Eurofighter-Affäre

Eurofighter-Affäre
Der erste neue österreichische Eurofighter (2007)

Die Eurofighter-Affäre umfasst die undurchsichtige und möglicherweise von Schmiergeldzahlungen in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro begleitete Beschaffung neuer Kampfflugzeuge vom Typ Typhoon der Firma Eurofighter Jagdflugzeug GmbH, im Volksmund "Eurofighter" genannt, im Jahr 2002 durch die österreichische Regierung Schüssel I.[1]

Inhaltsverzeichnis

Ausschreibung

Die damalige Koalitionsregierung, bestehend aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), beschloss in ihrem Regierungsübereinkommen die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge, um den veralteten Saab J35 Draken (Modelljahr: 1963) abzulösen. Zunächst war der Kauf von 24 neuen Fliegern vorgesehen. Nach der Donauhochwasserkatastrophe 2002 wurde die Anzahl jedoch auf 18 reduziert.[2]

Laut der britischen Strafverfolgungsbehörde Serious Fraud Office (SFO) kam es bei dem Deal zu gravierenden Ungereimtheiten. Bei Hausdurchsuchungen stellte die SFO im Zuge eigener Korruptionsermittlungen Unterlagen sicher, die auf Schmiergeldzahlungen durch den britischen Rüstungskonzern BAE Systems hinweisen. Demnach soll der für BAE (Kooperationspartner von EADS) arbeitende österreichische Großgrundbesitzer und Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly „Druck ausgeübt“ haben, so dass die erste Ausschreibung storniert wurde. Damit konnte der EADS-Konzern, dessen Flugzeuge bei der ersten Ausschreibung noch nicht ausreichend entwickelt waren, doch noch an der Ausschreibung teilnehmen.

Die Entscheidung zugunsten von 18 Eurofightern um insgesamt 1,959 Mrd. Euro fiel schließlich im Zuge des zweiten Ausschreibungsverfahren bei einem Kanzlerfrühstück vor dem Ministerrat am 2. Juli 2002. Die Entscheidung unter den Regierungsmitgliedern fiel einstimmig, obwohl sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser bis dahin für die amerikanischen F 16 und Verteidigungsminister Herbert Scheibner für die schwedischen Saab 39 Gripen einsetzten. Die SFO geht auch hier von Unregelmäßigkeiten aus. Sie spricht von einem Auftrag in Höhe von 1,79 Mrd. Euro an die EADS "im Anschluss an die aggressive Zahlung von Erfolgsprämien an wichtige Entscheidungsträger“.[2]

Untersuchungsausschuss

Nach den Nationalratswahlen im Oktober 2006 stellten die Eurofighter-skeptischen Fraktionen SPÖ, Grüne und FPÖ (mittlerweile Oppositionspartei) die Mehrheit im Nationalrat und beschlossen am 8. November 2006 gegen die Stimmen der ÖVP und des BZÖ, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Prüfung der Eurofighter-Beschaffung einzurichten. Zum Vorsitzenden wurde der grüne Abgeordnete Peter Pilz gewählt. Untersucht werden sollten die Umstände der politischen Entscheidung für den Eurofighter, das Zustandekommen des Kaufvertrags, die Gegebenheiten der Gegengeschäfte und die Möglichkeiten zum Ausstieg aus dem Geschäft.[3]

Verdacht auf Schmiergeldzahlungen

Durch den Untersuchungsausschuss wurden fragwürdige Netzwerke von Lobbyisten zu Beamten und Politikern aufgedeckt.

Zu den brisantesten Einzelerkenntnissen gehört die 87.600-Euro-Zahlung des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger an die Firma von Anna Maria Frühstück-Wolf. Sie ist die Ehefrau des Generalmajors Erich Wolf, eines Mitglieds jener Kommission, die für die Bewertung der Angebote zuständig war. Das Ehepaar Wolf und sein Trauzeuge Steininger bestreiten jeglichen Zusammenhang mit der Eurofighterbeschaffung. Der "Airchief" wurde vorübergehend suspendiert. Zudem wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet.[4]

Auch gegen Erich Deutsch, den Chef des Abwehramts im Verteidigungsministerium, wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er hatte im Ausschuss zugegeben, mit Steininger öfter auf Urlaub gewesen zu sein. Er hat sich dabei zwei Mal vom EADS-Lobbyisten die Hotelkosten bezahlen lassen und sie erst später retourniert. Hinzu kommt, dass Steininger just zum Zeitpunkt des letzten gemeinsamen Skiurlaubs in der Ramsau mehrmals in den Ausschuss geladen war. Der Abwehramtschef will davon nichts gewusst haben.[4]

Dem früheren BZÖ-Wahlkampfleiter Gernot Rumpold wird vorgeworfen, im Zuge der Beschaffung überhöhte Zahlungen an seine Firmen erhalten zu haben. Laut einem Bericht des Magazins News gibt es einen Werbevertrag im Wert von fast 6,6 Millionen Euro mit Rumpolds Agentur 100 % Communications.[5] Vor dem Untersuchungsausschuss hatten Rumpold und seine Frau Erika unter Berufung auf Betriebsgeheimnisse die Aussage verweigert. Sie erklärten jedoch, durch den Werbeauftrag 3,2 Millionen Euro verdient zu haben. Eine einfache Pressekonferenz wurde mit einem Preis von brutto 96.000 Euro angesetzt. Manche Ausschussmitglieder vermuteten hinter den überhöhten Zahlungen versteckte Parteienfinanzierung. Der Vorwurf konnte jedoch nicht bewiesen werden.[4]

Auch frühere FPÖ-Mitarbeiter erhielten von EADS Geld. So soll etwa der frühere Sekretär im FPÖ-Klub Kurt Lukasek für politische Analysen bezahlt worden sein.[4]

Für die ÖVP von besonderem Interesse waren die rund 5 Millionen Euro EADS-Sponsorgelder für den Fußballklub Rapid, deren eigentliche Sinnhaftigkeit nicht ergründet werden konnte. Die von der ÖVP vermuteten Zusammenhänge mit dem Anti-Eurofighter-Wahlkampf der SPÖ konnten nicht hergestellt werden. Bewiesen wurde lediglich, dass es vor und nach dem Wahlkampf Gespräche zwischen EADS und hochrangigen SPÖ-Politikern gegeben hatte.[4]

Laut Gerichtsakten sollen die Eurofighter-Lobbyisten Klaus-Dieter Bergner, Alfred Plattner und Walter Schön rund 100 Millionen Euro zur Verfügung gehabt haben, um die Kaufentscheidung zu ihren gunsten zu beeinflussen. Laut Informationen der Staatsanwaltschaft in Rom soll alleine die Briefkastenfirma Vector des italienischen Finanzbetrügers Gianfranco Lande 84 Millionen Euro erhalten haben. Lande hat bestätigt für Eurofighter- bzw. die Vertreter des Konsortiums Geld gewaschen zu haben.[1]

Diskussion um Vertragsausstieg und Stückreduktion

Laut der österreichischen Bundesregierung (mit Verteidigungsminister Günther Platter), die sich dabei auf EADS beruft, würde ein Vertragsausstieg 1,2 Mrd. Euro kosten. Sollte EADS oder der Eurofighter GmbH allerdings nachgewiesen werden können, dass sie sich nicht an den Vertrag gehalten haben, so könnte die Republik Österreich ohne Stornogebühren vom Vertrag zurücktreten. Im „Code of Business Conduct“ im Eurofighter-Vertrag ist festgehalten, dass die Bieterseite keiner natürlichen oder juristischen Person, die an der Auftragsvergabe mitwirkt, Vorteile anbieten oder gewähren darf. Durch die als „Darlehen“ bezeichnete Zahlung des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger an die Ehefrau von Wolf im Jahr 2002 unmittelbar nach der Entscheidung für die Eurofighter könnte die Bestimmung verletzt worden sein.[2]

Für die Bundesregierung waren die Verdachtsmomente nicht ausreichend, um vom Kauf der Eurofighter zurückzutreten. Stattdessen schloss der damalige Bundesminister für Landesverteidigung Norbert Darabos (als zuständiger Vertreter der Republik Österreich) am 26. Juni 2007 eine Vereinbarung mit dem Hersteller, die vorsieht, die Stückzahl von 18 auf 15 Jagdflugzeuge zu reduzieren (alle Tranche 1, neun neue und sechs gebrauchte Maschinen). Dadurch wurden die Anschaffungskosten von ursprünglich 1,959 Mrd. Euro auf 1,589 Mrd. Euro reduziert, was einer Kostenersparnis von ca. 19 % entspricht.[6] Kritiker der Vereinbarung führen dagegen an, dass durch die Verkleinerung der Flotte sowie die Verwendung gebrauchter Maschinen die maximale Gesamtflugstundenanzahl ebenfalls um 19 % reduziert wurde und somit keine echte Einsparung vorhanden ist.[6] Gleichzeitig führe der Wegfall von Tranche-2-Maschinen zu einem Verlust an Kampfkraft, wozu auch der Verzicht auf die Systeme „Praetorian“ und „PIRATE“ beiträgt.[6]

Die Rolle von Mensdorff-Pouilly

Nachdem Anfang des Jahres 2007 bekannt geworden war, dass Christer van der Kwast, Oberstaatsanwalt der schwedischen Antikorruptionsbehörde, Untersuchungen gegen Valurex wegen der Vorgänge um die Auftragsvergabe für die Saab-Gripen-Jagdflugzeuge durch Tschechien eingeleitet hatte,[7] wurde Alfons Mensdorff-Pouilly am 21. Mai 2007 in Österreich vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen. Dabei sagte Mensdorff-Pouilly aus: „Ich habe keinen Kontakt mit irgendjemandem in einem Ministerium diesbezüglich gehabt oder irgendetwas.“ Seine Tätigkeit für das Rüstungsunternehmen BAE sei nur die „laufende Information des Sales- und Marketing-Personals von BAE in politischer und kultureller Hinsicht in Bezug auf Geschäftsgebräuche in Österreich“ gewesen.[8] Das Serious Fraud Office stellte jedoch einen Bericht von Mensdorff-Pouilly's Firma „MPA Handelsgesellschaft m.b.H.“[9] vom 27. März 2003 an die BAE sicher, aus dem hervorgeht, dass die MPA „Druck ausgeübt“ habe, um die erste Ausschreibung zum Ankauf von Militärflugzeugen durch die Republik Österreich zu stornieren. Nach der Angebotserstellung für diese Ausschreibung wäre die Wahl auf die F-16 von Lockheed Martin gefallen. Der Auftrag wurde neuerlich ausgeschrieben und gewährte dadurch auch Eurofighter die Gelegenheit zur Angebotsabgabe. „Im Anschluss an die aggressive Zahlung von Erfolgsprämien an wichtige Entscheidungsträger“, so heißt es in dem Bericht der MPA, „gab Österreich einen Auftrag in Höhe von € 1,79 Milliarden für den Eurofighter Typhoon bekannt.“[10]

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Nach einer Sachverhaltsdarstellung, die Peter Pilz, Vorsitzender des Eurofighter-Untersuchungsausschusses, am 1. Oktober 2008 an die österreichische Staatsanwaltschaft schickte, führte der zuständige Staatsanwalt ab Jänner 2009 Ermittlungen gegen Alfons Mensdorff-Pouilly wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage vor dem parlamentarischen Eurofighter-Untersuchungsausschuss durch.[11] [12] Am 27. Februar 2009 wurde Mensdorff-Pouilly in seinem Schloss in Luising wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen.[13][14] Die Untersuchungshaft dauerte fünf Wochen.

Im Juni 2011 setzte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen fort.[15][16]

Zweifel an Gegengeschäften

Bedingung bei der Vergabe waren auch Gegengeschäfte im Ausmaß von 200 Prozent des Kaufpreises. Laut dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sollte ein Drittel davon budgetwirksam werden und damit an den Staat zurück fließen. Der Rechnungshof stellte dazu fest, dass das angepeilte Kompensationsvolumen von vier Milliarden Euro „wahrscheinlich“ erreicht werden dürfte.[2] Eine exakte Überprüfung der Gegengeschäften sei jedoch aufgrund der "intransparenten und missverständlichen" Anrechnungskriterien nicht möglich.[3]

Einzelnachweise

  1. a b Fehlender Parameter „titel“ (Hilfe) Kurier, 2. September 2011, abgerufen am 2. September 2011.
  2. a b c d FAQ: Die zehn wichtigsten Antworten zum Eurofighter. Der Standard, 20. April 2007, abgerufen am 18. Juli 2010.
  3. a b Die Chronologie. Webseite des Verteidigungsministeriums, abgerufen am 18. Juli 2010.
  4. a b c d e Das war der Eurofighter-U-Ausschuss. Die Presse, 1. Juli 2007, abgerufen am 18. Juli 2010.
  5. http://zib.orf.at/zib2/wolf/stories/175034/
  6. a b c Der Darabos-Deal. airpower.at, abgerufen am 6. Juli 2010.
  7. Profil: Mensdorff-Pouilly äußert sich erstmals ausführlich über Bestechungs-Vorwürfe (vom 24. Februar 2007)
  8. Laut Protokoll des parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 21. Mai 2007, Seite 79 ff, zitiert nach Peter Pilz: Sachverhaltsdarstellung
  9. Compnet: Kurzporträt des Unternehmens MPA (abgerufen am 10. Jänner 2009)
  10. Parlamentarische Anfrage an Verteidigungsminister Darabos (vom 26. Februar 2010)
  11. ORF: Ermittlungen gegen Mensdorff-Pouilly (vom 3. Jänner 2009)
  12. Der Standard: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mensdorff-Pouilly (vom 3. Jänner 2009)
  13. ORF: Mensdorff-Pouilly festgenommen (vom 27. Februar 2009)
  14. Der Standard: U-Haft für Waffenlobbyist Mensdorff-Pouilly (vom 1. März 2009)
  15. Eurofighter: Staatsanwaltschaft startet neu durch derstandard.at
  16. Eurofighter-Krimi um den Verbleib von 87 Millionen Euro diepresse.com, abgerufen am 14. Juni 2011

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