- Hans Oprecht
-
Hans Oprecht (* 19. Juli 1894 in Muri bei Bern; † 21. Juni 1978 in Embrach) war ein Schweizer Politiker (SP) und Gewerkschafter.
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Hans Oprecht stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war zuerst Stationsgehilfe, später Steuerbeamter der Stadt Zürich. Er wuchs in Zürich auf und trat 1910 in das Lehrerseminar in Küsnacht ein, wo er bis 1914 zum Primarlehrer ausgebildet wurde. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete er als Primarlehrer in Niederglatt und in der Stadt Zürich und begann ein Studium in Psychologie, Philosophie sowie Zivil- und Strafrecht an der Universität Zürich, das er 1918 mit dem Doktorat abschloss.
Nach seinem Studium trat Oprecht eine Stelle als Amtsvormund der Stadt Zürich an und engagierte sich in der Gewerkschafts der Staatsangestellten, dem Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter. Als Gewerkschafter stieg Oprecht zu einer der führenden Personen in der schweizerischen Arbeiterbewegung auf. Von 1921 bis 1931 amtierte er als Präsident des Verbands der Gemeinde- und Staatsarbeiter bzw. des Schweizerischen Verbands des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und arbeitete gleichzeitig ab 1926 im Verbandssekretariat. Nach dem Ende seines Präsidiums übernahm er die einflussreiche Funktion des geschäftsleitenden Sekretärs des VPOD (bis 1946). Parallel dazu war er von 1928 bis 1946 Mitglied im Bundeskomitee des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), dem zentralen Verband der schweizerischen Gewerkschaftsbewegung.
Neben seiner Tätigkeit in der Gewerkschaftsbewegung verfolgte Hans Oprecht auch eine politische Karriere in der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP). Zwischen 1925 und 1963 sass er für die SP im Nationalrat und war während des Krieges Mitglied in der Vollmachtenkommission. Innerhalb der SP vertrat Oprecht als Gewerkschafter einen reformorientierten Kurs und suchte die Kooperation mit Kräften der politischen Mitte. Er stand in Opposition zur klassenkämpferisch orientierten Führungsspitze der SP um Ernst Reinhard und Robert Grimm. Der Einfluss Oprechts innerhalb der SP stieg nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland, als er sich als Mitgründer und Vorstandsmitglied der Zeitung Die Nation in der antifaschistischen Sammlungsbewegung links der politischen Mitte engagierte. («Front der Arbeit» unter der Führung von Andreas Gadient). In der parteiinternen Diskussion trat Oprecht mit Vehemenz für eine Abkehr von der Propagierung der Diktatur des Proletariats und für die Anerkennung der Landesverteidigung und des schweizerischen Wehrwesens ein, um so den Boden für die Integration der SP in das politische System der Schweiz zu ermöglichen. Zusammen mit Max Weber prägte er die Diskussion um den «Plan der Arbeit», ein gewerkschaftliches Modell zur Überwindung der Wirtschaftskrise Mitte der 1930er Jahre. Weber lancierte später mit dem SGB in Konkurrenz zum Plan der Arbeit die sog. Kriseninitiative und drängte damit die SP und Oprechts Plan aus der öffentlichen Diskussion.
Nach 1935 traten die wachsenden Divergenzen in den Fragen der wirtschaftspolitischen Krisenbewältigung und der Haltung gegenüber der Armee zwischen den verschiedenen Flügeln und Richtungen innerhalb der SP immer offener zutage. Die Gewerkschaften erhöhten mit Max Webers Richtlinienbewegung den Druck auf die Parteileitung, die SP in eine Koalition mit links-bürgerlichen Kräften einzubringen. Zum Wendepunkt wurde 1936 die Debatte um eine 235 Millionen-Kredit für eine Erneuerung der Schweizer Armee, durch welche die SP gezwungen wurde, ihre ambivalente Haltung zur Armee aufzugeben. Der sog. «Parteitag der Wehrkredite» 1936 in Zürich brachte eine schwere Niederlage für die reformorientierten Kräfte, da die Delegierten der Parteileitung in ihrer kooperativen Haltung gegenüber der Armee nicht folgten. Als Folge dieses Entscheids trat die langjährige Parteiführung unter den Bernern Ernst Reinhard und Robert Grimm zurück und der Vorort der Partei wurde nach Zürich verlegt, wo eine komplett erneuerte Parteileitung unter Hans Oprecht als Präsident zusammengestellt wurde.
Oprecht führte die SP als Präsident bis 1952 durch den Krieg und trug wesentlich dazu bei, dass die Arbeiterbewegung in das schweizerische politische System der Konkordanz integriert werden konnte. Trotzdem unterlag er 1951 parteiintern bei der Nomination für die Nachfolge des ersten SP-Bundesrates Ernst Nobs seinem alten Konkurrenten und Mitstreiter Max Weber. Zusammen mit seinem Bruder Emil Oprecht war er eine der führenden Persönlichkeiten der antifaschistischen Bewegung in der Schweiz, engagierte sich für Flüchtlinge und Emigranten und war 1940 Mitgründer der «Aktion Nationaler Widerstand». Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieb er den Wiederaufbau der Sozialistischen Internationalen und betrieb seit 1957 in Zürich mit seiner Ehefrau eine Galerie.
Werke
- Der Fall Oprecht. VPOD (Hrsg.), o.O. u. o.J. (1939).
- Der Zweite Weltkrieg und die Schweizerische Arbeiterschaft. Sozialdemokratische Partei der Schweiz (Hrsg.), Zürich 1941.
Literatur
- Ulrich Kägi (Hrsg.): Unterwegs zur sozialen Demokratie: Festschrift zum 75 Geburtstag von Hans Oprecht. Europa-Verlag, Zürich 1969.
Weblinks
- Literatur von und über Hans Oprecht im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Markus Bürgi: Oprecht, Hans im Historischen Lexikon der Schweiz
Präsidenten der Sozialdemokratischen Partei (SP)Alexander Reichel | Albert Steck | Eugen Wullschleger | Wilhelm Fürholz | Karl Zgraggen | Paul Brandt | Otto Lang | Joseph Albisser | Gottfried Reimann | Eduard Kessler | Hans (Johann) Näher | Fritz Studer | Emil Klöti | Jakob Gschwend | Gustav Müller | Ernst Reinhard | Hans Oprecht | Walther Bringolf | Fritz Grüter | Arthur Schmid | Helmut Hubacher | Peter Bodenmann | Ursula Koch | Christiane Brunner | Hans-Jürg Fehr | Christian Levrat
Wikimedia Foundation.
Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:
Oprecht — ist der Familienname folgender Personen: Emil Oprecht (1895–1952), Schweizer Verleger und Buchhändler Hans Oprecht (1894–1978), Schweizer Politiker (SP) und Gewerkschafter Siehe auch: Obrecht Di … Deutsch Wikipedia
Hans Hausamann — (* 6. März 1897 in Appenzell; † 17. Dezember 1974 in Orselina) war ein Schweizer Fotograf und Nachrichtendienst Offizier. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Nachrichtendienst 1.2 Widerstand … Deutsch Wikipedia
Hans Sahl — (eigentl. Hans Salomon; * 20. Mai 1902 in Dresden; † 27. April 1993 in Tübingen) war Literatur , Film und Theaterkritiker in der Zeit der Weimarer Republik und als antifaschistischer Schriftsteller, Übersetzer und Kulturkorrespondent ein… … Deutsch Wikipedia
Hans Peter Hirsch — Peter Surava (* 25. April 1912 in Zürich; † 23. November 1995 in Oberrieden), geboren als Hans Werner Hirsch, war ein Schweizer Journalist. Er hat auch unter verschiedenen Pseudonymen publiziert. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er erst nach… … Deutsch Wikipedia
Hans Werner Hirsch — Peter Surava (* 25. April 1912 in Zürich; † 23. November 1995 in Oberrieden), geboren als Hans Werner Hirsch, war ein Schweizer Journalist. Er hat auch unter verschiedenen Pseudonymen publiziert. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er erst nach… … Deutsch Wikipedia
Hausamann — Hans Hausamann (* 6. März 1897 in Appenzell; † 17. Dezember 1974 in Orselina) war ein schweizerischer Fotograf und Nachrichtendienst Offizier. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Nachrichtendienst 1.2 Widerstand … Deutsch Wikipedia
Obrecht — is the name of: Jacob Obrecht (c. 1457/8 – 1505), Franco Flemish composer of the Renaissance Hermann Obrecht (1882 – 1940), Swiss politician André Obrecht (1899 – 1985), French executioner Werner Obrecht (de) (born 1942), Swiss scociologist… … Wikipedia
Max Weber (Politiker) — Max Weber Max Weber (* 2. August 1897 in Zürich; † 2. Dezember 1974) war ein Schweizer Politiker (SP), Finanzwissenschafter und Gewerkschaftsfunktionär. Inhaltsverzeichnis 1 … Deutsch Wikipedia
Liste der Nationalräte des Kantons Zürich — Diese Liste zeigt alle Mitglieder des Nationalrates aus dem Kanton Zürich seit Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 bis heute. Parteiabkürzungen BDP: Bürgerlich Demokratische Partei BGB: Bauern , Gewerbe und Bürgerpartei (später SVP) CSP:… … Deutsch Wikipedia
Parti socialiste suisse — Basisdaten Gründungsdatum: 21. Oktober 1888 Präsidium … Deutsch Wikipedia