Mehrwert (Marxismus)

Mehrwert (Marxismus)

In der Marxschen Arbeitswerttheorie bezeichnet Mehrwert den Teil der Wertmenge, den der Lohnarbeiter durch seine Arbeit produziert und der über den Ersatz des Wertes seiner Arbeitskraft und der eingesetzten Produktionsmittel hinausgeht, also die für den Kapitalismus spezifische Form des Mehrprodukts.

Das Wort Mehrwert (surplus value) verwendete 1824 schon William Thompson in seiner Untersuchung An Inquiry into the Principles of the Distribution of Wealth Most Conducive to Human Happiness.[1] Wie Engels und Kautsky[2] gegenüber Anton Menger nachweisen, bezeichnet Thompson mit diesem Terminus den zusätzlichen Profit, den ein Maschinen einsetzender Kapitalist in Vergleich zu einem Handwerker erzielt. Daneben spricht Thompson auch von Zusatzwert (additional value), mit welchem er den insgesamt neu geschaffenen Wert oder Neuwert (m+v) meint. Auch Marx benutzt den Ausdruck selber schon in seinem Artikel über das Holzdiebstahlgesetz,[3] aber dort im Sinne von Entschädigungen, die der Waldbesitzer erhält.

Inhaltsverzeichnis

Mehrwert als Begriff der Politischen Ökonomie von Karl Marx

Karl Marx schreibt im Kapital: "Wir wissen jedoch bereits, daß der Arbeitsprozeß über den Punkt hinaus fortdauert, wo ein bloßes Äquivalent für den Wert der Arbeitskraft reproduziert und dem Arbeitsgegenstand zugesetzt wäre. Statt der 6 Stunden, die hierzu genügen, währt der Prozess z. B. 12 Stunden.

Durch die Betätigung der Arbeitskraft wird also nicht nur ihr eigener Wert reproduziert, sondern ein überschüssiger Wert produziert. Dieser Mehrwert bildet den Überschuss des Produktenwerts über den Wert der verzehrten Produktbildner, d.h. der Produktionsmittel und der Arbeitskraft."[4]

Beides zusammen, der Wert der Arbeitskraft und der "überschüssige" Wert, der Mehrwert, bildet den Neuwert, auch Wertprodukt, oder, wie es heutzutage ausgedrückt wird, die Wertschöpfung.

Neuwert = Wert der Arbeitskraft + Mehrwert

Marx unterscheidet sodann

Das Verhältnis von Mehrwert zum variablen Kapital ist die Mehrwertrate.

Kapitalismus im Unterschied zu früheren Produktionsweisen

In vorkapitalistischen Klassengesellschaften eignen sich die Herrschenden einen Teil der Arbeit unmittelbar durch Zwang an (z. B. als Fronarbeit).

Der Mehrwert ist laut Marx die spezifisch kapitalistische Form des Mehrprodukts. Durch die Theorie des Mehrwerts erklärt Marx, wie im Kapitalismus Ausbeutung möglich ist, obwohl die Lohnarbeiter als formal freie Subjekte, wenn sie ihre Arbeitskraft wie eine Ware verkaufen, gemäß dem Wertgesetz das Äquivalent dessen bekommen, was ihre Ware wert ist.

Die Kapitalformel

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Marx analysiert die kapitalistischen Marktbeziehungen in zweierlei Formeln:
Der Austauschprozess Ware-Geld-Ware (W-G-W) meint den Austausch von Waren gleichen Werts und unterschiedlichen Gebrauchswertes; Geld übernimmt hierbei eine Vermittlerfunktion.

Wenn Geld zu Kapital wird, ändert sich der Geldkreislauf qualitativ: Geld-Ware-mehr Geld (G-W-G'). Damit diese Formel für den Kapitalisten ökonomisch sinnvoll ist, kommt es auf das G' an, d.h. auf die Vergrößerung der ursprünglichen Geldsumme ("Mehrwert").

G' - das den so genannten Mehrwert beinhaltet - wird als neues G wieder Ausgangspunkt der Formel, der Kreislauf beginnt von vorne; diese Formel zielt also auf eine endlose, spiralförmige Bewegung ab. Entscheidend ist hier alleine die Vermehrung des Werts, der Gebrauchswert ist hier bloß Voraussetzung der Verkäuflichkeit.

Doppelt freier Lohnarbeiter

Laut Marx kann die Kapitalvermehrung nicht aus der Sphäre der Waren-Zirkulation erklärt werden: Wenn z. B. der Kapitalist als Verkäufer einen Preisaufschlag erheben könnte, müsste er ihn als Käufer beim "G-W" wieder verlieren. Die Wertvergrößerung muss also aus der Benutzung der gekauften Ware entspringen: Sie entsteht durch Kauf und produktive Anwendung der menschlichen Arbeitskraft. Damit das Geld in der Hand des Kapitalisten zum Kommandomittel über menschliche Arbeit wird, ist das Vorhandensein einer eigentumslosen Klasse unterstellt, die keine Mittel besitzt, um selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen - also auch kein anderes Lebensmittel hat, als ihre eigene Arbeitskraft zu verkaufen: Der "doppelt freie Lohnarbeiter" (Marx). Doppelt frei in dem Sinne, dass der Lohnarbeiter im Unterschied zum Sklaven oder Leibeigenen frei ist seine Arbeitskraft zu verkaufen, an wen er will, aber auch "frei" ist von Eigentum an Produktionsmitteln, so dass er dann doch wieder gezwungen ist - aber eben anders als Sklave und Leibeigener -, seine Arbeitskraft zu verkaufen.

Rechnerisch

Rechnerisch ist der Mehrwert dann die Differenz zwischen dem Wert geleisteter Lohnarbeit - dem Erlös aus ihrem Ergebnis (Produkt) - und dem gezahlten Lohn.

Mehrwertproduktion:

C1 + V + M = C2

wobei

C1 = vorgeschossenes ("Constantes") Kapital (Maschinen, Bauten, Material)
V = Lohn ("Variables Kapital", Wert der Arbeitskraft)
M = Mehrwert (Ergebnis der unbezahlten Mehrarbeit)
C2 = Verwertetes, erweitertes Kapital

Anmerkungen

Ein bestimmtes Quantum Kapital (Produktionsmittel, c) wird Arbeitenden ("Arbeiter" oder Proletarier) zur Produktion zur Verfügung gestellt. Sie erhalten dafür Lohn, müssen dem Kapitalisten aber den Mehrwert m überlassen, der ihm aus dem Verkauf der produzierten Waren verbleibt. Wenn also Geld angelegt wird und Rendite erwirtschaftet, steckt dahinter - nach Marx - letztlich immer der Mehrwert, den Andere mit ihrer Arbeitskraft geschaffen haben (obwohl man oft hört: das Geld arbeitet).

Um Marxens Argumentation korrekt anzuwenden, ist zu beachten, dass sie wie in der Ökonomie üblich unter bestimmten Modell-Voraussetzungen stattfindet, d.h. je nach Fall von konkreteren Bedingungen absieht und komplexe Situationen vereinfacht, um die grundsätzliche Logik zu studieren, wie zum Beispiel bei Schwankungen der Marktpreise nach Angebot und Nachfrage:

"Welche Beziehung besteht nun zwischen Werten und Marktpreisen oder zwischen natürlichen Preisen und Marktpreisen? Der Marktpreis für alle Waren derselben Art ist derselbe, wie verschieden immer die Bedingungen der Produktion für die einzelnen Produzenten sein mögen. Die Marktpreise drücken nur die unter den Durchschnittsbedingungen der Produktion für die Versorgung des Markts mit einer bestimmten Masse eines bestimmten Artikels notwendige Durchschnittsmenge gesellschaftlicher Arbeit aus. Er wird aus der Gesamtheit aller Waren einer bestimmten Gattung errechnet. Soweit fällt der Marktpreis einer Ware mit ihrem Wert zusammen. Andrerseits hängen die Schwankungen der Marktpreise bald über, bald unter den Wert oder natürlichen Preis ab von den Fluktuationen des Angebots und der Nachfrage."[5]

Unproduktive Arbeit

Arbeit, die keinen Mehrwert schafft, ist unproduktive Arbeit, sogar wenn diese Arbeit im Kapitalismus als notwendig erscheint oder sozial nützlich ist.

Abgrenzung zur „Wertschöpfung“

Der heutige Begriff der Wertschöpfung entspricht dem Marxschen Neuwert. Die Wertschöpfung ist die Differenz des Wertes aller von einer Unternehmung verkauften Produkte (Produktionswert oder Umsatz) abzüglich der dafür benötigten Vorleistungen und Abschreibungen (das konstante Kapital bei Marx) - für ein bestimmtes Jahr gerechnet. Die Vorleistungen sind Produkte, die für den Produktionsprozess benötigt wurden und von anderen Firmen zugekauft wurden. Die Abschreibungen sind die Wertminderung des Maschinenparks und der Gebäude der Unternehmen, die während des Jahres erfolgt ist.

Gelegentlich wird die Wertschöpfung als „Mehrwert“ bezeichnet, so in dem Wort Mehrwertsteuer, die in den Unternehmen auf die Wertschöpfung erhoben wird. Dieser „Mehrwert“ umfasst dann nicht nur die Kapitaleinkommen (Mehrwert im Marxschen Sinne), sondern auch die Einkommen der Arbeitnehmer (das variable Kapital).

Siehe auch

Quellen

  1. en:William Thompson (philosopher), An Inquiry into the Principles of the Distribution of Wealth Most Conducive to Human Happiness, London 1824, S. 167, 169. Ausgabe 1850.
  2. MEW 21, S. 506
  3. MEW 1, S. 135, 136, 139
  4. Marx: Das Kapital, S. 307f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3616f (vgl. MEW Bd. 23, S. 223)
  5. Marx: Lohn, Preis, Profit, S. 51f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3260f (vgl. MEW Bd. 16, S. 127-128)

Literatur

  • Witali S. Wygodski: Die Geschichte einer großen Entdeckung. Über die Entstehung des Werkes 'Das Kapital' von Karl Marx, Berlin 1967 (aus dem Russ., Moskau 1965).
  • Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, Stuttgart: Schmetterling Verlag, zweite durchgesehene und erweiterte Auflage 2004, ISBN 3-89657-588-0.
  • Dieter Suhr: Geld ohne Mehrwert, 1983, Knapp, Frankfurt.
  • Dieter Wolf, Zum Übergang vom Geld ins Kapital in den Grundrissen, im Urtext und im Kapital Warum ist die „dialektische Form der Darstellung nur richtig, wenn sie ihre Grenzen kennt“? In: Carl-Erich Vollgraf, Richard Sperl & Rolf Hecker (Hrsg.):Beiträge zur Marx-Engels-Forschung ,Neue Folge 2007, Hamburg, 2007, S. 45 ff. ISBN 978-3-88619-667-8.

Weblinks


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