Orestes (Heermeister)

Orestes (Heermeister)

Orestes (* wohl um 430; † 28. August 476) war ein römischer Feldherr zur Zeit des Untergangs des weströmischen Reiches.

Leben

Orestes wurde wohl um 430 geboren. Er war der Sohn eines gewissen Tatullus und stammte aus der Provinz Pannonia, die seit 433 weitgehend unter Herrschaft der Hunnen stand. Als Sekretär (notarius) und Gesandter des Hunnenkönigs Attila, dessen Vertrauen er genoss, reiste Orestes wiederholt an den Hof des oströmischen Kaisers Theodosius II. Nach Attilas Tod im Jahre 453 verliert sich zunächst seine Spur. Orestes diente schließlich in weströmischen Diensten, wurde Patricius und schließlich 475 magister militum („Heermeister“).

Im August 475 stürzte Orestes den weströmischen Kaiser Julius Nepos; dieser floh in die Provinz Dalmatia und regierte dort als letzter offizieller Kaiser Westroms bis zu seinem Tode im Jahre 480. Am 31. Oktober 475 erhob Orestes seinen Sohn Romulus Augustus, später mit dem Spottnamen „Augustulus“ („Kaiserlein“) bezeichnet, zum Kaiser, wenngleich die eigentlichen Machthaber Orestes und dessen Bruder Paulus waren.

Als die „barbarischen“ Hilfstruppen – ein reguläres römisches Heer existierte zu diesem Zeitpunkt praktisch nicht mehr – im Sommer 476 Siedlungsland in Italien forderten, verweigerte Orestes dies. Daraufhin erhoben sie sich unter Führung des Offiziers Odoaker am 23. August 476 gegen ihn; kurz darauf wurde Orestes bei Placentia in Norditalien geschlagen und getötet.

Sein Bruder Paulus wurde wenige Tage später in Ravenna ermordet. Orestes’ Sohn Romulus wurde verschont und nur abgesetzt. Das weströmische Kaisertum war nun faktisch erloschen, wenngleich dieses Ereignis wohl bei den Zeitgenossen kaum größere Aufmerksamkeit erregte und Julius Nepos noch bis 480 lebte.

Literatur

  • Peter J. Heather: The Fall of the Roman Empire. A new History of Rome and the Barbarians. London und anderswo 2005, S. 565 (Index, s.v. Orestes).
  • Dirk Henning: Periclitans res Publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5–493. Stuttgart 1999.
  • John Martindale, John Morris: The Prosopography of the Later Roman Empire II. Cambridge 1980, S. 811f.
  • Otto Seeck: Geschichte des Untergangs der antiken Welt. Band 6. Stuttgart 1920, S. 377–380.

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