- Zwinger (Architektur)
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Ein Zwinger ist eine doppelte Wehrmaueranlage entweder im Raum einer Burg oder eines Stadttores aus der Zeit des Mittelalters oder der frühen Neuzeit.
Der Zwinger einer Burg ist der Ringmauer vorgelagert und bietet mit der äußeren Mauer, der Zwingermauer, einen zusätzlichen Schutz gegen Angreifer. Die meisten Zwingeranlagen wurden älteren, einfachen Mauerringen nachträglich vorgebaut. Selbst wenn es Angreifern gelang, in den Zwinger einzudringen, war ihr Bewegungsspielraum dort so eingeschränkt, dass das Übersteigen der Hauptmauer oder das Aufbrechen des Haupttores extrem erschwert wurde.
Der Zwinger vor einem Stadttor bezeichnet den befestigten Raum zwischen Haupttor und Vortor einer mittelalterlichen Stadttoranlage (vgl. Barbakane). Die Stadttore waren in der Regel Tortürme, wobei dem Haupttor ein zweites, manchmal auch ein drittes Tor vorgelagert war (so genannte „Doppeltoranlagen“). Vor den Stadtmauern wurde im Bereich der Stadttore in der Regel dabei ein zweiter Mauerzug vorgebaut, die „Zwingermauer“, in der sich das Vortor befand. Ein Feind, der das Vortor erobert hatte, und in den Zwinger vorstieß, fand im dortigen beengten Raum kaum Entfaltungsmöglichkeit vor. Dagegen konnten die zurückweichenden Verteidiger nach unten den eingedrungenen Feind im Zwinger leicht bekämpfen.
In der Hussitenzeit (um 1420/30) entstanden eindrucksvolle Beispiele, die meist zum Schutz gegen frühe Feuerwaffen geplant wurden.
Der nicht überdachte Raum wurde häufig zur Haltung von Tieren oder als Garten genutzt. In vielen Fällen wurden Zwinger mit Scheunen, Ställen und Lagerhäusern bebaut, als ihre Wehrfunktion entbehrlich wurde.
Der Dresdner Zwinger steht zwar mit seiner Frontseite, dem Kronentor, auf der äußeren Festungsmauer, hat aber nicht diese mittelalterliche Zwinger-Funktion, sondern war als Vorhof eines neuen Schlosses konzipiert worden.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung
Die Entwicklung des Zwingers ist bislang nur unzureichend erforscht. Bereits im fünften Jahrhundert n. Chr. war der byzantinischen Landmauer von Konstantinopel ein voll entwickelter Zwinger vorgelegt worden.
Auch im frühmittelalterlichen Wehrbau lässt sich die Tiefenstaffelung von Wallzügen nachweisen. Besonders ungarnzeitliche Schutzburgen wurden zum Schutz vor den Reiterattacken der Magyaren mit Bermen und vorgelagerten Wällen gesichert. Hier handelt es sich jedoch um keine Zwingeranlagen im eigentlichen Sinn, oft trennt ein Zwischengraben die Befestigungslinien. Ein solcher Graben ist allerdings manchmal auch bei spätmittelalterlichen Zwingern zu beobachten.
Gelegentlich werden die schmalen Vorbefestigungen der Habsburg (Aargau) oder der Burg Alt-Bolanden (Rheinland-Pfalz) als frühe Zwingeranlagen des späten 10. und frühen 11. Jahrhunderts angesehen. Diese Befestigungskonzepte blieben jedoch ohne direkte Nachfolger.
In Mitteleuropa wurden Zwinger erst wieder in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts den Ringmauern einzelner Wehranlagen vorgelegt. Gegen Ende dieses Jahrhunderts erhöhte man bereits deutlich häufiger die Wehrtauglichkeit in dieser Weise (Burg Gnandstein, Sachsen; Burg Landsberg und Burg Hohandlau, beide Elsass). In Südfrankreich hat sich aus dieser Epoche zudem – stark restauriert – der Zwinger der Stadtbefestigung von Carcassonne anschaulich erhalten. Anfangs lagen die Zwingermauern in sehr geringem Abstand vor der Hauptmauer.
Im 14. Jahrhundert erzwang die Entwicklung der ersten Feuerwaffen eine Weiterentwicklung des Zwingers. Besonders im 15. und 16. Jahrhundert entstanden zahllose Beispiele. In Franken ist sogar die Befestigung einer spätmittelalterlichen Großstadt weitgehend erhalten geblieben. In Nürnberg wurde der älteren Ringmauer eine niedrigere Zwingeranlage vorgelegt.
Die ersten Zwingermauern des Hochmittelalters wurden meist noch nicht durch Turmbauten gesichert. Die Artilleriebefestigungen des Spätmittelalters waren hingegen durch zahlreiche Flankierungs-, manchmal auch Geschütztürme bewehrt.
Aus der Hussitenzeit stammen die Zwingeranlagen einer kleinen Burgengruppe in den fränkischen Haßbergen. Wie andernorts reagierten hier die Landesherren auf die akute Bedrohung durch die Aufständischen aus dem nahen Böhmen. Gut erhalten blieben hier etwa die Zwinger der Burgen Altenstein, Rauheneck und Schmachtenberg. Auf der Burg Rauheneck verstärkten ehemals zwei Schießerker die Wehrkraft zusätzlich. Derartige Erker und Kampfhäuser sind auch bei anderen Zwingeranlagen nachweisbar.
Die hussitenzeitlichen Ausbauten zahlreicher Burganlagen in den gefährdeten Landstrichen gehen letztlich oftmals auf Innovationen zurück, die von den Hussiten selbst entwickelt wurden. Hier ist vor allem die Stadtbefestigung der südböhmischen Hussitenstadt Tábor zu erwähnen. Die Zwingeranlage vor der Hauptmauer ist dort noch teilweise bis in die heutige Zeit erhalten geblieben.
In der Regel waren die Zwingermauern deutlich niedriger und schwächer als die eigentlichen Ringmauern. Oft erhob sich nur eine Brüstungsmauer über das aufplanierte Zwingergelände. Gelegentlich wurde ein gedeckter oder offener Wehrgang aufgesetzt (Burg Trausnitz, Landshut). Auch unterirdische Wehrgänge mit Schartenöffnungen für Handfeuerwaffen sind nachweisbar (Burg Hochhaus bei Nördlingen).
Zwingermauern können eine Wehranlage vollständig umlaufen oder nur einen besonders gefährdeten Abschnitt schützen. Oft ist ein Graben vorgelagert, die Zwingermauer ist hier gleichzeitig die Futtermauer des Grabens. Bei Hangburgen wurde die Zwingermauer oft als Stützmauer sehr hoch aufgemauert und dient so zugleich der statischen Sicherung der Gesamtanlage.
Häufig ermöglichten kleine, versteckte Ausfallpforten (Poternen) die aktive Bekämpfung eines in den Grabenbereich eingedrungenen Feindes. Auch der eigentliche Zwingerbereich war oft durch solche Schlupfpforten zugänglich.
Frühe hochmittelalterliche Zwingeranlagen im Heiligen Land
Der Krak des Chevaliers des Johanniterordens gilt allgemein als Inbegriff einer Kreuzritterburg. Hier entstand bereits kurz nach 1170 ein erster schmaler Zwinger um die Kernburg. Diese, erstaunlich früh zu datierende Zwingeranlage wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts durch die erhaltene Außenbewehrung ersetzt. Auch dieser Zwinger gehört somit zu den ältesten Beispielen dieses Typs. Eine Bauinschrift berichtet von einer „Barbacane“ (dies meint sicherlich den Zwinger), die der Burgverwalter Nicolas Lorgne anlegen ließ. Durch diese Quelle lässt sich der zweite Zwinger des Krak (Crak) gut auf die Zeit um 1250 datieren.
Der Zwinger des Krak wurde bis etwa 1270 ausgebaut. Trotz dieser Verstärkung gelang es den Muslimen unter ihrem Sultan Baibars I., die Veste 1271 nach nur vierwöchiger Belagerung einzunehmen.
Auch andere große Kreuzfahrerburgen werden von ausgedehnten Zwingeranlagen umgeben. Der äußere Mauerring der Burg von Tartus (Syrien) könnte etwa zeitgleich mit dem Zwinger des Krak entstanden sein, also in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Bereits kurz nach 1168 begannen die Johanniter mit dem Umbau der Burg Belvoir im heutigen Israel. Die äußere Befestigung mit ihren eckigen Türmen wirkt wie „ein zum Bauwerk erweiterter Zwinger“ (U. Großmann).
Doppelte Ringmauern im Wales des 13. Jahrhunderts
Die walisischen Burgen Harlech Castle und Beaumaris Castle (1295 begonnen, aber unvollendet) haben doppelte Wehrmauern, wobei die äußere Mauer die innere in geringem Abstand konzentrisch umschließt. Die äußere Befestigung in Beaumaris mit ihren runden Mauertürmen ist besonders aufwendig, vergleichbar mit der von Krak des Chevaliers.
Beispiele erhaltener mittelalterlicher Zwingeranlagen
Stadtbefestigungen:
- Amberg
- Aschersleben
- Carcassonne
- Dinkelsbühl
- Ingelheim
- Jüterbog
- Neubrandenburg
- Nördlingen
- Nürnberg
- Templin
- Wolframs-Eschenbach
Burgen:
- Burg Altenstein (Hassberge)
- Burg zu Burghausen (Burghausen/Salzach, Oberbayern)
- Giechburg (Oberfranken)
- Burg Guttenberg am Neckar (Neckar-Odenwald-Kreis)
- Burg Hohenurach (Schwäbische Alb)
- Burg Hornberg am Neckar (Neckar-Odenwald-Kreis)
- Burg Löwenstein (Schwäbisch-Fränkische Waldberge)
- Minneburg (Odenwald)
- Burg Nürburg (Eifel)
- Veste Otzberg (Otzberg)
- Burg Rauheneck (Ebern)
Literatur
- Thomas Biller: Die Adelsburg in Deutschland. Entstehung, Form und Bedeutung. Deutscher Kunstverlag, München 1993, ISBN 3-422-06093-6.
- Horst Wolfgang Böhme (Hrsg.): Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch. Band 1: Bauformen und Entwicklung. Herausgegeben von der Deutschen Burgenvereinigung e.V. Theiss, Stuttgart 1999, ISBN 3-8062-1355-0.
- Horst Wolfgang Böhme, Reinhard Friedrich, Barbara Schock-Werner (Hrsg.): Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-010547-1.
- Georg Ulrich Großmann: Burgen in Europa. Schnell & Steiner, Regensburg, 2005, ISBN 3-7954-1686-8.
- Michael Losse: Kleine Burgenkunde. Regionalia, Euskirchen 2011, ISBN 978-3-939722-39-7.
Siehe auch
Kategorie:- Fachbegriff der Burgen- und Festungsforschung
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