Günter H. Seidler

Günter H. Seidler

Günter Harry Seidler (* 31. Mai 1951 in Schleswig) ist ein deutscher Neurologe und Psychiater. Seit 2006 ist er Professor an der Medizinischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seidler studierte nach altsprachlichem Abitur an der Domschule Schleswig zunächst Theologie, Philosophie und Germanistik, später Medizin an den Universitäten Kiel und Göttingen. Im Jahre 1978 erhielt er seine Approbation als Arzt, seine Promotion zum Dr. med. folgte ein Jahr später mit einer Arbeit über „Die psychosoziale Verarbeitung chronischer Krankheit bei Multiple Sklerose – Kranken und Querschnittsgelähmten“. 1998 habilitierte sich Seidler mit einer Arbeit über „Strukturelle Veränderungen im Selbstbezug während stationärer Psychotherapie“.

Seidler ist Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychoanalytiker, Gruppenlehranalytiker, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und EMDR-Spezialist. An der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik im Zentrum für Psychosoziale Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg leitet er seit 2002 die Sektion Psychotraumatologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gewaltforschung, historische Traumaforschung, Traumafolgestörungen und Traumatherapie.

Werke

In seinen ersten wissenschaftlichen Arbeiten befasste sich Seidler mit der Erlebnisverarbeitung chronischer Krankheit. Diese Arbeiten brachten ihn in Berührung mit dem Stigmakonzept von Erving Goffman, und er wandte sich der Schamforschung zu. Für seinen ersten Entwurf zu seinem Buch „Der Blick des Anderen“ wurde ihm am 4. Juni 1989 der Wissenschaftliche Förderpreis der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft verliehen. Seinen Ansatz arbeitete er dann zur von ihm begründeten „Alteritätstheorie“ aus, indem er nach der Bedeutung zunächst fremder, außerhalb des Selbst liegender Erlebenselemente für die Selbstgenese fragte. In seiner Habilitationsschrift prüfte er seinen Ansatz empirisch. Für diese Arbeit wurde er am 22. Oktober 1999 mit dem „Forschungspreis Psychotherapie in der Medizin“ ausgezeichnet.

Seine Befunde ließen ihn die Notwendigkeit eines Paradigmawechsels erkennen, und er wandte sich der Psychotraumatologie zu und baute diese in Deutschland mit auf. 2007 begründete er die Zeitschrift „Trauma und Gewalt. Forschung und Praxisfelder“, die er zusammen mit Harald J. Freyberger und Andreas Maercker bei Klett-Cotta herausgibt.

Publikationen (Auswahl)

Monographien

  • Stationäre Psychotherapie auf dem Prüfstand. Intersubjektivität und gesundheitliche Besserung. Hans Huber, Bern 1999.
  • Der Blick des Anderen. Eine Analyse der Scham. Klett-Cotta, Stuttgart 1995 (2. Auflage 2001).

Herausgabe

  • (mit Gerhard Schneider) Internalisierung und Strukturbildung. Theoretische Perspektiven und Klinische Anwendungen in Psychoanalyse und Psychotherapie. Westdeutscher Verlag, Opladen 1995.
  • Hysterie heute. Metamorphosen eines Paradiesvogels. Psychosozial, Gießen 1996 (2. Auflage 2001).
  • Das Ich und das Fremde. Klinische und sozialpsychologische Analysen des destruktiven Narzißmus. Psychosozial, Gießen 1994 (2. Auflage 2002).
  • (mit Wolfgang U. Eckart) Verletzte Seelen. Möglichkeiten und Perspektiven einer historischen Traumaforschung. Psychosozial, Gießen 2005.
  • (mit Parfen Laszig, Ralph Micka, Björn V. Nolting) Aktuelle Entwicklungen in der Psychotraumatologie. Theorie – Krankheitsbilder – Therapie. Psychosozial, Gießen 2003.
  • (mit Harald J. Freyberger, Andreas Maercker) Handbuch der Psychotraumatologie. Klett-Cotta, Stuttgart 2011.

Zeitschrift

  • (Mitherausgeber) Trauma und Gewalt. Forschung und Praxisfelder. Klett-Cotta, Stuttgart, seit 2007.

Aufsätze

  • Zwischen Skylla und Charybdis: Die unumgängliche Scham der anorektischen Frau. In G. H. Seidler (Hg.): Magersucht – Öffentliches Geheimnis. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1993, 167–188.
  • Narziß, Teiresias und Ödipus: Internalisierungsschritte von der „Interaktionellen Unbewußtheit des Gegenübers“ zur „Verinnerlichung der Urszene“. In G. Schneider & G. H. Seidler (Hg.): Internalisierung und Strukturbildung. Theoretische Perspektiven und Klinische Anwendungen in Psychoanalyse und Psychotherapie. Westdeutscher Verlag: Opladen 1995, 95–115.
  • Scham als Mittlerin zwischen Innen und Außen: Von der Objektbeziehungstheorie zur Alteritätstheorie. In R. Kühn, M. Raub & M. Titze: Scham. Kulturelle, psychologische und philosophische Perspektiven. Westdeutscher Verlag: Opladen 1997, 127–143.
  • Scham und Schuld. Zum alteritätstheoretischen Verständnis selbstreflexiver Affekte. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychoanalyse 43, 1997, 119–137.
  • Destruktiver Narzißmus als Verlust bipersonaler Wechselseitigkeit. Phänomenologische, psychodynamische, klinische und therapeutische Aspekte. Fundamenta Psychiatrica, 14, 2000, 132–139.
  • Hysterie im Verständnis der Alteritätstheorie: Vom Wunsch, „erkannt“ zu werden. In: G. H. Seidler (Hg.): Hysterie heute. Metamorphosen eines Paradiesvogels. Psychosozial-Verlag: Gießen 2. Auflage 2001, 133–158.
  • Phänomenologische und psychodynamische Aspekte von Scham- und Neidaffekten. Psyche, 55, 2001, 43–62.
  • Aktuelle Therapieansätze in der Psychotraumatologie. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 48, 2002, 6–27.
  • Der Sog in die Monade: Die Elimination der „Dritten Position“. In G. H. Seidler (Hg.): Das Ich und das Fremde. Klinische und sozialpsychologische Analysen des destruktiven Narzißmus. Psychosozial-Verlag: Gießen 2. Auflage 2002, 9–23.
  • Phantom Gewaltlosigkeit. Gefahren und Grenzen einer Illusion. Trauma und Gewalt. Forschung und Praxisfelder, 3, 2009, 182–194.
  • Die Genese der Psychotraumatologie. Eine neue Disziplin im Kanon der medizinischen Fächer. Trauma und Gewalt. Forschung und Praxisfelder, 3, 2008, 178–191.

Weblinks


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