Hans Adalbert Schweigart

Hans Adalbert Schweigart

Hans Adalbert Schweigart (* 7. Juli 1900 in Biberberg; † 2. August 1972 in Hannover) war ein deutscher Chemiker und Ernährungswissenschaftler.

Nach dem Abitur 1918 in Ulm studierte er Chemie in Berlin und München. Er wurde 1924 mit einer Arbeit Über Kartoffelamylase promoviert und arbeitete dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Robert-Koch-Institut in Berlin bei Georg Lockemann. Er wurde – nach mehreren anderen Beschäftigungen – im gleichen Jahr kommissarischer Leiter des Reichsmilchauschusses. Drei Jahre später übernahm er eine Stellung als Hauptabteilungsleiter im Reichskommissariat für Milchwirtschaft.[1]

Schweigart trat 1931 der NSDAP bei. Er war außerdem Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und der SA. 1935 wurde er zum Leiter des Instituts für Milchwirtschaft an der Universität Berlin berufen und habilitiert sich 1937 mit der Arbeit Der Ernährungshaushalt des deutschen Volkes. In seinen ernährungswissenschaftlichen Schriften bezeichnete er sich Mitte der 1930er Jahre selbst als Nationalsozialisten und vertrat offensiv die Ziele der nationalsozialistischen Ernährungspolitik.[2]

Im Jahre 1935 prägte er den Begriff Vitalstoffe.[3] In seinen Werken zur deutschen Ernährungslage wies er auf Mangel in der Versorgung mit den Vitaminen B1 und C hin, die u.a. durch den Verzehr von Vollkornreis und Vollkornbrot verringert werden könnten. [4]

Schweigart wurde 1942 zum Direktor des Instituts für Vorratspflege und landwirtschaftliche Gewerbeforschung an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin berufen.[5] Während des Zweiten Weltkrieges beobachtete er unter den deutschen Soldaten des Afrikakorps, dass Schweinefleisch bei der Ernährung in heißem Klima nachteilige Folgen hat. Später entdeckte er das Phänomen des Sauerstoffdefizits bei von Krebs befallenem Gewebe. Nach 1945 fasste Schweigart als Ernährungsachverständiger für Behörden der Bizone schnell wieder Tritt.[6] Im Gegensatz zu anderen Ernährungswissenschaftlern wurden seine Anträge auf Forschungsgelder von der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) jedoch abgelehnt. Er galt als wissenschaftlich fragwürdig; sein Konzept der „Vitalstoffe“ wirkt dennoch nach.[7]

Schweigart gründete 1954 die Internationale Gesellschaft für Nahrungs- und Vitalstoff-Forschung (IVG) (später umbenannt in „Internationale Gesellschaft für Vitalstoffe und Zivilisationskrankheiten“. Unter seiner Leitung konnte die IVG 17 Nobelpreisträger als Mitglieder werben; ab 1956 wurde Albert Schweizer, 1958 Linus Pauling Ehrenpräsident der IVG. Sie entwickelt sich damit lange vor der Umweltbewegung zu einer prominent besetzten Organisation im Themenbereich Ernährung-Gesundheit-Umwelt.[8] Für den IVG-Kongress 1972 hatte Schweigart einen Vortrag über die ökologischen Auswirkungen der CO2-Zunahme bis zum Jahre 2200 geplant.[9]

Er wurde 1964 zum ersten Präsidenten der internationalen Stufe des Weltbundes zum Schutz des Lebens (Luxemburg) gewählt.

Veröffentlichungen

  • Die Saalfelder Heilquellen, ihre naturwissenschaftliche und medizinische Bedeutung. 1927 o.A.
  • Der Ernährungshaushalt des deutschen Volkes. Deutscher Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin 1937.
  • Das physiologische Bild der Butter. Carl Verlag 1956.
  • Biologie der Vitalstoffe. Verlag Zauner 1964.

Einzelnachweise

  1. Jörg Melzer: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch. Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08278-6, S. 300ff.
  2. Jörg Melzer: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch. Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08278-6, S. 300ff.
  3. Dimitrios Ambatielos,Dagmar Neuland-Kitzerow, Karoline Noack: Medizin im kulturellen Vergleich, Seite 171, Waxmann, New York, München, Berlin 1997, ISBN 3893254900
  4. Jörg Melzer: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch. Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08278-6, S. 304, Fußnote 92.
  5. Jörg Melzer: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch. Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08278-6, S. 300ff.
  6. Jörg Melzer: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch. Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08278-6, S. 304.
  7. Wahrig, B.; Rheinberger, H.-J.; Stoff, H. (2008): Enzyme, Hormone, Vitamine. Eine Geschichte der Wirkstoffe im Kontext der DFG-geförderten Projekte, 1920-1970. Forschergruppe zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920-1970: Bericht zur Abschlusskonferenz am 30. und 31. Januar 2008 in Berlin. S. 212-225. Verfügbar über http://www.histsem.uni-freiburg.de/DFG-Geschichte/Bericht2008.pdf
  8. Jörg Melzer: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch. Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08278-6, S. 307.
  9. Programm des 18. Internationalen Konvents für Zivilisations-Krankheiten, Ernährung und Lebensbedingungen, 18.-23.09.1972.

Weblinks


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