Dmitri Anatoljewitsch Medwedew

Dmitri Anatoljewitsch Medwedew
Dmitri Medwedew 2007

Dmitri Anatoljewitsch Medwedew (russisch Дми́трий Анато́льевич Медве́дев Aussprache?/i, wiss. Transliteration Dmitrij Anatol’evič Medvedev; * 14. September 1965 in Leningrad) ist ein russischer Politiker und seit 2008 Präsident Russlands.

Er wurde am 14. November 2005 vom Staatspräsidenten Wladimir Putin zum Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten Russlands ernannt und zwei Jahre später, am 10. Dezember 2007, von zwei führenden Parlamentsparteien für die Nachfolge als Präsident der Russischen Föderation vorgeschlagen. Am 2. März 2008 wurde Medwedew zum Präsidenten und Nachfolger von Wladimir Putin gewählt. Die offizielle Amtseinführung Medwedews fand am 7. Mai 2008 statt, dem Tag, an dem die Amtszeit Putins endete.[1][2] Seine Macht stützt sich auch auf die im russischen Parlament mit Zweidrittelmehrheit vertretene Partei Einiges Russland, der er jedoch selbst nicht angehört.

Putin und Medwedew arbeiteten bereits in der Stadtverwaltung von Sankt Petersburg in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zusammen. Putin holte ihn Ende der 1990er Jahre in die Präsidialverwaltung nach Moskau. In den letzten Jahren stieg Medwedew als deren Leiter und als Vorsitzender des Aufsichtsrats beim führenden russischen Erdgaskonzern Gazprom zu einem der mächtigsten Politiker Russlands auf, blieb bis zu seinem Wechsel in die Regierung 2005 einer breiteren Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Herkunft und Familie

Dmitri Medwedew im Jahr 1967 (im Alter von zwei Jahren)

Medwedew wuchs als Einzelkind in einer Mittelschichtfamilie im Neubaugebiet des Leningrader Vorortes Kuptschino (Купчино) auf.[3] Sein Vater, Anatoli Afanasjewitsch Medwedew († 2004), war Professor für Maschinenbau am Technologischen Institut Leningrad (LTI), seine Mutter Lektorin für europäische Sprachen an der Russischen Staatlichen Pädagogischen A. I. Herzen-Universität. Nach ihrer Pensionierung arbeitete sie bis kurz vor der Präsidentschaft ihres Sohnes noch als Museumsführerin.

Medwedew ist seit 1993 mit Swetlana Medwedewa (geb. Linnik, * 1965) verheiratet, mit der er einen Sohn hat. Swetlana Medwedewa ist Trägerin des Frauenordens der Russisch-Orthodoxen-Kirche Hochwürdige Eufrosinia von Moskau, der herausragenden russischen Frauen verliehen wird. Gegenwärtig fungiert sie als Leiterin des Kuratoriums des Programms Geistig-moralische Kultur der heranwachsenden Generation Russlands, das mit dem Segen von Patriarch Alexius II. gegründet wurde.

Studium, Lehrtätigkeit, Publikationen

Medwedew studierte noch zu Sowjetzeiten Recht an der Staatlichen Universität Leningrad. 1987 machte er sein Examen, wurde 1990 im Zivilrecht promoviert und schlug zunächst die Hochschullaufbahn ein. Bis zum Jahr 1999 lehrte er an der juristischen Fakultät seiner Heimatstadt. Daneben beriet er in der ersten Hälfte der 1990er Jahre das Komitee für Auswärtiges beim Petersburger Bürgermeisteramt, das vom späteren Staatspräsidenten Wladimir Putin geleitet wurde.

Medwedew war 1991 Koautor des ersten postkommunistischen Lehrbuches für Zivilrecht, das 2007 in der 6. Auflage erschienen ist. Im Jahre 2007 publizierte er ein Buch für Studenten unter dem Titel Woprosy nazionalnogo raswitija Rossii (zu Deutsch: Fragen der nationalen Entwicklung Russlands)[4] über die Rolle des russischen Staates in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Wechsel nach Moskau

Dmitri Medwedew und Wladimir Putin (März 2000)

Als Putin von Boris Jelzin im Juli 1999 zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, übernahm Medwedew das Amt des Stellvertretenden Leiters des Regierungsapparats in Moskau.

Nach Putins Übernahme des Präsidentenamts im Januar 2000 wurde Medwedew stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung und leitete beim Präsidentschaftswahlkampf Anfang 2000 Putins Wahlkampfstab.

Im Juni 2000 stieg er zum Ersten Stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung auf. Er wurde für Putins Tagesplanung und für die Koordination von Regierung und Präsidialverwaltung verantwortlich. 2001 betraute ihn Putin mit der Durchführung der Reform des öffentlichen Dienstes. Am 30. Oktober 2003 wurde er Leiter der Präsidialverwaltung.

Tätigkeit im Gazprom-Aufsichtsrat

Neben seiner Tätigkeit in der Präsidialverwaltung ist Medwedew seit Juni 2000 im Aufsichtsrat des führenden russischen Erdgaskonzerns Gazprom, an dem der russische Staat beteiligt ist. Vom Juni 2002 bis Juni 2008 war er Vorsitzender des Gazprom-Aufsichtsrats.

In dieser Funktion ergaben sich 2004/2007 zwischen Medwedew und dem stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung, Igor Setschin, der zugleich Aufsichtsratschef des staatlichen Ölkonzerns Rosneft ist, Auseinandersetzungen. Gazprom wollte im Zuge der Zerschlagung des Ölkonzerns Jukos des Oligarchen Michail Chodorkowski Juganskneftegas, die wichtigste Ölproduktionsgesellschaft des Jukos-Konzerns, übernehmen, um auf diese Weise einen wichtigen Schritt auf dem Weg von einem Erdgas- zu einem breit diversifizierten Energiekonzern zu tun. Schließlich erhielt aber Rosneft Juganskneftegas und konnte so von einem vergleichsweise kleinen zu einem der führenden Ölproduzenten aufsteigen. Gazprom kam allerdings wenig später im Sommer 2005 durch den Kauf des Ölkonzerns Sibneft des Oligarchen Roman Abramowitsch seinem Ziel auch deutlich näher. Medwedew wirkte auf diese Weise an führender Stelle bei der „Entprivatisierung“ der russischen Energiewirtschaft mit.

Erster Vize-Ministerpräsident 2005-2008

Medwedew mit Wladimir Putin im April 2008 (hier: bei einem Ostergottesdienst in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale)

Am 14. November 2005 löste Präsident Putin Medwedew als Leiter der Präsidialverwaltung ab und ernannte ihn zum Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten. In seinem neuen Amt sollte Medwedew nach dem Willen Putins insbesondere für Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen, im Wohnungswesen und in der Landwirtschaft zuständig sein. Medwedew wurde schon seit einiger Zeit, neben Verteidigungsminister Sergei Iwanow, als möglicher Nachfolger Putins gehandelt, der bei den Präsidentschaftswahlen im März 2008 laut Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit in Folge kandidieren durfte. Medwedew gilt als führender Vertreter der Fraktion der „Liberalen“ im Kreml, die oft in einem gewissen Gegensatz zu den als Silowiki bezeichneten Vertretern der Interessen von Geheimdienst, Staatsanwaltschaft, Militär und Polizei gesehen wird.[5]

Präsidentschaftskandidatur 2007

Am 10. Dezember 2007 wurde Medwedew von vier Parteien (neben der Kreml-nahen Partei 'Einiges Russland' auch von der Agrarpartei, von 'Gerechtes Russland' und von der liberalen Bürgerkraft) als Präsidentschaftskandidat nominiert. Diese Kandidatur wurde von Wladimir Putin explizit unterstützt.[6] Am 17. Dezember wurde Medwedew von der Partei Einiges Russland bei ihrem Parteitag offiziell als Präsidentschaftskandidat bestätigt.

Russischer Präsident seit 2008

Bei den Wahlen am 2. März 2008 wurde er zum Präsidenten Russlands gewählt und am 7. Mai vereidigt. Der Präsident hat im politischen System Russlands einen erheblichen Einfluss sowohl auf die Regierung als auch auf die Zusammensetzung des Parlaments.

Dmitri Medwedew beim Staatsbesuch in der Schweiz, September 2009

In seinen ersten Amtsmonaten verhinderte er eine noch von Putin angestrengte Verschärfung des Mediengesetzes und bekannte sich zu größeren Anstrengungen im Umweltschutz. In der Abberufung des Generalstabschefs Juri Balujewski sahen Beobachter das Bestreben, die politische Kontrolle des Kremls über die Streitkräfte zu stärken und nötige Reformen voranzutreiben.[7][8]

Anfang August 2008 leitete Medwedew als Reaktion auf den georgischen Angriff auf Südossetien eine sechstägige Militäroperation gegen Georgien sowohl in Südossetien, als auch im georgischen Kernland ein. Wenige Wochen später verkündete er die russische Anerkennung Südossetiens und Abchasiens. Der Westen reagierte auf sein Vorgehen mit harscher Kritik.

Am 6. Juli 2009 unterzeichnete er, gemeinsam mit US-Präsident Barack Obama, ein Nachfolgeabkommen des 1991 geschlossenen START-Abkommens. Damit werden die Atomwaffenarsenale der beiden Staaten weiter verringert.

Im Sommer 2010 gab es in Russland verheerende Wald- und Torfbrände. Die Regierung spielte deren Ausmaß zunächst herunter, was viele Russen ihrer Regierung laut Meinungsumfragen sehr verübelten. Verstärkt wurde gefragt, ob das russische Regierungssystem reformiert werden müsste, um die Probleme des Landes besser bewältigen zu können. Medwedew lehnte dies im September 2010 ab; eine Umwandlung Russlands in eine parlamentarische Demokratie sei eine Katastrophe für sein Land; ein starkes parlamentarisches System sei nicht geeignet für Russland.

Das Modell wie etwa in Deutschland – mit einer starken Regierung – lehnte er ab. Medwedew bekräftigte sein Ziel, Russland zu einem modernen Staat mit freien Menschen zu machen. „Ein Mensch, der eingeschüchtert, abgekapselt ist sowie den Staat, die Polizei und Konkurrenten fürchtet, kann kein Modernisierer sein. Das kann nur ein freier Mensch.“[9]

In der Forbes-Liste der mächtigsten Menschen der Welt belegte Dmitri Medwedew Platz 59.[10]

Kooperation mit Putin: Präsidentschaftswahlen 2012

In Russland sitzen an den meisten Schlüsselstellen Männer und Frauen, die Putin während seiner Zeit als Präsident ernannte. Medwedew hat inzwischen ein Drittel der Gouverneursposten neu vergeben und auch den Oberbürgermeister von Moskau ersetzt, Beobachter halten dies jedoch für mit Putin abgestimmte Korrekturen und sprechen von einer Tandemdemokratie. Kleine Boshaftigkeiten seien deshalb kein Signal für Differenzen im Tandem Medwedew-Putin oder gar für eine neue Perestroika. Zahlreiche im Westen gehegte bzw. geäußerte Hoffnungen auf Medwedew blieben unerfüllt. [11] [12]

Am 24. September 2011 schlug Medwedew auf dem Parteitag der Kreml-Partei Einiges Russland seinen Vorgänger Putin als seinen Nachfolger für die Präsidentschaftswahlen 2012 vor. [13]. Die meisten Medien halten es für ausgemacht, dass Medwedew nach den im Herbst 2012 folgenden Parlamentswahlen den Posten des Ministerpräsidenten übernimmt.[12] [14]

Privatleben

Dmitri Medwedew mit seiner Frau Swetlana Medwedewa

Medwedew und seine Ehefrau Swetlana haben einen Sohn.[11] Medwedew ist Fan des Fußballklubs Zenit St. Petersburg und war Vorsitzender eines Moskauer VIP-Fanclubs dieses Vereins. Er bezeichnet sich als Rockmusik-Fan und nennt unter anderem Deep Purple, Black Sabbath, Pink Floyd und Led Zeppelin als Lieblingsbands.

Die Wohnresidenz der Familie Medwedew befindet sich etwa 20 km westlich von Moskau nahe der so genannten Rubljowka, in der Ortschaft Gorki-9, wo einst auch der erste Präsident Russlands Boris Jelzin wohnte. Darüber hinaus verfügt Medwedew über zwei Wohnungen in Moskau sowie eine in seiner Heimatstadt Sankt Petersburg.[15]

Dmitri Medwedew war in seiner Jugend Atheist, hat sich aber im Alter von 23 Jahren in der Russisch-Orthodoxen Kirche taufen lassen. In einem Interview sagte Medwedew, dass das Bekenntnis zum christlichen, russisch-orthodoxen Glauben sein Leben grundlegend veränderte. [16]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Dmitri Medwedew – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wikinews Wikinews: Dmitri Medwedew – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. DPA: Medwedew als russischer Präsident vereidigt, vom 7. Mai 2008, abgerufen am 7. Mai 2008
  2. Wse ostajutsja na mestach, Rossijskaja Gaseta Nr. 4603, 4. März 2008
  3. Neil Buckley (December 11, 2007): Medvedev's liberal outlook likely to cheer western states.. Financial Times. Abgerufen am 13. Dezember 2007.
  4. Buchbeschreibung auf eastview.com
  5. Ob er 2010 immer noch als solcher gilt ist fraglich; siehe Abschnitt "Kooperation mit Putin" oder Wer führt Russland? In: Tagesspiegel.de vom 15. August 2010
  6. bbc.co.uk: Putin sees Medvedev as successor, auf Englisch, abgerufen am 10. Dezember 2007
  7. http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/880359.html
  8. http://www.tagesschau.de/ausland/medwedew26.html (nicht mehr online verfügbar)
  9. Medwedjew nennt parlamentarische Demokratie eine "Katastrophe" In: zeit.de vom 10. September 2010
  10. Путин – второй по влиятельности в мире по версии Forbes, Vesti.ru vom 03.11.2011
  11. a b Elke Windisch: Wer führt Russland? In: Tagesspiegel.de vom 15. August 2010
  12. a b Rheinische Post vom 26. September 2011, S. A2: Lupenreine Demokraten. - Ämtertausch in Russland: Ministerpräsident Wladimir Putin wird bei der kommenden Präsidentenwahl antreten. Dmitri Medwedew verzichtet auf eine zweite Amtszeit und wird Regierungschef.
  13. Im: Hamburger Abendblatt vom 26. September 2011 zur Rückkehr Putins auf das Präsidentenamt
  14. spiegel.de 24. September 2011: Machtplan von Putin und Medwedew - Einsamer Delegierter wagt "Nein"
  15. realty.newsru.com, 23. September 2008
  16. http://www.itogi.ru/russia/2008/8/3759.html

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