Ernst von Salomon

Ernst von Salomon

Ernst von Salomon (* 25. September 1902 in Kiel; † 9. August 1972 in Stöckte, Winsen (Luhe); auch: Ernst Friedrich Karl von Salomon) war ein deutscher Schriftsteller. In der Weimarer Republik war er wiederholt an politischen Verbrechen beteiligt. Später wandelte er sich vom Nationalisten zum Pazifisten. Nach 1945 war er als Drehbuchautor erfolgreich. Sein bekanntestes Werk ist der autobiographische Roman Der Fragebogen (1951), der die Entnazifizierung zum Thema hat.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Salomons Vater war Polizeibeamter und ehemaliger Offizier. Ab 1913 wurde Ernst von Salomon in den preußischen Kadettenanstalten in Karlsruhe und in Groß-Lichterfelde, der Hauptkadettenanstalt bei Berlin, erzogen. 1918 meldete er sich zu den regierungstreuen Truppen des Freikorps Maercker. Mit diesem kämpfte er Anfang 1919 in Berlin und nahm an der Sicherung der Nationalversammlung in Weimar teil. 1919 kämpfte er im Freikorps des Hauptmanns Liebermann im Baltikum und 1921 im Freikorps Wolf in Oberschlesien.

Nach der Auflösung des Freikorps 1920 war er Mitglied der Organisation Consul und beteiligte sich am tödlichen Attentat auf den Außenminister Walther Rathenau. 1922 wurde er deshalb wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.[1] Im März 1927 erfolgte eine weitere Verurteilung zu eineinhalb Jahren Zuchthaus wegen Beteiligung an einem versuchten Fememord. Infolge eines Gnadenaktes des Reichspräsidenten Hindenburg hinsichtlich dieser Reststrafe wurde Salomon im Dezember 1927 aus dem Zuchthaus Marienschloss-Rockenberg bedingt entlassen.

Er heiratete sofort in Berlin seine Jugendliebe Lieselotte Wölbert, mit der er sich als Häftling im Zuchthaus Striegau 1923 verlobt hatte. Die Eheleute gingen nach wenigen Jahren auseinander, blieben aber bis nach 1945 verheiratet.

Salomon bewegte sich nach der Haftentlassung in Kreisen der Konservativen Revolution und des Nationalbolschewismus um Friedrich Hielscher, Hartmut Plaas und Arnolt Bronnen und publizierte kleinere Arbeiten in deren Presse. Aufmerksamkeit erregte ein Beitrag Salomons, den Paul Fechter im April 1928 im Feuilleton der DAZ veröffentlichte.

1929 unterstützte Salomon an der Seite seines Bruders Bruno die Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein vor Ort zunächst publizistisch. Die Kampfformen der Bauern steigerten sich zu Bombenattentaten, woran sich Salomon mit einem provokatorischen Scheinanschlag auf das Reichstagsgebäude am 1. September 1929 in Berlin beteiligte. Die Folge war eine größere Verhaftungsaktion, die nicht nur das nationalkonservative Lager betraf. Während der dreimonatigen Untersuchungshaft in Justizvollzugsanstalt Moabit vollendete Salomon auf Anregung von Ernst Rowohlt seinen autobiographischen Romanerstling Die Geächteten, der im Januar 1930 im Rowohlt-Verlag erschien. 1933 folgte im gleichen Verlag Die Kadetten mit einem Bekenntnis zum Preußentum. Beide Bücher waren Erfolge – im Unterschied zum 1932 erschienenen Roman Die Stadt, den Salomon allerdings als sein bestes Werk einschätzte. Der Roman enthält eine autobiografisch gefärbte Schilderung der Rebellion. Dass zur Landvolkbewegung drei bekannte deutsche Schriftsteller, Hans Fallada mit Bauern, Bonzen und Bomben (Berlin, Rowohlt 1931), Salomon mit Die Stadt (Rowohlt, Berlin 1932) und Bodo Uhse mit Söldner und Soldat (Carrefour, Paris 1935) Romane als Augenzeugen geschrieben hatten, ist von der deutschen Literaturforschung bisher "weitgehend unbeachtet geblieben".[2]

Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten 1933 erschien bei Rowohlt nur noch Nahe Geschichte, eine Vorveröffentlichung zur Geschichte der Freikorpskämpfe, deren Dokumentation sich Salomon zur Aufgabe gemacht hatte. Seine zuvor erschienenen Veröffentlichungen wurden nach 1933 als „Dokumente vom Kampf um die Wiedergeburt der Nation“ gefördert.

Das 1933 aufgesetzte Gelöbnis treuester Gefolgschaft deutscher Schriftsteller gegenüber Hitler unterzeichnete er nicht. Während der Terrorwelle im Frühjahr 1933 wurde er zusammen mit Hans Fallada inhaftiert, kam aber durch die Fürsprache alter Freunde nach wenigen Tagen frei. Nach Röhms Ende 1934 stand Salomon bei NS-Parteidienststellen im Ruf eines "Strasser-Mannes", zumal sein emigrierter Bruder Bruno als ein bekanntes KPD-Mitglied galt.

Inzwischen war Salomon vom Scheitern eines konspirativen Widerstandes überzeugt und hatte sich aus seinem Freundeskreis, zu dem Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen gehörten, mit Ille Gotthelft, die 1933 mit ihm als zwanzigjährige Literaturstudentin ein Liebesverhältnis eingegangen war, zurückgezogen.[3] Ille Gotthelft galt nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 als Volljüdin. Salomon schützte sie vor der Verfolgung, indem er mit ihr zusammenzog und sie als seine Ehefrau ausgab. Diese unterstützte die Täuschung durch den Verzicht auf eine Ehescheidung. Als Ernst Rowohlt trotz gesetzlicher Verpflichtung seine jüdischen Verlagsmitarbeiter nicht entließ, ging Salomon 1934 ein Scheinarbeitsverhältnis im Verlag ein. Als es aufflog, zählte es zu den Gründen der Schließung des Verlages und der Emigration Rowohlts im Jahre 1938.

Seit 1936 war Salomon ins Filmgeschäft gewechselt und lebte fortan als Drehbuchautor für Unterhaltungsfilme. Dazu schrieb er an einen Vertrauten: "... vielmehr bin ich ein ganz korruptes Schwein geworden, das den schäbigen Rest von Seele glatt für die Brosamen verkauft, welche vom reich besetzten Tisch der UFA fallen ...".[4] Am 1. November 1938 trat Salomon der NSDAP bei.[5] Er hat diesen Schritt geheimgehalten und zeitlebens behauptet, nie Parteimitglied geworden zu sein. Auch seinen gegnerisch eingestellten Freunden in Berliner Künstler- und Intellektuellenkreisen blieb der Parteieintritt verborgen. In ihren Lebenserinnerungen erscheint er als einer der Hauptwortführer[6] und mit dem Drang, unzeitgemäß zu sein.[7] Der Schriftsteller Carl Zuckmayer zählte in seinem 1943/44 im Exil für den OSS verfassten Geheimreport Salomon zu den „nicht ohne weiteres einzuordnenden Sonderfällen“ und hier zu den „positiven“:

„Er meinte es volkommen ehrlich mit seiner Abkehr von nationalistischem Verschwörertum, demagogischem Antisemitismus und völkischem Ressentiment. […] Es ist schon eine ziemliche Charakterleistung dass er sich nicht von den Nazis zum ‚Helden‘ und Märtyrer machen liess, er hätte sich leicht einen Schlageternimbus verschaffen können, aber er war allerdings durch Freundschaften und Beziehungen zu Intellektuellen für die Nazis verdorben und leise verdächtig. Sein menschliches Niveau war zu gut, um sich ins Nazitum abbiegen zu lassen.“[8]

Salomon hatte sich 1940 ein Anwesen in Siegsdorf in Oberbayern zugelegt, wo er, zuletzt im örtlichen Volkssturm, mit Ille Gotthelft das Kriegsende erlebte. Am 11. Juni 1945 wurden Ernst von Salomon und Ille Gotthelft vom CIC in Anwendung des automatic arrest interniert. Während Gotthelft im März 1946 entlassen wurde, blieb Salomon bis zum 5. September 1946 in Haft. Freigelassen wurde er ohne Verhandlung infolge seiner Zuordnung zur Gruppe der erroneous arrestees (irrtümlich arrestiert gewesenen).[9] Der Film Carl Peters wurde von den britischen Besatzungsbehörden unter dem Vorwurf, antienglisch zu sein, verboten.

1951 veröffentlichte Salomon den Roman Der Fragebogen, in dem er sich autobiographisch den 133 Fragen der „Entnazifizierungsbehörde“ stellte (siehe dazu auch 131er und Persilschein). Der Roman, der Salomons Ablehnung gegenüber dem amerikanischen Projekt „Entnazifizierung“ in plakativ ironischer Weise zum Ausdruck brachte, löste erhitzte Diskussionen aus und wurde zum ersten Bestseller der Bundesrepublik Deutschland. Der Roman wurde 1985 unter der Regie von Rolf Busch, mit Heinz Hoenig in der Rolle des Ernst von Salomon, vom Norddeutschen Rundfunk verfilmt. Das szenische Fernsehspiel schildert die Vernehmung von Salomons vor der Spruchkammer, mit filmischen Rückblenden auf das Leben des Autors.

Zwischen 1954 und 1956 verfasste Salomon die Drehbücher zur Filmtrilogie 08/15 (1954/55) und zu Liane, das Mädchen aus dem Urwald (1956). 1960 folgte mit Das Schicksal des A.D. (Arthur Dietzsch) eine erneute autobiographische Reflexion. 1960 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Friedensunion.[10] 1961 nahm Salomon in Tokio an der Weltkonferenz gegen die Atombombe teil, wo ihm der höchste japanische Friedenspreis, „Die Kette der tausend Kraniche“, verliehen wurde.

Bewertungen

Der israelische Autor Robert Wistrich bezeichnet Salomon „als Vorläufer und Wegbereiter des Dritten Reiches - nicht zuletzt durch seine „moralische Farbenblindheit“, seine Selbstgerechtigkeit und seinen Nihilismus“. Seine Autobiographie Der Fragebogen sei bitter, zynisch und von „absoluter Gleichgültigkeit“ gegenüber den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs.[11]

In Frankreich wurde der Fragebogen (Le Questionnaire, 1954) zum ersten deutschen Sensationserfolg nach dem Krieg[12] und machte Salomon zu einem der seltenen Deutschen, deren Meinung man zu politischen Debatten gern im Fernsehen einholte. Salomon erschien dem Publikum wegen seiner Vergangenheit und seines antiamerikanischen Zuges faszinierender als die guten Deutschen, die mit Respekt und Langeweile anerkannt wurden.

Die Literaturwissenschaft der DDR zählte 1965 Salomons Fragebogen zu den antifaschistischen Autobiografien und Salomon erschien als „einstiger Nationalist und Freikorpskämpfer, der zum Hitlergegner wurde und später eine Linkswendung vollzog“.[13] Für andere Autoren gilt er als geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus.[14][15]

Bücher

Ernst von Salomon: Der Fragebogen, 157. -181. Tausend, Juli 1952
  • Die Geächteten, Berlin 1930
  • Die Stadt, Berlin 1932
  • Die Kadetten, Berlin 1933
  • Nahe Geschichte, Berlin 1936
  • Das Buch vom deutschen Freikorpskämpfer, Berlin 1938
  • Boche in Frankreich, Hamburg 1950
  • Der Fragebogen, Hamburg 1951
  • Das Schicksal des A.D., Hamburg 1960
  • Die schöne Wilhelmine, Hamburg 1965
  • Glück in Frankreich, Hamburg 1966,
  • Deutschland. Städte und Landschaften, aus dem Flugzeug gesehen, Köln 1967
  • Deutschland deine Schleswig-Holsteiner, Hamburg 1971
  • Die Kette der tausend Kraniche, Hamburg 1972
  • Der tote Preuße, Darmstadt 1973

Filmdrehbücher

  • Kautschuk/Die Grüne Hölle (1938)
  • Sensationsprozess Casilla (1939)
  • Kongo-Express (1939)
  • Carl Peters (1941)
  • Der dunkle Tag (1943)
  • Der unendliche Weg (1943)
  • Die Unheimliche Wandlung des Axel Roscher (1943)
  • Johann (1943)
  • Frech und verliebt (1944, uraufgeführt 1948)
  • Münchnerinnen (1944/45, uraufgeführt 1949)
  • Das Gesetz der Liebe (1945, uraufgeführt 1950)
  • 08/15 (Film) (1954)
  • 08/15 – Im Krieg (1955)
  • 08/15 – In der Heimat (1955)
  • Weil du arm bist, musst du früher sterben (1956)
  • Geliebte Corinna (1956)
  • Liane, das Mädchen aus dem Urwald (1956)
  • Liane, die weiße Sklavin (1957)
  • Liane, die Tochter des Dschungels 1957
  • Soldatensender Calais (1960)
  • Lysistrata (Fernsehfilm der ARD, 1961)
  • Glück in Frankreich (Fernsehfilm des WDR)

Literatur

  • Jost Hermand: Ernst von Salomon. Wandlungen eines Nationalrevolutionärs. Leipzig: Verlag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig/Stuttgart: S. Hirzel, 2002 (= Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-Historische Klasse, Bd. 137, Heft 5). ISSN 0138-3957
  • Markus Josef Klein: Ernst von Salomon. Eine politische Biographie. Mit einer vollständigen Bibliographie. (= Schriften zur „Konservativen Revolution“, Bd. 2, zugleich: Kiel, Univ., Diss., 1992). San Casiano, Limburg a. d. Lahn 1994, ISBN 3-928906-03-8.
  • Martin Lindner: Leben in der Krise. Zeitromane der Neuen Sachlichkeit und die intellektuelle Mentalität der klassischen Moderne. Mit einer exemplarischen Analyse des Romanwerks von Arnolt Bronnen, Ernst Glaeser, Ernst von Salomon und Ernst Erich Noth. Stuttgart: Metzler, 1994.
  • Maciej Walkowiak: Ernst von Salomons autobiographische Romane als literarische Selbstgestaltungsstrategien im Kontext der historisch-politischen Semantik. Peter Lang, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-631-56863-7.
  • Jost Hermand: Salomon, Ernst von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 392 f.

Einzelnachweise

  1. Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hrsg.): Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. Transcript-Verlag, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89942-773-8, S. 114.
  2. So Alexander Otto-Morris: "Bauer, wahre dein Recht!" Landvolkbewegung und Nationalsozialismus 1928/30 in: Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein e. V. (Hrsg.): "Siegeszug in der Nordmark". Schleswig-Holsdtein und der Nationalsozialismus 1925-1950 (= Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 50), Kiel 2009², S. 68
  3. Hans Coppi [jun.]: Harro Schulze Boysen - Wege in den Widerstand. Eine biografische Studie, Koblenz 1993, S. 148, 154, 185
  4. Brief an Hans Grimm vom 7. August 1936, zit. nach Markus Josef Klein, Ernst von Salomon. Eine politische Biographie. Mit einer vollständigen Bibliographie, Limburg a.d. Lahn 1994, S. 234
  5. Bernhard Sauer: Schwarze Reichswehr und Fememorde. Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik. Metropol-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-936411-06-9, S. 99.
  6. So Max Tau in Das Land das ich verlassen mußte, Hoffmann und Campe, Hamburg 1961, S. 239
  7. Axel Eggebrecht in: Der halbe Weg. Zwischenbilanz einer Epoche, Rowohlt, Reinbek (bei Hamburg) 1975, ISBN 3-498-01612-1, S. 295
  8. Carl Zuckmayer: Geheimreport. Deutscher Taschenbuchverlag. München. 2004: S. 108 f.
  9. Markus Josef Klein: Ernst von Salomon. Eine politische Biographie. Mit einer vollständigen Bibliographie. San Casiano, Limburg an der Lahn 1994, S. 260
  10. http://www.freitag.de/kultur/1029-komplett-geheilt
  11. Robert Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich, Harnack, München 1983, S. 235 f
  12. François Bondy:Die Rezeption der deutschen Literatur nach 1945 in Frankreich, in: Manfred Durzak (Hrsg.): Die deutsche Literatur der Gegenwart. Aspekte und Tendenzen, Philipp Reclam jun., Stuttgert 1971, S. 415-424, hier S. 418, dort auch das folgende.
  13. Hans-Georg Werner, Werner Feudel, Wolfgang Friedrich, Günter Hartung, Dietrich Sommer, Willi Steinburg: Deutsche Literatur im Überblick. Leipzig: Reclam, 1965, S. 295.
  14. Jürgen Hillesheim, Elisabeth Michael: Lexikon nationalsozialistischer Dichter. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1993, S. 368.
  15. Bernd Lenz, Hans-Jürgen Lüsebrink (Hrsg.): Fremdheitserfahrung und Fremdheitsdarstellung in okzidentalen Kulturen. Theorieansätze, Medien/Textsorten, Diskursformen. Passau: Wiss.-Verl. Rothe, 1999, S. 334.

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