- Otto Seeck
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Otto Karl Seeck (* 21. Januarjul./ 2. Februar 1850greg. in Riga; † 29. Juni 1921 in Münster/Westfalen) war ein deutscher Althistoriker.
Otto Seeck wurde 1850 als Sohn des Schlossermeisters und Fabrikbesitzers Friedrich Wilhelm Seeck (1793–1859) und seiner Frau Ottilie, geborene Hagentorn (1820–1902), geboren. Er brach sein zunächst an der Universität zu Dorpat begonnenes Studium der Chemie ab,[1] um an der Berliner Universität bei Theodor Mommsen zu studieren, bei dem er dann 1872 mit einer Arbeit über die Notitia dignitatum promovierte. Er habilitierte sich 1877 in Berlin. Mit tatkräftiger Unterstützung Mommsens wurde er 1881 als Nachfolger Theodor Hirschs an die Universität Greifswald berufen, wobei Karl Julius Beloch, der mit Mommsen zerstritten war, das Nachsehen hatte. Mommsen bemühte sich dabei um die Unterstützung seines Schwiegersohns Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, der ebenfalls Professor in Greifswald war und an den er schrieb:[2]
„Besser als alle scheint mir Seeck; du weißt das ja, willst ihn aber nicht. Griechisch kann er nicht, so wenig wie ich; sein Latein ist schwach, aber er bessert sich; mir haben kürzlich die ersten Hefte seiner Bearbeitung der Briefe des Symmachus vorgelegen, einzelnes war recht gut und die Tollheiten, wie in den oratt., ziemlich vermieden. Er hat trotz allem dem eine natürliche philolog. Begabung wenigstens für denjenigen Teil der Kritik, der nicht an feinem Sprachgefühl hängt, Kenntnis und Anschauungen auf einem allerdings recht engen und für die Univ. unmittelbar wenig brauchbaren Gebiet, ernsten Willen und Charakter. Sein schroffes Wesen ist mir erträglicher als die sonst übliche Hoffahrt der jungen Impotenz.“
In Greifswald war er zunächst außerordentlicher Professor für römische Geschichte und Altertumskunde. Zum 1. Oktober 1885 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. 1907 ging er an die neugegründete Universität Münster.
Seeck verfasste vor allem einflussreiche Arbeiten zur Spätantike, deren sozialdarwinistische Tendenz ihn in manchem in die Nähe eines Oswald Spengler rückte und die heute vornehmlich aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht interessant sind. Seecks umfangreiches Hauptwerk Geschichte des Untergangs der antiken Welt gilt als die diesbezüglich umfassendste, ganz aus den Quellen gearbeitete Darstellung in deutscher Sprache. Es ist in vielerlei Hinsicht jedoch überholt und reflektiert nicht mehr den modernen Forschungsstand, der die negative Beurteilung der Spätantike, wie sie Seeck pflegte, inzwischen revidiert hat. Seine negative Sicht der Spätantike rührte, wie Stefan Lorenz glaubt, teilweise aus dem Verlust der Freiheit, die Seeck in der Zeit des klassischen Griechenlands und in der römischen Republik als vorhanden ansah, und die schließlich seiner Meinung nach durch eine als „despotisch“ verstandene Alleinherrschaft ersetzt wurde. Lorenz kritisiert auch die Einseitigkeit der Darstellung und bezeichnet Seecks Charakterisierungen als nicht besonders geglückt, lobt aber gleichzeitig die umfassende und genaue Schilderung der politischen Geschichte.[3]
Seeck, der im persönlichen Umgang als recht schwierig galt, trat auch mit zahlreichen Artikeln vor allem zur Spätantike in Paulys Realencyclopädie der Altertumswissenschaft (RE) hervor, die großteils heute noch nicht vollständig überholt sind. Seecks Edition der Notitia dignitatum gilt immer noch als Standard in Deutschland.
Schriften (Auswahl)
- Quaestiones de notitia dignitatum. Dissertation, Berlin 1872.
- Notitia dignitatum. Accedunt notitia urbis Constantinopolitanae et laterculi provinciarum. Berlin 1876 (unveränderter Nachdruck Frankfurt am Main 1962; Digitalisat).
- Die Kalendertafel der Pontifices. Berlin 1885 (Digitalisat).
- Die Quellen der Odyssee. Berlin 1887 (Digitalisat).
- Die Briefe des Libanius zeitlich geordnet. Leipzig 1906 (Digitalisat).
- Regesten der Kaiser und Päpste für die Jahre 311 bis 476 n. Chr.: Vorarbeit zu einer Prosopographie der christlichen Kaiserzeit. Stuttgart 1919.
- Geschichte des Untergangs der antiken Welt. 6 Bände. Metzler, Stuttgart 1895–1920 (mehrere Neuauflagen; Nachdruck der Ausgabe von 1921: Primus-Verlag, Darmstadt 2000, ISBN 3-89678-161-8; Online-Version).
Literatur
- Paul Dräger: Ein Brief Otto Seecks (1881) über die Universität Greifswald. In: Eikasmós 12, 2001, S. 353–365 (online).
- Stefan Lorenz: Otto Seeck und die Spätantike. In: Historia 55, 2006, S. 228ff.
- Stefan Rebenich: Otto Seeck und die Notwendigkeit, Alte Geschichte zu lehren. In: William M. Calder III (Hrsg.): Wilamowitz in Greifswald. Olms, Hildesheim 2000, ISBN 3-487-11175-6 (online).
- Wolfgang Schuller: Seeck, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, S. 139.
Weblinks
Wikisource: Otto Seeck – Quellen und Volltexte- Literatur von und über Otto Seeck im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Anmerkungen
- ↑ Vgl. dazu Album academicum der Kaiserlichen Universität Dorpat, Dorpat 1889, S. 608.
- ↑ Mommsen an Wilamowitz, zwischen 17. Februar und 2. April 1881 (Mommsen und Wilamowitz. Briefwechsel 1872–1903, herausgegeben von Friedrich und D. Hiller von Gaertringen, Berlin 1935, 105f. (Nr. 90, ohne Datum).
- ↑ Stefan Lorenz, Otto Seeck und die Spätantike.
Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität GreifswaldArnold Dietrich Schaefer (1857–1865) | Theodor Hirsch (1865–1881) | Otto Seeck (1881–1907) | Walter Otto (1907–1914) | Matthias Gelzer (1915–1918) | Walther Kolbe (1919–1927) | Josef Keil (1927–1936) | Hans Volkmann (1937–1945) | Karl-Joachim Hölkeskamp (1994–1995) | Egon Flaig (1998–2008)
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