- Gustav Philipp von Pfalz-Veldenz
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Gustav Philipp von Pfalz-Veldenz-Lützelstein (* 17. Juli 1651 in Lauterecken; † 18. August 1679 ebenda) gehörte einer Seitenlinie des Fürstenhauses Wittelsbach an, war der Erbprinz der Grafschaft Veldenz, trat vom lutherischen zum katholischen Glauben über, wurde in der Folge von seinem Vater etwa ein Jahr lang im Schlossturm zu Lauterecken eingesperrt und möglicherweise auf seinen Befehl hin umgebracht.
Inhaltsverzeichnis
Die Grafschaft Veldenz
Die Grafschaft Veldenz bestand aus Gebieten zwischen Kaiserslautern, Sponheim und Zweibrücken und an der Mosel. Der Hauptort Veldenz liegt im Landkreis Bernkastel-Wittlich, wo das Schloss Veldenz stand. Als die Grafen von Veldenz 1260 ausstarben, ging die Grafschaft 1271 auf die Herren von Geroldseck über – wovon sich einer, nämlich Heinrich von Geroldseck, mit der Erbtochter Agnes von Veldenz verheiratet hatte – und kam 1444 durch Vermählung Annas, der einzigen Erbin Friedrichs III. von Veldenz, mit Stefan von Pfalz-Simmern-Zweibrücken an Pfalz-Zweibrücken. 1543 wurde im Marburger Vertrag geregelt, dass der Onkel Herzog Wolfgangs von Zweibrücken, Ruprecht, die Grafschaft Veldenz erhalten sollte. Ruprecht starb 1544; sein Sohn Georg Hans heiratete 1563 Anna Maria von Schweden, eine Tochter Gustav I. Wasas von Schweden. Damit wurde die Verbindung des Hauses Wittelsbach mit der schwedischen Königsfamilie Wasa begründet. 1553 hatte Wolfgang im Heidelberger Sukzessionsvertrag, der die gegenseitigen Erbansprüche aller wittelsbachischen Linien regelte, erreicht, dass Pfalz-Veldenz um die Grafschaft Lützelstein im Elsass erweitert wurde. Da der Enkel von Georg Hans, Leopold Ludwig von Pfalz-Veldenz-Lützelstein, 1694 ohne erbberechtigte Nachkommen starb, fiel die Grafschaft Pfalz-Veldenz-Lützelstein wieder an die Hauptlinie Zweibrücken zurück.
Leben und Tod Gustav Philipps
Leopold Ludwig von Pfalz-Veldenz-Lützelstein starb tatsächlich 1694 ohne erbberechtigte Nachkommen, wodurch die Grafschaft Pfalz-Veldenz-Lützelstein wieder an die Hauptlinie Zweibrücken zurückfiel. So wird es auch meist in den gängigen Geschichtswerken formuliert, ohne Hinweis darauf, dass er ursprünglich sehr wohl erbberechtigte Nachkommen hatte. Den älteren Erbprinzen Gustav Philipp ließ der Vater 1679 vorsätzlich töten, die beiden jüngeren fielen als Soldaten; Karl Georg (* 1660 in Lützelstein) am 4. Juli 1686 vor Ofen und August Leopold, kurbayerischer Oberst (* 1663 in Lützelstein), am 9. September 1689 vor Mainz.
Erbprinz Gustav Philipp von Pfalz-Veldenz-Lützelstein wurde als Sohn des Grafen Leopold Ludwig von Pfalz-Veldenz-Lützelstein und dessen Gemahlin Agatha Christine von Hanau-Lichtenberg im väterlichen Schloss in Lauterecken geboren. Über seine Jugend sind keine schriftlichen Quellen vorhanden. Der Heimatschriftsteller Hermann Lorch (1878–1964) verfasste jedoch aufgrund der Ortsüberlieferung die Erzählung „Gustav Philipps Heimkehr“ und konstatiert darin über dessen Jugend: „Als Knabe wohnte er in einem Haus in Lauterecken, das die Leute Schloß nannten. Er verbrachte hier eine freudlose Jugend.“
Als der Prinz erwachsen war, durchreiste er Frankreich, Schweden, Dänemark und Deutschland. Zunächst diente er dem Herzog von Lothringen, danach trat er in kaiserliche Dienste. In der Schlacht bei Sinsheim am 16. Juni 1674 erwarb er sich einen „Heldennamen“, wie es ein alter Bericht im katholischen Pfarrarchiv Lauterecken konstatiert. Der Prinz führte ein ausgelassenes Leben, wie es in dieser Zeit die meisten Adeligen – zumal beim Militär – taten. Später wurde teilweise von Grausamkeiten und Mordtaten berichtet.[1]:
„Der älteste Sohn, Gustav Philipp, geboren den 17. Juli 1651, bereiste, so berichtet die Notitia, Frankreich, Dänemark, Schweden, Deutschland. Eine wunderbare Schlechtigkeit der Neigungen und des Gemüthes zog ihn hinab in die Abgründe des Verderbens. Der Vater und alle Guten wendeten sich ab von ihm, und weil er täglich wuchs in Lastern und Schandthaten, ließ Leopold Ludwig ihn greifen und nach Lauterecken zur Haft bringen. Dort stürzte er sich in einem unbewachten Augenblicke, 1679, in die Tiefe, daß er demnach ein Ende fand, wie es seinem Wüthen angemessen. So die Notitia, die, mir scheint es, den Beruf nicht hatte, zu ermitteln, welche Schuld der Vater an des Sohnes Verirrungen tragen mochte. Sie mag nicht klein gewesen seyn, die Schuld, denn ich finde, daß Leopold Ludwigs älteste Prinzessin, Anna Sophia, geboren den 20. Mai 1650, katholisch wurde, um der tyrannischen Behandlung des Vaters zu entgehen.“
– Christian von Stramberg, 1837
Auch in dieser Reisebeschreibung, die den Prinzen eher zufällig nennt, dominiert also das offiziell verbreitete Geschichtsbild, ohne konkrete Quellenbezeichnung und mit zweifelhaften Angaben zu den Todesumständen. Offenbar kamen aber selbst dem neutralen Autor Christian von Stramberg Zweifel an der Richtigkeit des Berichtes und er versucht den Prinzen vorsichtig in ein besseres Licht zu rücken. Der letzte Teil mit seinen Anmerkungen zum Charakter des Vaters und zur Konversion der Schwester des Prinzen deckt sich mit einem Bericht im Pfarrarchiv Lauterecken, der erklärt:
„Heimgekehrt - von der Schlacht bei Sinsheim – änderte er jedoch seine Denkungsweise, verursachte dem Vater großes Herzeleid, ward von demselben im Lauterecker Schlossturm Jahr und Tag gefangen gehalten, versuchte zu entlaufen, wurde nach Gegenwehr von dem Wachtmeister Jeremias Berteau hieran gehindert, endlich von jenem Wachtmeister im Bett erschossen. Die Veranlassung des Herzeleides des eifrig protestantischen Vaters und der daraus folgenden Härte war, daß Erbprinz Gustav Philipp mit seiner Schwester Anna Sophia von der lutherischen Lehre abfiel und zur römisch katholischen Kirche zurückkehrte.“
– Bericht, Pfarrarchiv Lauterecken [2]
Ein Brief des lutherischen Pfarrers Johann Nicolaus Haack aus Lauterecken an den gräflichen Vater meldet am 3. April 1676: „Ihr ältester Sohn .... empfing am grünen Donnerstag durch einen frembden Pfarrer das Heilige Abendmahl...“ Hieraus lässt sich schließen, dass Erbprinz Gustav Philipp zu dieser Zeit bereits zum katholischen Glauben konvertiert war.
Die Auseinandersetzungen mit dem im fernen Lützelstein residierenden Vater verschärften sich und schließlich warf er den Prinz aus dem bisher von diesem bewohnten Schloss in Lauterecken hinaus. Dieser, öffentlich in seinem Ansehen bloßgestellt, übte sein Hausrecht aus und verschaffte sich im August 1678 gewaltsam Zutritt zum Schloss. Hierbei kam es zum Handgemenge und er stach einen jungen Mann nieder. Diese Tat nahm der Vater zum Anlass, den Sohn gefangen zu setzen. Obwohl man ihn offiziell wegen dieses Vergehens einsperrte, gab es nie eine Untersuchung, Gerichtsverhandlung oder Ähnliches. Gustav Philipp wurde in den Turm geworfen und man ließ ihn dort „schmachten“. Im geheimen Hausarchiv des Bayerischen Staatsarchivs ist ein Brief des Erbprinzen vom 26. Dezember 1678 erhalten, in dem er zu den Haftbedingungen u.A. schreibt: „... ich bin eingesperrt in einem finsteren Gefängnis, wo ich weder Sonne noch Mond sehe und man gibt mir kein Feuer mich zu wärmen, so daß ich vor Kälte sterbe...“ Man schickte ihm täglich den protestantischen Pfarrer Haack, um ihn zum lutherischen Glauben zurückzuführen. Diese Tatsache weist auf die religiös-politischen Hintergründe der Affäre. Während Pfarrer Haack dem Grafen berichtet: „der Erbprinz kehrte wieder zur Augsburgischen Confession zurück, da er jedoch keine Buß und Reue zeigte verweigerte ich ihm die Absolution und das Abendmahl.“, sprechen die im bayerischen Staatsarchiv verwahrten Briefe des 27-jährigen gefangenen Prinzen eine ganz andere Sprache. Er schreibt als „unterthänigst gehorsamstes Kind“ an seinen „herzallerliebsten Vater“ und drückt zutiefst christliche Regungen aus, wie etwa „Bereuung begangener Untaten“ und „das Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit“; Haacks Aussagen sind daher zweifelhaft. Gegen eine Rückkehr zur „Augsburgischen Confession“ spricht, dass sich sowohl der Bischof von Trier als auch der päpstliche Nuntius für die Freilassung des Erbprinzen einsetzten.
Der Bericht über Leben und Leiden Prinz Gustav Philipps im Pfarrarchiv Lauterecken fährt fort:
„Aus dieser Gefangenschaft versuchte er öfter zu entkommen; einmal zur Winterszeit als das Wasser im tiefen Schlossgraben gefroren, soll er sich aus Lakentüchern Stricke bereitet haben, um an denselben sich herabzulassen. Allein die Stricke waren zu kurz, er fiel auf das Eis und beschädigte sich am Fuß, so daß er nur fortkriechend in ein katholisches Haus in Überlauterecken gelangte. Allein seine Flucht wurde schnell entdeckt und wieder gefangen und darauf umso strenger bewacht. Später soll ihm in einem Brief eine Kordel zugestellt worden sein, an welche ihm vom Schlossgraben aus ein Schwert gebunden wurde. Im Besitze dieses Schwertes soll er aber dennoch wieder überwältigt worden sein. Auf den hierauf durch Wachtmeister Berto oder Berteau erstatteten Bericht soll der Vater des Prinzen den Befehl, ihn zu töten gegeben haben.“
– Bericht, Pfarrarchiv Lauterecken [2]
Wachtmeister Berto bzw. Berteau tötete den Erbprinzen, indem er ihm mit einem Nachttopf den Schädel einschlug und zusätzlich auf den im Bett liegenden schoss. Ein Rapport des pfalzgräflichen Vogtes Rollwagen aus Lauterecken vom 29. Oktober 1680 hält die Tatsache fest, dass der Täter, Wachmeister Berto bzw. Berteau, wegen der Tat von königlich französischen Soldaten verhaftet und nach Metz ins Gefängnis überführt wurde, wo er alles gestanden habe. Es heißt wörtlich:
„Der Gefangene wurde nach Metz gebracht. Ich wollte ihn sprechen, was mir untersagt wurde. Jedoch der Procureur General sagte, daß der Gefangene die Tat vor dem Cour des Perlement gestand; jedoch hinzufügte, daß er im Auftrage Seiner Hoheit handelte, der ihm befohlen habe, wenn er den geringsten Widerstand mache, ihn zu töten... er gezwungen war, ihm den Schädel einzuschlagen mit einem Nachttopf, den er auftragsgemäß mitbrachte und ihm einen Schuß mit der Pistole in den Bauch zu geben, was ihn tötete.“
– Rapport des Vogtes Rollwagen, Lauterecken [2]
Auf die Ermordung des Erbprinzen folgt eine geheime Beisetzung. Er wurde laut offizieller Geschichtsschreibung am 24. August 1679, nachts zwischen 12.00 und 01.00 Uhr – offenbar unter Ausschluss der Öffentlichkeit – in der protestantischen Kirche zu Lauterecken begraben. Neuere Nachforschungen lassen den Bestattungsort jedoch zweifelhaft erscheinen, da in der Kirche keine Grabstätte zu finden ist. Vermutlich wurde er an einem geheimen Ort beigesetzt, um spätere Nachforschungen zu verhindern. Außerdem kann man heute mit Bestimmtheit sagen, dass er entgegen den damaligen Aussagen Pfarrer Haacks eben nicht mehr zur „Augsburgischen Confession“ zurückkehrte und man ihm schon allein deshalb ein Begräbnis in der protestantischen Pfarrkirche verweigerte. Das durfte natürlich wegen des Skandals öffentlich nicht bekannt werden und man konnte ihn nur im Geheimen anderswo begraben.
Nachdem über den Fall über Jahrhunderte hinweg wenig nachgeforscht wurde, hat man in jüngster Zeit eine Dokumentation verfasst und sie über das katholische Pfarramt Lauterecken dem zuständigen Bischöflichen Ordinariat Speyer zugeleitet, um eine Anerkennung des Prinzen als Seliger und als Opfer unterdrückter Gewissensfreiheit zu erwirken. In diesem Zusammenhang hat das Oberhaupt der Königsfamilie Wittelsbach, Franz Herzog von Bayern, erst kürzlich, zum Zwecke der beabsichtigten Seligsprechung Gustav Philipps, alle im Wittelsbacher Hausarchiv vorhandenen Archivalien freigegeben.
Der Pfälzer Heimatdichter Hermann Lorch verarbeitete das Geschehen in der Erzählung „Gustav Philipps Heimkehr“, ebenso Friedrich Wilhelm Hebel in seinem „Pfälzischen Sagenbuch“ unter dem Titel Der Mutter Fluch (mit Abänderung der Namen unter Beibehaltung der Örtlichkeiten).[3] Aus Hebels Sagenbuch wurde die Geschichte in neueren Auflagen herausgenommen.
August Becker schreibt 1857 in seinem Standardwerk „Die Pfalz und die Pfälzer“:
„...da kam sein ältester Sohn Gustav Philipp von seinen Reisen zurück, katholisch. Alsbald ließ ihn der streng lutherische Vater gefangen nehmen, in den erwähnten Schloßturm legen und durch den roten Wachtmeister Jeremias Berto im Bett erschießen. Das lutherische Pfarrbuch sagt, der Prinz sei gefangen worden wegen Rebellion, Apostasierung und sonstiger Untaten ... Pfalzgraf Leopold Ludwig – der Vater – überlebte alle seine Kinder; nach traurigem, einsamen Alter starb er ohne Erben und sein Land fiel an Kurpfalz.“
– August Becker, 1857
Ein fast deckungsgleicher Text findet sich im Geographisch-Historischen Handbuch von Bayern von Walter Wilhelm Götz,[4] In seinem Buch Das Reformationswerk in der Pfalz schreibt Franz Xaver Remling, der Geschichtsschreiber der Diözese Speyer ganz ähnlich, aber etwas ausführlicher darüber.[5] Prinz Adalbert von Bayern enthielt sich in der 1979 publizierten Familienchronik „Geschichte unserer Familie“ einer Wertung, indem er berichtet:
„Leopold Ludwig hatte seinen 28-jährigen, ältesten Sohn auf tragische Weise verloren. Aus unbekannten Gründen haben sich Vater und Sohn nicht vertragen und dieses Verhältnis war so gespannt, daß Gustav Philipp, der Erbe von Veldenz, in einem Turm des Schlosses Lauterecken eingeschlossen wurde. Es war zwischen ihm und seinem Wächter Bertheau schon wiederholt zu Zusammenstößen gekommen, da der Gefangene mehrere Ausbruchsversuche unternahm. Bei einem neuerlichen Versuch, aus dem Gefängnis zu entfliehen, wurde der Aufseher angeblich so sehr bedroht, daß dieser in Notwehr auf seinen Gefangenen einen tödlichen Schuß abgab.[6]“
Der protestantische Dekan Friedrich Blaul räumte bereits 1838 in seiner Reisebeschreibung „Träume und Schäume vom Rhein“ im Kapitel über Lauterecken ein:
„... In diesem Thurme hielt Pfalzgraf Leopold Ludwig von Veldenz seinen ältesten Sohn Gustav Philipp über ein Jahr gefangen, weil dieser in Straßburg zur katholischen Kirche übergetreten war und dann sich gegen seinen Vater empören wollte. Ein gewaltsamer Befreiungsversuch misslang und der Vater ließ ihn durch den Wachtmeister Jeremias Berto im Bette erschießen.[7]“
Literatur
- August Becker: Die Pfalz und die Pfälzer. 1857, zahlreiche Neuauflagen bis in die jüngste Zeit.
- Hermann Lorch: Gustav Philipps Heimkehr. Volksbildungsverlag, Neustadt an der Haardt 1922.
Einzelnachweise
- ↑ So etwa Christian von Stramberg: Das Moselthal zwischen Zell und Konz. Koblenz 1837.
- ↑ a b c Ungedruckter Bericht nach gesammelten Ortsüberlieferungen, im kath. Pfarrarchiv Lauterecken.
- ↑ Friedrich Wilhelm Hebel: Der Mutter Fluch. Pfälzisches Sagenbuch. Zahlreiche Auflagen bis in die jüngste Zeit.
- ↑ Walter Wilhelm Götz: Geographisch-Historisches Handbuch von Bayern. München 1898, Band II., S. 851.
- ↑ Franz Xaver Remling: Das Reformationswerk in der Pfalz. 1846 (Neuauflage 1929).
- ↑ Adalbert Prinz von Bayern: Geschichte unserer Familie. Prestel-Verlag München, 1979, S. 221f.
- ↑ Pfarrer Friedrich Blaul: Träume und Schäume vom Rhein. 2. Auflage 1882, S. 322.
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