Karl Tillessen

Karl Tillessen

Karl Tillessen (* 22. August 1891 in Köln; † 16. März 1979) war ein deutscher Marineoffizier, zuletzt Korvettenkapitän im Zweiten Weltkrieg sowie Stellvertreter von Hermann Ehrhardt in der Organisation Consul. Sein Bruder Heinrich Tillessen war der Mörder von Matthias Erzberger. Sein Bruder Werner Tillessen war als Marineoffizier zuletzt Admiral im Zweiten Weltkrieg

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der dritte Sohn des Generalleutnants Carl Tillessen trat 1909 in die Marine ein und nahm am Ersten Weltkrieg unter anderem als Adjutant der 13. Torpedobootshalbflottille und als U-Boot-Kommandant in Flandern teil. 1919 schloss er sich der II. Marinebrigade Ehrhardt in Wilhelmshaven an und war auch Mitglied der Ortsgruppe des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes von Wilhelmshaven-Rüstringen.[1] Er war 1920 am Kapp-Putsch beteiligt. 1921 wurde er Leiter der Organisation Consul (OC) in Sachsen.

Gemeinsam mit Erwin Kern versuchte Tillessen am 10. August 1921 noch vergeblich, die beiden in den Leipziger Prozessen[2] wegen der Versenkung des englischen Lazarettschiffs Llandovery Castle als Kriegsverbrecher verurteilten Oberleutnants John Boldt und Ludwig Dithmar aus dem Leipziger Gefängnis zu befreien. Am 28. Januar 1922 befreiten die Frankfurter Aktivisten der OC um Tillessen und Friedrich Wilhelm Heinz den inzwischen nach Naumburg/Saale verlegten Dithmar jedoch aus der dortigen Strafanstalt. Im März 1922 versuchten die Frankfurter OC-Männer um Tillessen und Kern den Fahrer des Fluchtwagens, Erwin Wagner, als vermeintlichen Spitzel umzubringen.[3] Anfang 1922 wurde Tillessen Leiter der Organisation Consul für Westdeutschland und übernahm die Oberbezirke II=Hannover und IV=Frankfurt/Main[4].

Karl Tillessen war an den Vorbereitungen für das Attentat auf den Reichaußenminister Walther Rathenau in weit entscheidenderer Weise beteiligt, als dies später im Prozeß erwiesen werden konnte.[5] 1922 kündigte Karl Tillessen in der „Völkischen Rundschau“ auch den zu diesem Zeitpunkt bereits geplanten Mord an Rathenau an: „Der jüdische Kutscher, der den Reichswagen in langjähriger Dunkelarbeit in den Sumpf gefahren habe, müsse beseitigt werden.“ In der gleichen Ausgabe warb Tillessen für Adolf Hitler und die NSDAP, die als einzige Partei die Deutschen vor „Alljuda“ schütze.[6] Karl Tillessen war es schließlich auch, der den Attentätern Erwin Kern und Hermann Fischer und Ernst Werner Techow den Befehl zur Ermordung Rathenaus erteilte.[7] Nach dem Attentat wurde Karl Tillessen in Frankfurt verhaftet, wegen „Nichtanzeige eines Verbrechens“ angeklagt und musste sich ab Oktober 1922 vor dem neu gegründeten „Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik“ in Leipzig verantworten.[8] Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt.[9][10]

Karl Tillessen hatte als führendes Mitglied der Organisation Consul 1922 vor dem Attentat auf Walther Rathenau bereits das Blausäure-Attentat auf Philipp Scheidemann, den damaligen Oberbürgermeister von Kassel, an Pfingsten 1922 geplant.[11]

Nach Einschätzung des Historikers Martin Sabrow[12] war Karl Tillessen „Kopf einer eigenen, von Ehrhardt mit terroristischen Sonderaufgaben betrauten Abteilung der Organisation Consul“.[13]

Später war Karl Tillessen Führer verschiedener Aktivistengruppen in ganz Deutschland. In Frankfurt führte er gemeinsam mit Kurt Münch den deutsch-völkischen Turnverein „Friedrich Ludwig Jahn 1919“, die spätere Keimzelle der SA in Frankfurt.[14]

1933 trat Karl Tillessen der NSDAP und der SS bei. Im Zweiten Weltkrieg war er Korvettenkapitän und blieb Mitglied der SS.

Literatur

  • Cord Gebhardt: Der Fall des Erzberger-Mörders Heinrich Tillessen. Ein Beitrag zur Justizgeschichte nach 1945. Mohr, Tübingen 1995. ISBN 9783161464904 .
  • Martin Sabrow: Der Rathenaumord. Rekonstruktion einer Verschwörung gegen die Republik von Weimar. München 1994.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus : Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes. 1919 - 1923. Leibniz-Verlag, Hamburg 1970, S. 217. ISBN 3-87473-000-X.
  2. Zum Prozess gegen Boldt und Dithmar siehe Eine Schuld fast ohne Sühne in: Die Zeit Nr. 34/1996
  3. Sabrow, Rathenaumord, S. 128-134.
  4. Die Frankfurter „Volksstimme“ und die Anschläge der Organisation Consul auf Philipp Scheidemann und Walther Rathenau 1922, online unter www.fffmhist.de
  5. Eberhard Kolb (Hrsg.): Friedrich Ebert als Reichspräsident, S. 168, FN 44; Sabrow, Rathenaumord, S. 139-149.
  6. Die „Völkische Rundschau“ (1921-1922) – Frankfurts erste nationalsozialistische Wochenzeitung, online unter www.fffmhist.de
  7. Wolfram Wette: Der Feind im Innern in: Die Zeit, 5. Juni 2003, Nr. 24/2003
  8. Ernst von Salomon – Freikorpskämpfer, Schriftsteller, Preuße, online unter www.fffmhist.de
  9. Volker Ullrich: Fünf Schüsse auf Bismarck, S. 157f.
  10. Eugene Davidson: The making of Hitler, S. 181
  11. Bernhard Sauer: Freikorps und Antisemitismus in der Frühzeit der Weimarer Republik, FN 61
  12. Martin Sabrow: Der Rathenaumord. Rekonstruktion einer Verschwörung gegen die Republik von Weimar. Dissertation. Freiburg 1992
  13. Sabrow, Rathenaumord, S. 134.
  14. Frühe SA-Organisation in Frankfurt bis 1925, online unter www.fffm.hist.de

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