Erasmuskapelle

Erasmuskapelle
Der heutige Schauraum der Erasmuskapelle

Die Erasmuskapelle war eine katholische Friedhofskapelle neben der im 16. Jahrhundert evangelisch gewordenen St.-Mang-Kirche in Kempten. Die unterirdischen Fassadenreste wurden im Jahr 2010 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf dem heutigen St.-Mang-Platz wurden etwa 500 Skelette des alten Friedhofs gefunden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Kapelle im 19. Jahrhundert als Warenkontrollhaus mit dem neuen Anbau auf der linken Seite. Nur noch die rechte, mehreckige Wand erinnert an eine Kapelle. Dahinter die St.-Mang-Kirche.

Entstehung

Im 13. Jahrhundert entstand die Karnerkapelle St. Michael. Benannt wurde sie nach dem Erzengel Michael und wurde im Zuge der damaligen Friedhofserweiterung erbaut. Im Obergeschoss befand sich die Friedhofskapelle, darunter das Beinhaus, wo nach dem Ausgraben neuer Gräber die gefundenen Skelette aufgestapelt wurden. Im 14. Jahrhundert wurde das Gebäude durch ein Feuer stark beschädigt und daraufhin wieder aufgebaut. Das Untergeschoss wurde dem Heiligen Erasmus gewidmet. 1527 schloss sich die Reichsstadt der Reformation an, die Kapelle blieb jedoch katholisch und war Eigentum der Augsburger Bischofskirche. Aufgrund von Platzmangel musste der Friedhof später auf den Hang der Burghalde umziehen. Im Jahre 1557 ging das Kirchengebäude in die Hände der Reichsstadt. Die Reichsstadt baute das Erdgeschoss in ein Leinwandschauhaus um, im Untergeschoss richtete man eine Trinkstube mit Weinkeller ein. Diese Umbauten kosteten 200 Gulden.[1]

Im Leinwandschauhaus wurde das Leinen der Weber auf Qualität kontrolliert. An der Südseite baute man einen überdachten Laubengang an, um die Stoffe bei schlechtem Wetter ausrollen zu können. Im Jahr 1664 fügte man dem Bau im Westen noch das Schmalzwaaghaus hinzu. Das Erdgeschoss war im Verhältnis zum restlichen Gebäude deutlich höher und ermöglichte die Einfahrt von hohen Pferdekarren. Im Obergeschoss wohnte der Schmalzwaagmeister. In diesem Gebäude wurden Fette auf Qualität überprüft und der Herstellung von Seifen, Salben, Schmiermittel und Brennstoff weitergeleitet.[2]

Abriss

Schädel im Schauraum
Projektion auf die Wände

1857 wurde der Abriss des maroden Bauwerks beschlossen. Der obere Raum der Michaelskapelle wurde trotz Protesten abgerissen, das Gewölbe der Erasmuskapelle darunter eingeschlagen und das Loch mit Bauschutt aufgefüllt. Erst im Zweiten Weltkrieg entdeckte man das übrig gebliebene Gemäuer. Während des Baus eines Erdbunkers und Schützengrabens auf dem St.-Mang-Platz musste man die westliche Mauer der bereits abgebrochenen Kapelle durchbrechen. Bei den Ausgrabungen im Jahr 2010 fand man Munition für den deutschen Militär-Karabiner Mauser System 98.[3][4]

Ausgrabungen

Zur geplanten Neugestaltung des Platzes waren archäologische Voruntersuchungen nötig. Bereits im Jahr 1988 war es von Sondagen bekannt, dass sich nicht sehr tief unter den Bodenplatten Gräber befanden. Es wurden jedoch keine sorgfältigen Ausgrabungen gemacht. Daraufhin wiederholte man diese Sondagen im Jahr 2003. Von 2008 bis 2010 grub man den ganzen Platz leer, um Gräber und Fundamente der Kapelle zu untersuchen.[5] Während der Ausgrabungen fand man 500 Skelette. Das älteste Skelett stammt aus dem 7. Jahrhundert. Abgeschlossen wurden die Arbeiten im September des Jahres 2010, als man den Schauraum Erasmuskapelle eröffnete. Der unterirdische Raum ist etwa 85 m² groß und 2,8 Meter hoch. Die Spannbetondecke ermöglicht eine stützenfreie Konstruktion. Im Chorraum befinden sich 50 Skelette, die durch zwei Öffnungen in der Ostwand einsehbar sind.[6] An den Wänden befinden sich Reste einer mittelalterlichen Malerei.[7]

Mit Hilfe mehrerer Beamer, Lautsprecher und archäologischer Fundstücke wird die Geschichte der Doppelstadt Kempten dargestellt, die bereits mit dem römischen Cambodunum begonnen hat. Die Kosten für das Gesamtprojekt Neugestaltung St.-Mang-Platz mit archäologischem Schauraum in der Erasmuskapelle betrugen 1,7 Millionen Euro.[8]

Einzelnachweise

  1. Harald Derschka, Elke Weinhardt, Roger Mayrock, Azer Arasli, Ernst Sontheim; Stadt Kempten: Siko Neupert, Birgit Kata (Hrsg.): Der St. Mang-Platz und seine Geschichte. Kempten (Allgäu) 2010, S. 11.
  2. Harald Derschka, Elke Weinhardt, Roger Mayrock, Azer Arasli, Ernst Sontheim; Stadt Kempten: Siko Neupert, Birgit Kata (Hrsg.): Der St. Mang-Platz und seine Geschichte. Kempten (Allgäu) 2010, S. 12 ff..
  3. Harald Derschka, Elke Weinhardt, Roger Mayrock, Azer Arasli, Ernst Sontheim; Stadt Kempten: Siko Neupert, Birgit Kata (Hrsg.): Der St. Mang-Platz und seine Geschichte. Kempten (Allgäu) 2010, S. 14 f..
  4. http://www.kempten.de/de/media/Infoflyer.pdf
  5. http://allgaeu-erleben.com/2005-erasmuskapelle.php
  6. http://www.kempten.de/de/neugestaltung-sankt-mang-platz-erasmuskapelle.php
  7. Harald Derschka, Elke Weinhardt, Roger Mayrock, Azer Arasli, Ernst Sontheim; Stadt Kempten: Siko Neupert, Birgit Kata (Hrsg.): Der St. Mang-Platz und seine Geschichte. Kempten (Allgäu) 2010, S. 16–21.
  8. http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Unterirdisches-Skelett-Museum-eroeffnet-id8493526.html

Literatur

Weblinks

 Commons: Erasmuskapelle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
47.72531910.319558

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