Natalja Chussainowna Estemirowa

Natalja Chussainowna Estemirowa

Natalja Chussainowna Estemirowa (russisch Наталья Хусаиновна Эстемирова; * 28. Februar 1958 [1] in der Oblast Saratow; † 15. Juli 2009) war eine russische Historikerin, Journalistin und Menschenrechtsaktivistin im früheren Kriegsgebiet Tschetschenien.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Natalja Estemirowa war Tochter einer Russin und eines Tschetschenen. Sie studierte an der historischen Fakultät der Universität in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny sowie Journalistik an der Moskauer Lomonossow-Universität.[2] Bis zum Jahr 1998 arbeitete sie als Lehrerin.[3]

Estemirowa arbeitete für die im Menschenrechtsbereich tätige Nichtregierungsorganisation Memorial und war eine Freundin der 2006 ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja sowie mit dem 2009 ebenfalls ermordeten Stanislaw Markelow bekannt. Sie half Familien in Tschetschenien bei der Suche nach verschollenen Angehörigen und informierte die Öffentlichkeit über teilweise mit staatlicher Duldung begangene Entführungen und über die Folterung von Zivilisten.[4] Mit ihren kritischen Berichten zog sie sich wiederholt den Zorn des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow zu.[5]

2005 wurde der Menschenrechtlerin von der EVP-ED-Fraktion des Europäischen Parlaments die Robert-Schuman-Medaille verliehen. Für ihren Menschenrechtseinsatz wurde sie 2007 zudem mit dem Politkowskaja-Preis ausgezeichnet.[2]

Estemirowa war verwitwet und hinterlässt eine Tochter im Schulalter.

Tod

Am Morgen des 15. Juli 2009 wurde Natalja Estemirowa vor ihrem Wohnhaus in Grosny entführt und am Nachmittag desselben Tages in einem Waldstreifen nahe der Fernstraße M29 beim Dorf Gasi-Jurt im Rajon Nasran der Nachbarrepublik Inguschetien[6] mit mehreren Kopf- und Brustschüssen tot aufgefunden. Die Ermordung Estemirowas löste weltweite Bestürzung und Reaktionen zahlreicher Politiker aus.[5]

Oleg Orlow, der Vorsitzende des Rats von „Memorial“, machte Kadyrow für den Mord verantwortlich. Gegen diesen Vorwurf reichte Kadyrow Klage ein.[7] In einem ersten Prozess vor einem Moskauer Bezirksgericht erhielt Kadyrow Recht,[8] im zweiten Verfahren wurde Orlow hingegen freigesprochen.[9] Kadyrows Rechtsanwalt will den Freispruch anfechten.

Ein Jahr nach dem Mord erklärte Russlands Präsident Dmitri Medwedew, dass der Täter nun ermittelt sei und nach ihm gefahndet werde. Darüber hinaus werde alles unternommen, um auch die Hintermänner zu fassen.[10]

Schriften

Interviews

  • Natalja Estemirowa im Interview mit Amnesty International über ihre Arbeit in Tschetschenien, 7. Oktober 2008, bei amnesty.org: [1], bei YouTube: [2] (Video, ca. 8,5 Minuten, russisch mit englischen Untertiteln)
  • Fernsehinterview vom April 2009 mit Natalja Estemirowa (auf Arte, fünf Teile, insg. ca 7 Min., russisch mit deutscher Simultanübersetzung): [3]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. timesonline.co.uk timesonline.co.uk abgerufen am 19.Juli 2009
  2. a b Russland-Aktuell: Vor Medwedew-Besuch: Politkowskaja-Kollegin ermordet vom 15. Juli 2009
  3. Biographie bei kavkaz-uzel.ru (russisch)
  4. Zeit Online: Menschenrechtlerin Estemirowa im Nordkaukasus erschossen vom 15. Juli 2009
  5. a b Empörung über Mord an Menschenrechtlerin auf sueddeutsche.de, 16. Juli 2009
  6. BBC Russian: Nekrolog: Natalja Estemirowa vom 16. Juli 2009 (russisch)
  7. Kadyrow wehrt sich gerichtlich gegen Vorwürfe auf focus.de, 17. Juli 2009
  8. Gericht verbeugt sich vor Kadyrow, Frankfurter Rundschau, 6. Oktober 2009
  9. Menschenrechtler Orlow von Verleumdung gegen Tschetscheniens Chef Kadyrow freigesprochen, RIA Novosti online, 14. Juni 2011
  10. Ein Toter als Täter, Frankfurter Allgemeine Zeitung online, 17. Juli 2010

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