf die äußere Anforderung ein. Der Milchfluss bleibt erhalten, solange die Brust regelmäßig stimuliert wird.

Ein laktogener Effekt von pflanzlichen Mitteln konnte klinisch nicht nachgewiesen werden, obwohl zahlreiche Mittel seit langer Zeit als „milchfördernd“ empfohlen werden. Nur bei Bockshornklee (engl.: Fenugreek) scheint es tatsächlich eine Wirkung zu geben.

Geschichte: Caritas Romana

„Cimon und Pero“ von Hans Sebald Beham
Caritas Romana. Stich von Johann Jenet nach einem Werk von Daniel Soreau

Es gibt eine mehr als 2000 Jahre alte Geschichte, die meist „Caritas Romana“ genannt wird[13]. Diese Geschichte ist am meisten von alten Gemälden bekannt, auf denen eine junge Frau einem älteren Mann die Brust gibt.

Die Geschichte ist uns vom römischen Autor Valerius Maximus (14 AD – 37 AD) überliefert. Bei den Ausgrabungen in Pompeji (Untergang im Jahr 79 AD) wurden mindestens drei Darstellungen dieses Themas gefunden [14].

Ungefähr im Jahr 1362 wurde die Geschichte von Giovanni Boccaccio[15] wiedererzählt. Nach Boccaccio entstanden Hunderte, wenn nicht Tausende von Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen, die das Thema aufgreifen.

Primär erzählt die Geschichte einen Konflikt: Entweder es wird ein existierendes Tabu eingehalten (Inzest und Stillen eines erwachsenen Mannes) oder Rettung eines Lebens durch Brechen des Tabus. In dieser Hinsicht gibt es keinen erotischen Aspekt in der Geschichte.

Am bemerkenswertesten im Zusammenhang mit der Erotischen Laktation ist nicht der Fakt, dass es eine Geschichte gibt, in der ein Mann Milch aus der Brust einer Frau trinkt. Viel bemerkenswerter ist folgendes: Valerius Maximus erzählt zwei Geschichten, nicht nur eine. Zuerst eine ausführliche Geschichte von einer Frau, die ihre eingekerkerte Mutter stillt, um sie vorm Verhungern zu retten, und dann folgt eine analoge Vater-Tochter-Geschichte, die eigentlich nur eine reine Erwähnung in Form eines einzigen Satzes ist. 1500 Jahre später erzählt Boccaccio nur die (erste) Mutter-Tochter-Geschichte, während die Vater-Tochter-Geschichte überhaupt nicht erwähnt wird. Trotzdem wird in nahezu allen Caritas-Romana-Gemälden und -Zeichnungen die Vater-Tochter-Geschichte dargestellt. Dies verändert den Original-Hintergrund in eine erotische Richtung und es wird sehr gut die (erotische) Faszination des Künstlers für die Idee des Stillens eines Erwachsenen sichtbar.

Geschichte: Die Glücksehe des Carl Buttenstedt

Faksimilie von Carl Buttenstedt’s Anleitung

Um 1904 veröffentlichte Carl Buttenstedt ein Buch unter dem Titel Die Glücksehe – Die Offenbarung im Weibe, eine Naturstudie[16][17]. In diesem Buch beschrieb Buttenstedt eine Verhütungsmethode, bei der der Mann täglich die Milch aus der Brust seiner Frau trinken solle, um das Aussetzen der Regel zu bewirken. Eine Reihe von Autoren bescheinigten Buttenstedt eine nicht geringe Anhängerzahl und der Inhalt der Leserbriefe zu Buttenstedts Buch zeigt, dass die Leser weit eher an der Verhütung und am Vergnügen des Stillens interessiert waren, als an dem recht kruden Theoriegebäude, das Buttenstedt um seine Glücksehe herum konstruiert hatte[18]. Buttenstedts Glücksehe wurde als Skurrilität kurzzeitig recht bekannt und es gab in der Folge auch mindestens zwei Autoren, die Nachfolge-Bücher veröffentlichten [19]. Etwa ab den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts geriet Buttenstedt, der auch als Flugpionier bekanntgeworden war, völlig in Vergessenheit.

Einzelnachweise

  1. Roland Schöbl: Erotische Laktation, Denkholz 2007, ISBN 978-3-9811894-1-4
  2. Der Ethnologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt dokumentierte zahlreiche Kulturen, in denen die Praxis der Kussfütterung verbreitet ist, und geht davon aus, dass die Fütterung der Säuglinge im Verlauf der Evolution dazu führte, dass die Lippen zur erogenen Zone wurden.
  3. Institut für Sexualforschung Wien 1928–1932: Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft.
  4. Rogers, Lois: Earth dads give breast milk a try, The Sunday Times, March 13, 2005. Kopie online verfügbar.
  5. Roland Schöbl: Erotische Laktation, Denkholz 2007.
  6. Panizza, Oskar <1853–1921>: Die Wallfahrt nach Andechs. – 1894.
  7. Rogers, Lois: Earth dads give breast milk a try, The Sunday Times, March 13, 2005. Kopie online verfügbar
  8. Buttenstedt, Carl: Die Glücksehe (Die Offenbarung im Weibe). Eine Naturstudie. Reform-Verlag Berlin-Schöneberg 1910
  9. Fiona Giles: Fresh Milk – The Secret Life of Breasts, NY: Simon and Schuster; Sydney: Allen and Unwin, 2003
  10. UK TV station Channel 4 on Feb. 1, 2006: „Extraordinary Breastfeeding“. Sehr interessante und ausführlich diskutierte Dokumentationssendung über Mütter, die 7 und 9 Jahre alte Mädchen stillen.
  11. The Academy Of Breastfeeding Medicine: ABM Protocol #9: Use of galactogogues in initiating or augmenting maternal milk supply. Kopie als PDF online verfügbar.
  12. da Silva, Orlando P. and Knoppert, David C.: Health and drug alerts: Domperidone for lactating women, Canadian Medical Association Newsletter SEPT. 28, 2004. Copy available as PDF
  13. Valerius Maximus: Facta et dicta memorabilia, chapter: 5,4 De pietate in parentes.; Englische Übersetzung: Valerius Maximus, Memorable Doings and Sayings, ed. by D. R. Shackleton Bailey (Harvard University Press, 2000), vol. 1, book v, no. 4, pp. 501–503
  14. Pompeji: (1) „Gruppi figurati con perona e avicane“ im Pompeji-Museum Neapel, (2) Wandgemälde im Haus des Marcus Lucretius Fronto, (3) Wandgemälde „Micon e Pero“ im Museo Nazionale Romano – Palazzo Massimo, Ausstellung „Rosso Pompeiano“
  15. Giovanni Boccaccio: De claris mulieribus, chapter: LXV. De romana iuvencula; Englische Übersetzung: Giovanni Boccaccio, Famous Women. Edited and translated by Virginia Brown. The I Tatti Renaissance Library. Cambridge, MA, and London, England: Harvard University Press, 2001
  16. Roland Schöbl: Die „Glücks-Ehe“ des Carl Buttenstedt. Vom Stillen des Ehemanns als Geheimlehre um 1900. In: Sexuologie 3–4/2007, S. 117–123. Hg. Akademie für Sexualmedizin und der Gesellschaft für Praktische Sexualmedizin, Elsevier Verlag. (ausführlicher Überblick)
  17. Carl Buttenstedt: Die Glücksehe: Die Offenbarung im Weibe – eine Naturstudie
  18. siehe Roland Schöbl: Erotische Laktation, Denkholz 2007, ISBN 978-3-9811894-1-4, S. 53 ff
  19. Schriftliche Auskunft von Roland Schöbl

Weblinks


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