Festung Leerort

Festung Leerort
Festung Leerort
Die Festung Leerort im Jahre 1632

Die Festung Leerort im Jahre 1632

Entstehungszeit: 1435
Burgentyp: Flussburg
Erhaltungszustand: Wälle
Ständische Stellung: Landesherrliche Burg
Bauweise: Backstein
Ort: Leerort
Geographische Lage 53° 12′ 42,7″ N, 7° 25′ 35,1″ O53.2118547.4264142Koordinaten: 53° 12′ 42,7″ N, 7° 25′ 35,1″ O
Höhe: m ü. NHN
Festung Leerort (Niedersachsen)
Festung Leerort

Die Festung Leerort war eine spätmittelalterliche Flussburg. Die Festung hatte eine herausragende Bedeutung für die ostfriesische Geschichte. Auf der strategisch günstig gelegenen Landzunge zwischen Ems und Leda bauten die Hamburger im Jahr 1435 die Feste Leerort, die ab 1453 von den ostfriesischen Grafen und Burgherren zur stärksten Festungsanlage Ostfriesland erweitert wurde. Ab 1611 diente sie der niederländischen Garnison als Quartier.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Festung liegt strategisch günstig auf einer Landzunge im Mündungsbereich der Leda in die Ems, etwa 3 km südwestlich von Leer in Ostfriesland. Die Festung wurde auf Knickmarschböden errichtet, die hier eine Höhe von 2 m erreichen. Die geologischen Gegebenheiten bedingten die Bebauung, die sich in die obere und die untere Festung gliedern. Diese wurde auf tragfähigem Boden gebaut. Das (heute verlandete) Burggrabensystem markiert nicht tragfähige Böden. Durch die niedrige Lage am Zusammenfluss zweier Flüsse wurde die Festung mehrfach durch Sturmfluten beschädigt.[1]

Geschichte

Vorgeschichte

Im 15. Jahrhundert unterstand Ostfriesland keiner singulären Herrschaft und war in unterschiedliche Machtbereiche lokaler Häuptlinge unterteilt. Diese hatten im Verlauf des 14. Jahrhunderts Machtpositionen in Ostfriesland übernommen, nachdem die alte egalitäre Verfassung aus der Zeit der Friesischen Freiheit zusehends verfallen war. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts verwickelten sich die Häuptlinge zunehmend in Machtkämpfe. Diese blieben zunächst ein lokales Problem. Nachdem die Vitalienbrüder durch den Deutschen Orden 1398 von der Ostseeinsel Gotland vertrieben worden waren, fanden sie jedoch Aufnahme bei einigen der ostfriesischen Herrscher, die sie als Streitmacht einsetzten. Daraufhin sah sich die Hanse bedroht und schickte mehrere Strafexpeditionen nach Ostfriesland. Teile Ostfrieslands, darunter Emden, wurden vor allem von hamburgischen Kräften besetzt.

Bau der ersten Burg durch die Hamburger und Übergabe an die Grafen von Ostfriesland

Zur Absicherung ihrer Schifffahrt begann die Hansestadt Hamburg 1435 mit dem Bau einer Burg am Zusammenfluss von Leda und Ems. Diese war eine Erdbefestigung mit einem steinernen Rundturm, wie er noch heute an der ebenfalls von den Hamburgern errichteten Burg Stickhausen zu sehen ist. Für den Bau dieser Anlage, der zwei Monate dauerte, wurden Teile der zerstörten Burg Focko Ukenas aus Leer verwendet.[2]

Im Jahre 1453 zog die Hamburgische Garnison wieder ab und die Burg wurde auf Treu und Glauben an Häuptling und späteren Grafen Ulrich Cirksena übergeben, was bedeutete, dass die Stadt formal im Besitz der Hamburger blieb und die Grafen von Ostfriesland sie zunächst nur verwahren und auf Wunsch an Hamburg zurückgeben sollten. In gräflicher Zeit wurde Ostfriesland in Ämter unterteilt. Die Burg war Sitz des gräflichen Drosten und Amtmannes für das Amt Leerort, das Leer mit dem Moormerland, das westliche Overledingerland und das Oberrheiderland bis zur heutigen niederländischen Grenze umfasste. Im Jahre 1493 gelang es Graf Edzard I. durch Zahlungen und die Gewährung von Privilegien die Rechte und Ansprüche Hamburgs auf die Burg abzulösen. Ab 1501 ließ er diese dann stark ausbauen.

Die Belagerung von Leerort im Jahre 1514

Der Hartog Hinnerk Steen in Bagband

In der Sächsischen Fehde versuchte Edzard seine Macht auf die Provinz Groningen auszudehnen, die im Herrschaftsbereich des kaiserlichen Statthalter der Niederlande, Herzog Georgs von Sachsen, lag. Daraufhin kam es zu einem offenen Krieg, der ganze Landstriche in Ostfriesland verwüstete. Der mit Georg von Sachsen verbündete Heinrich I. (Braunschweig-Wolfenbüttel) zog 1514 mit einem Heer von 20.000 Mann in Ostfriesland ein und belagerte die nur durch wenige Bauern und Soldaten verteidigte Festung Leerort. Während der Belagerung und kurz vor einem Sturmangriff gelang es einem der Eingeschlossenen den Herzog am 23. Juni 1514 durch einen gezielten Kanonenschuss zu töten. Die dadurch führerlos gewordene Truppe unterließ es daraufhin, die Festung zu stürmen und zog sich aus Ostfriesland zurück. Zur Erinnerung an den Tod Heinrichs errichtete die Truppe in Bagband den so genannten Hartog Hinnerk Steen.

Weiterer Ausbau

In der Regierungszeit Enno II., des Nachfolgers Edzard I., wurde die Burg von 1528 bis 1531 zur etwa doppelt so großen Festung ausgebaut. Das Hauptgebäude der Burg wurde vergrößert und erhielt drei Bastionen, das dazugehörige Ravelin, einen Graben und eine Zugbrücke. Nach dem Tod Ennos ließ seine Witwe Anna, die Ostfriesland bis zur Volljährigkeit ihrer Söhne vormundschaftlich regierte, ein Drostenhaus und zwei weitere Wachttürme errichten. Am 11. Januar 1558 wurde die Festung bei einer Sturmflut schwer beschädigt und anschließend wiederaufgebaut. Dabei wurde der Große Zwinger erhöht und an der Zugbrücke ein neues Porthaus (= Torhaus) darauf gebaut.

Gräfin Anna hatte in Ostfriesland die Primogenitur abgeschafft und festgelegt, dass die Regierung über das Herrschaftsterritorium nach ihrer Regentschaft von ihren drei Söhnen Edzard, Christoph und Johann gemeinsam ausgeführt werden sollte. Nach dem Tod Christophs regierten Edzard und Johann das Land jedoch nicht gemeinsam. De facto war das Land bis zum Tod Johanns geteilt. Edzard regierte von Aurich das östliche Ostfriesland, während Johann von Leerort aus über die Ämter Emden Leerort, Greetsiel und Stickhausen herrschte. Unmittelbar nach Regierungsantritt ließ er die Festung auf der Wasserseite stärker befestigen. Nach dem Tod Johanns wurde die Anlage 1594 erneut erweitert, indem ein neues Haus oder ein neuer Flügel am Schloss beim Burggebäude gebaut wurde.[1]

Die Festung um 1620

Im Zuge der Auseinandersetzungen der ostfriesischen Landstände mit den Grafen von Ostfriesland quartieren die Niederlande als Schutzmacht der Stände 1611 eine Garnison in Leerort ein. Im Osterhusischen Akkord wurde diese Besetzung am 21. Mai desselben Jahres nachträglich legitimiert und festgelegt, dass die Niederländer die Festung zunächst für fünf Jahre erhalten sollten, das Burggebäude jedoch gräfliche Residenz blieb. Der erste niederländische Hauptmann erhielt den Auftrag, die schon etwas baufällige Anlage unverzüglich wieder herzurichten.[3] Die Niederländer blieben trotz wiederholter Aufforderungen, die Festung zu verlassen, bis 1744 in Leerort. Der Amtssitz wurde daraufhin nach Leer verlegt. Als Ostfriesland zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges große Not unter den Truppen des protestantischen Heerführers Ernst von Mansfeld litt, war Leerort Zufluchtsort des Grafen Enno III., der hier 1625 verstarb. Im 18. Jahrhundert begann die strategische Bedeutung der Festung allmählich zu sinken. Erstmals lassen sich hier auch zivile Einwohner nieder. Im Jahre 1712 wurde das Schloss, die ehemalige Residenz der Grafen von Ostfriesland, in der Festung abgebrochen. Mit dem Steinen wurde das Waisenhaus in Esens errichtet. Im Jahre 1720 wurden die Wälle des Kastells teilweise eingeebnet und mit der Erde die Gräben zugeschüttet, um hier Gärten anzulegen. Letztmalig wurde die Festung 1744 im Zusammenhang mit dem Appell-Krieg ausgebaut. Als am 25. Mai 1744 Carl Edzard, der letzte ostfriesische Fürst aus dem Hause Cirksena, starb, machte König Friedrich II. von Preußen sein Nachfolgerecht geltend, das in der Emder Konvention geregelt war. Nachdem Friedrich den Niederländern die Rückzahlung ausstehender Kredite durch die Ostfriesischen Stände garantierte, zogen die Niederländer ihre Garnison in Leerort ab. Teile des Inventars der ehemaligen Garnisonskirche wurden in die Festung Bourtange und in der Esklumer Kirche gebracht.[4] Nach Abzug der Niederländer wurde in Leerort 1744 zunächst eine preußische Kompanie einquartiert.

Heutige Nutzung

Plan der Festung aus dem Jahr 1798
Die Überreste der Festung Leerort im Deichvorland am Zusammenfluss von Ems und Leda

Nachdem auch die letzte preußische Kompanie die strategisch bedeutungslose Festung 1749 verlassen hatte, wurde die gesamte Anlage auf Abbruch verkauft. Auf einem Teilbereich der Festung erwuchs in Folge das Dorf Leerort. Der Rest wird landwirtschaftlich genutzt. Von der ehemaligen Festung ist ein Rest der Wälle erhalten, vor allem die innere Umwallung des alten Kastells, das von Ennos II. errichtet wurde. Erhalten sind ferner der so genannte neue Contrescarpe (Böschung des Festungsgrabens), dessen Formen in Richtung Ems erkannbar sind und die Wälle des Weißen Zwingers am Großen Graben. Alle übrigen Festungswerke sind verschwunden.[5]

In einer auf dem ehemaligen Burgwall 1851 gebauten, nicht mehr genutzten Schule wird eine Ausstellungen zur Festung gezeigt. Die Wallanlagen im Deichvorland sind frei begehbar. Hier befindet sich eine Schautafel mit einem Plan der Festung und eine Kanone.

Archäologen der Ostfriesischen Landschaft wollen Überreste der alten Festung freilegen.[6]

Einzelnachweise

  1. a b Wilhelm Lange, Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft: Leerort, Stadt Leer, Landkreis Leer, eingesehen am 26. Januar 2010.
  2. Stadt Leer: Chronikdaten zur Leeraner Stadtgeschichte- Chronikdaten: 1000 - 1699, eingesehen am 26. Januar 2010.
  3. Karl-Klaus Weber: Beschlüsse der Generalstaaten 1576-1625: Niederländische Regesten zur Geschichte Ostfrieslands und der Stadt Emden, Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8334-8789-7, S. 341.
  4. Ostfriesland.de: Schanzen in Ostfriesland- Leer - Festung Leerort, eingesehen am 26. Januar 2010.
  5. Monika van Lengen: Archöologische Denkmäler in Ostfriesland- Leer - Festung Leerort, eingesehen am 26. Januar 2010.
  6. Ostfriesen-Zeitung:In Leerort wird ein Magnetometer eingesetzt, eingesehen am 29. Mai 2011.

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