Erwin Kern (Attentäter)

Erwin Kern (Attentäter)

Erwin Kern (* 8. August 1898 in Gumbinnen; † 17. Juli 1922 auf Burg Saaleck) war Marineoffizier und einer der Mörder von Walther Rathenau. Seine Mittäter waren Hermann Fischer, Ernst Werner Techow und Ernst von Salomon. Kern war Mitglied der Marine-Brigade Ehrhardt und der Organisation Consul.[1]

Leben

1898 als Sohn des Berliner Verwaltungsgerichtsdirektors Erich Ferdinand Urban Kern aus Breslau geboren, wurde Kern Oberleutnant zur See. Nach seiner Entlassung aus der Marine 1921 studierte er in Kiel Rechtswissenschaft.[2]

1920 lernte er beim Einzug französischer Truppen Ernst von Salomon kennen. Sie bildeten mit Friedrich Wilhelm Heinz eine Ortsgruppe der Organisation Consul in Frankfurt am Main und führten im Ruhrgebiet Waffenlieferungen, Gefangenenbefreiungen sowie Gegenspionage durch. Während der Kämpfe im Dritten polnischen Aufstand 1921 kämpfte Kern mit vielen anderen Mitgliedern der Brigade Ehrhardt in der Sturmkompanie Koppe unter Manfred von Killinger in Oberschlesien.

Gemeinsam mit Karl Tillessen versuchte Kern am 10. August 1921 vergeblich, die beiden in den Leipziger Prozessen wegen der Versenkung des englischen Lazarettschiffs Llandovery Castle als Kriegsverbrecher verurteilten Oberleutnants Johann Boldt und Ludwig Dithmar aus dem Leipziger Gefängnis zu befreien.[3] Im Januar 1922 gelang Kern und dem Frankfurter Kreis der Organisation Consul dann die Befreiung Dithmars aus der Strafanstalt Naumburg/Saale. Im März 1922 wurde auf den Fahrer des Fluchtwagens, Erwin Wagner, ein Fememordversuch verübt, weil Kern und Tillessen ihn für einen Spitzel hielten. Im Gießener Fememordprozeß 1927 wurde Kern die Hauptverantwortung dafür zugeschrieben.[4] Als Heinrich Tillessen nach dem Mord an Erzberger eine Vorladung von der Münchner Polizei bekam, brachte Kern ihn über die Grenze nach Österreich.[5] Ferner wird vermutet, dass Kern die dritte Person war, die das Attentat Hanns Husterts und Karl Oehlschlägers auf Philipp Scheidemann am 4. Juni 1922 begleitete. Nachdem er dabei gesehen hatte, dass die Blausäurespritze nicht wirkte, wurde der Attentatsplan für Rathenau geändert.

Am 24. Juni 1922 töteten Kern und Hermann Fischer Reichaußenminister Rathenau im offenen Fond seines Wagens mit einer Handgranate und mehreren Schüssen aus einer Maschinenpistole in der Koenigsallee (Berlin-Grunewald). Kerns politisches Motiv war, laut einer späteren Vernehmung von Karl Tillessen, die Herbeiführung einer Rechtsregierung durch die Beseitigung Rathenaus, der sämtliche Fäden in der Hand habe.[6] In einer der größten Fahndungsaktionen, die es in Deutschland je gab, wurde nach den Mördern gesucht.[7]

Die Attentäter konnten schließlich am 17. Juli 1922 auf der Burg Saaleck nahe Bad Kösen gestellt werden. Bei dem Schusswechsel wurde Kern durch eine Polizeikugel hinter einem Fenster tödlich getroffen; Fischer nahm sich daraufhin das Leben.[8]

Nach seinem Tod zählte Kern zeitweise zu den Verdächtigen für den nie aufgeklärten Mord an dem USPD-Politiker Karl Gareis, der am 9. Juni 1921 in München erschossen worden war.[9] Entsprechende erstmals 1929 aufgetauchte Hinweise sind jedoch neueren Forschungen zufolge falsch.[10]

Einzelnachweise

  1. Cord Gebhardt: Der Fall des Erzberger-Mörders Heinrich Tillessen: ein Beitrag zur Justizgeschichte nach 1945. Mohr Siebeck, Tübingen 1995, ISBN 3-16-146490-7, S. 51.
  2. Martin Sabrow: Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1999, ISBN 3-596-14302-0, S. 114 und 186.
  3. Harald Wiggenhorn: „Eine Schuld fast ohne Sühne“, in: Die Zeit 34/1996.
  4. Martin Sabrow: Der Rathenaumord. Rekonstruktion einer Verschwörung gegen die Republik von Weimar. München 1994, S. 128-134.
  5. Cord Gebhardt: Der Fall des Erzberger-Mörders Heinrich Tillessen: ein Beitrag zur Justizgeschichte nach 1945. Mohr Siebeck, Tübingen 1995, ISBN 3-16-146490-7, S. 46.
  6. Martin Sabrow: Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1999, ISBN 3-596-14302-0, S. 187.
  7. Martin Sabrow: Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1999, ISBN 3-596-14302-0, S. 125.
  8. Martin Sabrow: Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1999, ISBN 3-596-14302-0, S. 129.
  9. Vgl. Cord Gebhardt: Der Fall des Erzberger-Mörders Heinrich Tillessen: ein Beitrag zur Justizgeschichte nach 1945. Mohr Siebeck, Tübingen 1995, ISBN 3-16-146490-7, S. 50 mit weiteren Hinweisen in Anm. 25.
  10. Ulrike Claudia Hofmann: Verräter verfallen der Feme! Fememorde in Bayern in den zwanziger Jahren. Böhlau, Köln/Wien 2000, ISBN 3-412-15299-4, S. 265 mit Anm. 242.

Literatur

  • Ernst von Salomon: Der Fragebogen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 182007 (1. Auflage 1951), ISBN 978-3-499-10419-0.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Erwin Kern — ist der Name folgender Personen: Erwin Kern (Leichtathlet) (1888–1963), deutscher Meister im 100 Meter Lauf 1913 Erwin Kern (Pädagoge) (1897–1988), lehrte die Ganzheitsmethode im Erstleseunterricht Erwin Kern (Attentäter) (1898–1922), einer der… …   Deutsch Wikipedia

  • Kern (Familienname) — Kern ist ein Familienname. Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z …   Deutsch Wikipedia

  • Marine-Brigade Ehrhardt — Angehörige der Marinebrigade Ehrhardt am 13. März während des Kapp Putsches in Berlin Die Marine Brigade Ehrhardt war ein Freikorps im Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg, das am 17. Februar 1919 als 2. Marine Brigade in Wilhelmshaven von… …   Deutsch Wikipedia

  • Walther Rathenau — (* 29. September 1867 in Berlin; † 24. Juni 1922 in Berlin Grunewald) war ein deutscher Industrieller, Schriftsteller und liberaler Politiker (DDP). Er wurde als Reichsaußenminister Opfer eines politisch motivierten Attentats der Organisation… …   Deutsch Wikipedia

  • Chronik der Attentate — Von jeher werden Attentate auf prominente einflussreiche Personen verübt. Oft sind diese Anschläge politisch motiviert und zielen auf eine für den Attentäter günstige Veränderung seiner Situation ab. Die Chronik der Attentate listet die… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Attentate — Von jeher werden Attentate auf prominente einflussreiche Personen verübt. Oft sind diese Anschläge politisch motiviert und zielen auf eine für den Attentäter günstige Veränderung seiner Situation ab. Die Chronik der Attentate listet die… …   Deutsch Wikipedia

  • Burg Saaleck — Entstehungszeit: vor 1200 …   Deutsch Wikipedia

  • Walter Rathenau — Walther Rathenau Walther Rathenau (* 29. September 1867 in Berlin; † 24. Juni 1922 in Berlin Grunewald) war ein deutscher Industrieller, Schriftsteller und liberaler Politiker (DDP). Er wurde als Reichsa …   Deutsch Wikipedia

  • Chronik wichtiger Attentate — Die Chronik wichtiger Attentate listet Attentate auf einzelne Personen in chronologischer Reihenfolge auf. Inhaltsverzeichnis 1 Vorchristliche Epoche 2 Bis 700 3 700 bis 1200 4 1200 bi …   Deutsch Wikipedia

  • Attentat vom 20. Juli 1944 — Briefmarkenblock (1964) zum 20. Jahrestag des Attentats. Die einzelnen Marken zeigen neben den Widerstandskämpfern Sophie Scholl, Dietrich Bonhoeffer und Alfred Delp die am Attentat Beteiligten Ludwig Beck, Carl Friedrich Goerdeler, Wilhelm… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”