Runenschnalle von Pforzen

Runenschnalle von Pforzen
Wiedergabe der Runeninschrift auf der Gürtelschnalle (cf. Düwel, S. 19)

Die sogenannte Runenschnalle von Pforzen, ist ein archäologisches Fundstück einer silbernen alemannischen Gürtelschnalle aus dem späten 6. Jahrhundert mit einer Runeninschrift, die 1992 in Pforzen im Landkreis Ostallgäu in Bayrisch-Schwaben gefunden wurde. Bei der Inschrift handelt es sich bisher um den umfangreichsten kontinentalen runischen Text ausserhalb Skandinaviens. Die Deutung der Inschrift in ihrer Lautung und inhaltlichen Aussage ist nicht eindeutig geklärt und Objekt abweichender Annahmen auf Basis von Indizien.

Dem Fund kommt durch die Inschrift eine hohe Bedeutung in der Sprach- und Literaturgeschichte bei und ist Objekt zahlreicher mediävistischer Arbeiten. Für sprachwissensachftliche Aspekte gilt die Inschrift als ein Zeugnis in voralthochdeutscher Sprache und der durchgeführten zweiten Lautverschiebung, oder um eine zweite runische Inschrift in gotischer Sprache neben den Ring von Pietroassa. Für literaturwissenschaftliche Aspekte nach Deutung einiger Runologen durch die Nennung der Personennamen des Egil und der Ölrun aus dem Kontext der Wieland-Sagen als ein Zeugnis der historischen Entwicklung der germanischen Heldendichtung.[1]

Inhaltsverzeichnis

Archäologischer Befund

Pforzen liegt fünf Kilometer nördlich von Kaufbeuren auf einer Niederterasse östlich des Lechzuflusses der Wertach. Seit dem 19.Jahrhundert ist ein Reihengräberfeld am Nordostrand der Ortschaft bekannt. 1991 wurde im Rahmen von Bauarbeiten zwei neuer Doppelhausanlagen eine bodenkundliche Grabung notwendig in derene Verlauf 1991/92 und 1996 442 Bestattungen ergraben wurden. Die Gesamtschätzung aller Grabstätten wird auf 600-700 Gräbern geschätzt. Die Anlage des Friedhofes deutet auf eine in der Nähe liegende frühmittelalterliche Vorgängersiedlung der heutigen Ortschaft. Nach der Fundauswertung lässt sich die Anlegung des Friedhofs und der Siedlung im 5. Jahrhundert datieren. Die Siedlung wird unweit einer Furt südwestlich am Mühlbach vermutet. Pforzen gilt somit als der südlichste Ausläufer der germanischen Besiedlung durch die Alemannen aus ihren nordwestlichen Siedlungssitzen des schwäbischen Raums in den Alpenvorraum der römischen Provinz Raetia secunda.[2]

Neben den Fund der Runenschnalle 1996 wurde ein weiterer Runenfund getätigt, der eines Einfassungringes einer Bronzezierscheibe aus Elfenbein.

Das alemannische Grab, in dem die Schnalle gefunden wurde (Nr. 239) stammt aus dem letzten Dittel des 6. Jahrhundert und war vermutlich das eines Kriegers aus der höheren sozialen Schicht der Siedlungsgemeinschaft. Die vollständige Bewaffnung mit einer Lanze, einen Schild, Spatha und Schmalsax sowie Beigaben zeigen die Gruppenzugehörigkeit an. Die Schnalle selbst ist vermutlich römisch-mediterraner Herkunft, möglicherweise stammt sie aus einer langobardischen oder gepidischen Werkstatt. Obwohl die Schnalle funktionell an der Öse und Dorn beschädigt ist blieb sie in Nutzung, dies zeugt für den Besitzer einen hohen materiellen oder ideellen Wert der Gürtelschnalle an.

Inschrift

Die Schnalle enthält eine in Runen verfasste Inschrift auf ihrer Vorderseite, die nach ihrer Herstellung eingeritzt wurde.

aigil andi aïlrun [Ornament oder Binderune]
ltahu (oder elahu) gasokun

Eine linguistische Analyse ergab, dass diese Inschrift in einer frühen Form des Althochdeutschen verfasst wurde und damit die wohl älteste erhaltene Inschrift oder zumindest den ältesten Stabreim in einer westgermanischen Sprache darstellt, während die Goldhörner von Gallehus als ältestes Beispiel einer nordgermanischen Sprache gelten. Dennoch haben die Forscher noch keine Einigkeit über ihre exakte Bedeutung erzielt. Es wurde vermutet, dass es sich um ein Fragment der Wieland-Sage handelt, da der Name Egil erwähnt wird.

Literatur

  • Volker Babuke: Die Runenschnalle von Pforzen (Algäu) – Aspekte der Deutung: 1. Zur Herkunft und Datierung: Archäologischer Befund In: Pfrozen und Bergakker, Alfred Bammesberger (Hrsg.), Göttingen 1999. S. 15-24
  • Volker Babucke, Klaus Düwel: Pfrozen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 23, Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.). De Gruyter, Berlin – New York 2003. ISBN 3-11-017535-5
  • Alfred Bammesberger (Hrsg.) (in redaktioneller Zusammenarbeit mit Gaby Waxenberger): Pfrozen und Bergakker – Neue Untersuchungen zu Runeninschriften. In: Historische Sprachforschung Ergänzungsheft Nr. 41, Alfred Bammesberger, Günter Neumann (Hrsg.). V&R, Göttingen 1999. ISBN 3-525-26231-0.
  • Klaus Düwel: Die Runenschnalle von Pforzen (Algäu) – Aspekte der Deutung: 3. Lesung und Deutung. In: Pforzen und Bergakker, Alfred Bammesberger (Hrsg.), Göttingen 1999. S. 36-54
  • Klaus Düwel: Runenkunde. Metzler, Stuttgart – Weimar 2008. ISBN 978-3-476-14072-2. S. 19-20
  • Tineke Looijenga: Texts & Contexts of the Oldest Runic Inscriptions. S. 253-255. Brill 2003. ISBN 90-04-12396-2
  • Robert Nedoma: Noch einmal zur Runeninschrift auf der Gürtelschnalle von Pforzen in: Naumann (Hrsg.): Alemannien und der Norden. S. 340-370. 2004
  • Robert Nedoma: Die Runenschrift auf der Gürtelschnalle von Pforzen – ein Zeugnis der germanische Heldensage. In: Pfrozen und Bergakker, Alfred Bammesberger (Hrsg.), Göttingen 1999. S. 98-109
  • Norbert Wagner: Zu den Runeninschriften von Pforzen und Nordendorf in: Historische Sprachforschung 108. S. 104-112. 1995.
  • Norbert Wagner: Zur Runenschrift von Pforzen. In: Pfrozen und Bergakker, Alfred Bammesberger (Hrsg.), Göttingen 1999. S. 91-97
  • Ute Schwab: Die Runenschnalle von Pforzen (Algäu) – Aspekte der Deutung: 4. Diskussion. In: Pfrozen und Bergakker, Alfred Bammesberger (Hrsg.), Göttingen 1999. S. 55-79

Weblinks

Anmerkungen

  1. Klaus Düwel: Runenkunde, S.19f.
  2. Volker Babucke: Zur Herkunft und Datierung, S. 15f.

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