Existenzlohn

Existenzlohn

Als Existenzlohn, englisch "living wage", wird ein Familieneinkommen bzw. ein Lohn in Höhe des (physische, nicht soziokulturelle) Existenzminimums verstanden.

Der Begriff Existenzlohn stammt aus der Lehre der Physiokratie. Der Lohn des (Land)arbeiters ortientiert sich als Existenzlohn an dessen Reproduktionskosten, der verbleibende Mehrwert ist die Grundrente. Im 19. Jahrhundert wurde diese Vorstellung als Ehernes Lohngesetz weiterentwickelt. Hier erhält der Proletarier im Kapitalismus lediglich den Existenzlohn. Der restliche Mehrwert geht als Gewinn an die Kapitalisten.[1]

Verschiedene (meist marxistische) Theoretiker formulierten Verelendungstheorien, nach denen der Lohn im Kapitalismus sich systematisch dem Existenzminimum annähern würde. In der Praxis ist dies (in den marktwirtschaftlich organisierten Industriestaaten) jedoch nicht eingetreten. Hier ist das Gegenteil, nämlich eine langfristig steigende Lohnquote zu beobachten.[2]

Der Existenzlohn muss unterschieden werden vom gesetzlichen Mindestlohn. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländer sind die gesetzlichen Mindestlöhne, falls sie existieren, so tief angelegt, dass die Existenz von Angestellten und ihren Familien nicht sichergestellt werden kann. In großen Textil-Produktionsländern wie Bangladesh oder auf den Philippinen ist dies z.B. der Fall. Gewerkschaften und NGOs fordern seit langem, dass die Markenfirmen einen Existenzlohn bezahlen und sich nicht nur auf den gesetzlichen Mindestlohn oder auf den industrieüblichen Lohn berufen.

Auch in Industriestaaten kann das Erwerbseinkommen unter dem Existenzminimum liegen. In den USA spricht man von den Working poor. In Deutschland wird in diesem Fall das Einkommen mindestens auf die Höhe des soziokulturellen Existenzminimums aufgestockt.

Die genaue Definition, wie viel Geld es für ein würdiges Leben braucht, ist politisch und fachlich umstritten. Siehe hierzu Existenzminimum.

Literatur

  • Ryan, John A. Living Wage Macmillan, New York 1906 OCLC 39046728
  • Gertner, Jon, "What is a Living Wage?", The New York Times, January 15, 2006
  • Sklar, Holly; Mykyta, Laryssa; Wefald, Susan, "Raise The Floor: Wages and Policies That Work For All Of Us", 2002, South End Press. [1] ISBN 0-89608-683-6

Einzelnachweise

  1. Heinz-J. Bontrup: Lohn und Gewinn: Volks- und betriebswirtschaftliche Grundzüge, 2. Auflage, 2008 ISBN 3486584723, Seite 22 ff., Online
  2. Heinz-J. Bontrup: Lohn und Gewinn: Volks- und betriebswirtschaftliche Grundzüge, 2. Auflage, 2008 ISBN 3486584723, Seite 52 ff., Online

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Arbeit (Volkswirtschaftslehre) — Der Begriff Arbeit im volkswirtschaftlichen Sinne umfasst alle menschlichen Tätigkeiten, die unmittelbar der Einkommenserzielung dienen, unabhängig ob es sich bei diesem Produktionsfaktor um eine manuelle oder geistige Beschäftigung handelt.[1]… …   Deutsch Wikipedia

  • Klassenkampf — Illustration einer bürgerlichen Klassengesellschaft …   Deutsch Wikipedia

  • Verelendungstheorie — Unter Verelendungstheorien werden Theorien verstanden, die eine Verelendung der Proletarier im Zuge der Industrialisierung, bzw. der Arbeiterklasse unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen behaupten. Zu unterscheiden ist einerseits… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”