Frederic C. Lane

Frederic C. Lane

Frederic C. Lane (* in Lansing, Michigan 1900; † 14. Oktober 1984; voller Name: Frederic Chapin Lane) war einer der bedeutendsten Historiker auf dem Gebiet der venezianischen Wirtschaftsgeschichte. Er gilt neben Gino Luzzatto geradezu als ihr Gründer.[1] Ähnlich wie sein Freund und Kollege untersuchte Lane die Wirtschaftsgeschichte anhand von Quellen aus der Wirtschaftssphäre, statt sie nur als Nebengebiet der Rechtsgeschichte oder der politischen Geschichte zu betrachten.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Lanes Eltern, die aus Boston stammten, waren Alfred Church Lane und Susanne Lauriat. Sein Vater, ein Geologe, wurde an das Tufts College in Cambridge, Massachusetts berufen. Seine Mutter entstammte einer Verlegerfamilie.

Nach dem Diplom an der Cambridge High and Latin School wechselte er an die Cornell University, wo er 1921 den Bachelor of Arts erwarb. Ein Jahr später folgte am Tufts College bei A. I. Angers der Master of Arts. 1922 kehrte er an die Cornell University zurück, wo er sich mit Lyon während der Reformationszeit beschäftigte. Während dieser Zeit wurde er stark von George L. Burr, William I. Hull und Carl Becker beeinflusst. Methodologisch und hinsichtlich seines Forschungsschwerpunkts war aber William L. Westermann von größter Bedeutung. Später beeinflussten ihn auch deutsche Historiker wie Alfons Dopsch, aber auch Max Weber und Karl Marx behandelte er in seinem späteren Unterricht als bedeutende Wissenschaftler, die die Wirtschaftsgeschichte als Disziplin stark beeinflussten.

Von 1923 bis 1924 lebte Lane als Stipendiat in Bordeaux und studierte an der dortigen Universität. 1924 legte er eine Untersuchung zu Colberts ehrgeizigem Programm im Zusammenhang mit dem Hafen von Bordeaux vor, die den Titel Colbert et le commerce de Bordeaux e L’Eglise reformée de Begles de 1660 à 1670 trug. 1924 verbrachte er ein Trimester an der Universität Wien. Dort lernte er bei Alfons Dopsch und konzentrierte sich auf Anraten von Abbot P. Usher ab 1927 auf das Venedig des späten Mittelalters und der Renaissance.

1925 kehrte er in die USA zurück und ging nach Harvard, wo er nach einem Aufenthalt in Italien bei Robert H. Lord als Assistent arbeitete. Er bereitete auf Anraten Ushers eine Doktorarbeit über die Diarii des Marin Sanudo vor. 1926 bis 1927 war er Instructor in History an der University of Minnesota, ab Frühjahr 1927 Kirkland Fellow in Harvard. In Begleitung seiner Frau Harriet Whitney Mirick besuchte er im Herbst 1927 erstmals Venedig, um seine herausragende Doktorarbeit Venetian Ships and Shipbuilders of the Renaissance archivalisch vorzubereiten. 1928 wurde er Instructor in History an der Johns Hopkins University in Baltimore und wurde 1930 in Harvard promoviert.

Lane unterrichtete zu den „okzidentalen Zivilisationen“. Zusammen mit E.M. Hunt und E.F. Goldman verfasste er bis 1947 The World’s History, ein Schulbuch, das die gesamte Geschichte umfasste. Dieses gewaltige thematische Spektrum unterrichtete er zugleich an der Hochschule, wie sein Nachlass verdeutlicht. Darin flossen Forschungsergebnisse ein, wie etwa, dass die Rolle der neuen Handelswege, etwa des Weges um Afrika nach Indian, und damit der Verlagerung des Handels in den Atlantik, erheblich überschätzt worden war. Dies hatte er bereits in zwei Aufsätzen von 1933 und 1940 gezeigt.[2] So importierte Venedig um 1560 mehr Pfeffer als Ende des 15. Jahrhunderts, so dass von einer Wiederbelebung des Levantehandels gesprochen werden konnte.[3]

1932 veröffentlichte er erstmals zu den Seilereien, der Tana, unter dem Titel The Rope Factory and Hemp Trade of Venice in the Fifteenth and Sixteenth Centuries.[4] 1934 erschien eine erste Monographie, Venetian Ships and Shipbuilders of the Renaissance, die am häufigsten als sein Meisterwerk genannt wird.

Einzeluntersuchungen folgten,[5] dann wiederum als Monographie Andrea Barbarigo. Merchant of Venice 1418-1449, das 1944 erschien.[6] Vielfach folgte er der Wirtschaftsgeschichte bis in kleinste Verästelungen, wie etwa mit The Economic Consequences of Organized Violence.[7] Viele der kleineren Schriften erschienen 1966 in Venice and History. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs verfasste Lane Schriften zu den Handelsgesellschaften in Venedig.[8]

1946 wurde er zum Professor berufen. Lane wurde Mitglied der American Academy of Arts and Sciences (1955), der Medieval Academy, der Economic History Association, der Deputazione di Storia Patria delle Venezie (1961). Für sie gab er zwischen 1943 und 1951 das Journal of Economic History heraus, und wurde 1955 Präsident. Letzterer stand er von 1966 bis 1968 als Präsident vor. Darüber hinaus war er Mitglied der American Philosophical Society, des Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti (1963) und der International Commission of Economic History (bis 1968).

Mit Gino Luzzatto verband ihn eine Freundschaft, und so widmete er ihm 1949 einen Beitrag in seiner Festschrift.[9] Nach Luzzattos Tod veröffentlichte er 1965 einen Nachruf in der Nuova Rivista Storica, in dem er auf die Verdienste des Freundes hinweis.[10]

Von 1951-53 war Lane in Paris an der Rockefeller Foundation, mit einem Guggenheim-Stipendium bereitete er von 1959 bis 1961 größere Arbeiten vor. Mit dem Finanzplatz Venedig befasste sich Lane mit Le vecchie monete di conto veneziane ed il ritorno all'oro[11] Zusammen mit seinem Freund und Kollegen Gino Luzzatto veröffentlichte er eine Abhandlung zur „Öffentlichen Schuld“ Venedigs: Il debito pubblico della Repubblica di Venezia. Dagli ultimi decenni del XII secolo alla fine del XV. Con una appendice del Prof. F. C. Lane[12] 1966 wurde Lane pensioniert.

Er nutzte die Zeit, die ihm nun zusätzlich zur Verfügung stand, da er von akademischen Zwängen befreit war, um seine Forschungs- und Publikationstätigkeit voranzutreiben. So lieferte er 1973 ein weiteres Überblickswerk mit Venice, a maritime Republic, das fünf Jahre später ins Italienische übersetzt wurde, 1980 auch ins Deutsche, sowie Venetian Seamen in the Nautical Revolution of the Middle Ages und Public Debt and private Wealth particularly in Sixeenth century Venice. Nebenbei unterrichtete er bis 1970 einmal pro Woche an der Brandeis University.

In den Jahren um 1970 befasste sich Lane mit dem Verhältnis von Investition und Wucher,[13] technischen Innovationen,[14] aber auch mit der Wechselwirkung von sozialen Umwälzungen und der Flottenorganisation.[15] 1973 fasste er seine Ergebnisse unter dem Titel Venice. A Maritime Republic[16] zusammen.

Nach weiteren Studien zur doppelten Buchführung, zu den Alexandria-Konvois und zum Lohnsystem für die Matrosen[17] folgte 1983 eine weitere Monographie: Le navi di Venezia.[18]

1980 erhielt er für seine Verdienste den internationalen Galileo-Galilei-Preis vom italienischen Rotary Club, vier Jahre später einen Preis der Fondazione Francesco Saverio Nitti. Letzterer war eine ungewöhnliche Auszeichnung, da ein Preis für Leistungen im Wirtschaftsbereich an einen Historiker vergeben wurde.

Lanes Anfangsinteresse war, wie er selbst bemerkte, ein typisch amerikanisches. Er beschäftigte sich mit dem Anteil Italiens an der Entdeckung Amerikas, insbesondere mit dem der Marine und der Handelsorganisation im Frühkapitalismus. Dabei wandte er sich bald von individualistischen Vorstellungen ab, um übergreifende Erklärungen dafür zu suchen, warum der Mittelmeerraum im 16. und 17. Jahrhundert wirtschaftlich zunehmend ins Abseits geriet. Es zogen ihn vor allem Erklärungsmuster an, die Gino Luzzatto entwickelte. Lane wandte sich den Schiffbauern zu, den Arbeitern im Arsenal. Anders als Luigi Einaudi, Armando Sapori und Federigo Melis, die die Rolle der Kaufleute herausarbeiteten, und denen Lane mit Blick auf die Geld- und Bankengeschichte in gewissem Maße folgte, legte er seinen Schwerpunkt auf die Arbeit. Er folgte weniger den Quellen der Rechtsgeschichte, sondern überprüfte die Umsetzung von Gesetzen, Statuten und Vorschriften in die Realität. Dabei analysierte er etwa anhand von Gemälden, inwiefern Details der Schifffahrtsgesetze, Statuten oder Handelsbücher dargestellt wurden. Er stellte darüber hinaus fest, dass nicht nur technische Motive dafür sorgten, dass etwa Ruderschiffe Seglern vorgezogen wurden, oder umgekehrt, sondern dass diesen Entscheidungen soziale Motive zugrunde lagen. Die Techniken und Entscheidungen ihrerseits beeinflussten wiederum das Leben an Bord. Größe und Reichweite der Unternehmen und der dazu notwendigen Produktionsstätten veränderten nicht nur die Arbeitsabläufe, sondern auch die Methoden der Sozialkontrolle. Die größte Fabrik war dabei – neben den großen Tuchunternehmen – das venezianische Arsenal.

Im Arsenal, das praktisch einen eigenen Stadtteil im Osten Venedigs darstellte und in dem mehrere tausend Menschen beschäftigt waren, wurden komplexe Arbeitsabläufe entwickelt, vielschichtige Vertragssysteme und Unterbeauftragungen, und vor allem eine Art der Fabrikdisziplin – lange vor der Protoindustrialisierung. Lanes Arbeiten entstanden in einem Klima zunehmender Spannung zwischen idealistischen und materialistischen Strömungen in der europäischen Gesellschaft. Mit Ships for Victory legte er gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zur Zeitgeschichte eine Arbeit über die britische Marine vor.

Mit seinem Schüler Reinhold C. Mueller legte er die, 1985 posthum erschienene, umfangreichste Arbeit zum venezianischen Bankwesen vor, die auf diesem Sektor ein Standardwerk darstellt: Money and Banking in Medieval and Renaissance Venice, 1: Coins and Moneys of Account. Die Publikation dieses Bandes – Lane erstellte vor seinem Tod den Index – erlebte Lane allerdings nicht mehr. Die Fertigstellung des zweiten Bandes, The Venetian Money Market. Banks, Panics, and the Public Debt, 1200-1500 besorgte Mueller.

Lane prägte Methodologie und Schwerpunktbildung zahlreicher Historiker,[19] darunter auch deutscher, wie etwa Hermann Kellenbenz.[20]

Hauptwerke

  • Venetian Ships and Shipbuilders of the Renaissance, Baltimore 1934
  • Andrea Barbarigo, Merchant of Venice 1418-1449, Baltimore 1944
  • Zusammen mit Eric F. Goldman, Erling Hunt: The World’s History, New York 1947
  • Venice and History. The Collected Papers of Frederic C. Lane, Baltimore 1966
  • Venice. A Maritime Republic, Baltimore, London 1973
  • Profits from Power: Readings in Protection Rent and Violence Controlling Enterprises, Albany: State University of New York Press 1979
  • Le navi di Venezia, Turin 1983
  • Zusammen mit Reinhold C. Mueller: Money and Banking in Medieval and Renaissance Venice, Bd. 1: Coins and Money of Account, Baltimore, London 1985

Literatur

  • Giuliana Gemelli: Leadership and Mind: Frederic C. Lane as Cultural Entrepreneur and Diplomat. In: Minerva 41,2, Juni 2003, S. 115–132 (zu den Jahren 1951–1954)
  • Eric Cochrane, Julius Kirshner: Deconstructing Lane’s Venice. In: The Journal of Modern History 47,2, Juni 1975, S. 321–334

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Richard Goldthwaite und Moses Abramovitz: In Memoriam: Frederic C. Lane 1900-1984. In: The Journal of Economic History 46,1 (März 1986) 239-246, hier: S. 239.
  2. Venetian shipping during the commercial revolution. In: American Historical Review, 38 (1933) 228-229 und The Mediterranean spice trade, further evidence on its revival in the sixteenth century. In: American Historical Review 45 (1940) 586.
  3. Zuletzt: Pepper prices before Da Gama. In: The Journal of Economic History 28 (1968) 590-597.
  4. The rope factory and hemp trade of Venice in the fifteenth and sixteenth centuries. In: Journal of Economic and Business History 4 (1931/32) 830-847.
  5. Etwa Venetian Bankers, 1496-1533: A Study in the Early Stages of Deposit Banking. In: Journal of Political Economy 45 (1937) 187-206.
  6. Andrea Barbarigo: Merchant of Venice 1418-1449, Baltimore 1944.
  7. Journal of Economic History, 18 (Dezember 1958) 401-417.
  8. Family partnerships and joint ventures in the Venetian Republic. In: The Journal of Economic History 4 (1944) 178-196 und Venture accounting in medieval business management. In: Bulletin of the Business Historical Society 19 (1945) 164-173.
  9. Ritmo e rapidità di giro d’affari nel commercio veneziano del quattrocento. In: Studi Gino Luzzatto, 1949, Bd. 1, S. 254–273.
  10. Gino Luzzatto’s contributions to the history of Venice: an appraisal and a tribute. In: Nuova rivista storica 49 (1965) 49-80.
  11. Erschienen in: Atti dell’Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti, Classe di Scienze Morali e Lettere 117 (1959) 49-78.
  12. Erschienen in Mailand – Varese, Istituto Editoriale Cisalpino 1963. Es handelte sich eher um eine „schwebende Schuld“, die Monte genannt wurde, und die aus Zwangs- und freiwilligen Anleihen gespeist wurde.
  13. Investment and usury. In: Social and economic foundations of the Italian Renaissance, 1969, S. 41–52.
  14. The crossbow in the nautical revolution of the Middle Ages. In: Essays Robert L. Reynolds, 1970, S. 161–171.
  15. The Enlargement of the Great Council of Venice. In: Essays W. K. Ferguson, 1971, S. 237–274 und Naval actions and fleet organization, 1499-1502. In: Renaissance Venice, 1973, S. 146–173 sowie Venetian seamen in the nautical revolution of the Middle Ages. In: Venezia e il Levante fino al secolo XV, 1973, Bd. 1, S. 403–429.
  16. Baltimore, London 1973
  17. So etwa Double entry bookkeeping and resident merchants. In: The Journal of European Economic History 6 (1977) 177-191, Some features of the Barbarigo Accounting system. In: The historical development of accounting. A selection of papers, 1978, S. 163–181, The Venetian galleys to Alexandria, 1344. In: Festschrift Hermann Kellenbenz, 1978, Bd. 1 S. 431–440 oder Wages and Recruitment of Venetian Galeotti, 1470-1580. In: Studi Veneziani, NS, 6 (1982) 15-44
  18. Turin 1983
  19. Dies reicht bis in grundsätzliche Fragestellungen, wie etwa bei Erica Schoenberge: The Origins of the Market Economy: State Power, Territorial Control, and Modes of War Fighting. In: Comparative Studies in Society and History 50 (2008) 663-691.
  20. Daher sein Beitrag zur Festschrift: Frederic C. Lane: The Venetian Galleys to Alexandria, 1344. In: Jürgen Schneider (Hrsg.): Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege. Bd. I: Mittelmeer und Kontinent, Festschrift für Hermann Kellenbenz, Stuttgart 1978, S. 431–440.

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