Heinrich von Siebold

Heinrich von Siebold

Heinrich (Henry) Philipp von Siebold, ab 1889 Freiherr von Siebold (* 21. Juli 1852; † 11. August 1908)[1] führte Teile der Forschungen seines Vaters fort und gilt z. B. neben Edward S. Morse als einer der Begründer der Archäologie in Japan.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Heinrich von Siebold war nach Alexander von Siebold (1846–1911) der zweite Sohn des Philipp Franz von Siebold. Er wurde in Boppard am Rhein geboren, verbrachte die Jugendzeit in Bonn und Würzburg. Er ging in einem Würzburger Internat zur Schule, ist aber später von dort ausgerissen und hat die Schule abgebrochen. Er konnte nie richtig schreiben. Ohne Abitur und Universitätsstudium kam er 1869 mit 17 Jahren nach Japan. Die Österreicher stellten ihn als Übersetzer für Japanisch ein. Er war dort genshisayo - eine Art Ortskraft. Er brauchte aber immer einen Japaner, der im vorliest.

Die höheren Ränge des diplomatischen Dienstes blieben ihm zeitlebens verschlossen. Dafür entfaltete er eine intensive Sammlertätigkeit. Damals befand sich Japan in jeder Hinsicht im Umbruch. Viele buddhistische Tempel wurden geschlossen und verfielen allmählich. Von 1871 bis 1875 war es zu einem anti-buddhistischen Bildersturm gekommen. Buddhistische Malereien, Skulpturen, Kultgeräte u.a. wurden vernichtet, weggeworfen oder spottbillig verkauft. Wie viele andere Ausländer sammelte auch Heinrich von Siebold mit Umsicht und Sachverstand.

Siebold wollte das Werk seines Vaters beenden und beschäftigte sich mit Ur- und Frühgeschichte. In Wien traf er den englischen Urgeschichtler Jens Jacob Asmussen Worsaae und lernte bei ihm.

Edmund Naumann wies ihn nach seiner Rückkehr aus Japan darauf hin, dass beim Ueno Bahnhof bei Tokyo eine Strandlinie verläuft, die er sich einmal näher ansehen solle. Es handelte sich um 10-15 m mächtige Muschelablagerungen, Abfall. Als von Siebold diesen Haufen in Augenschein nimmt, kommt ihm Edward Sylvester Morse in die Quere. Auch er will dort graben. Morse hatte sich bereits als Lektor für Archäologie an der Universität Tokyo anheuern lassen und hatte daher eine Grabungserlaubnis. Da der Muschelhaufen aber an einer Bahnlinie lag und diese der Staatsbahn gehörte und diese wiederum dem Finanzministerium unterstand, durfte kurze Zeit später auch von Siebold dort anfangen zu graben. In diesem mittlerweile berühmten Moluskenhaufen von Oomori fand von Siebold mehrere Grubenwohnungen, Tonscherben und menschliche Knochen. 1877 publizierten beide Kontrahenten über ihre Funde fast zeitgleich in einer englischsprachigen Tageszeitung in Tokyo und lieferten sich harte Wortgefechte. Morse veröffentlichte seine Erkenntnisse unter dem Titel "Shell mounts of Oomori", Siebold nannte seine Arbeit "Notizen japanischer Archäologie" und veröffentlichte diese auch auf englisch.

Über die Bewohner dieser Grubenwohnungen herrscht nach wie vor Unklarheit. Morse war der Ansicht es wären Überreste der japanischen Ureinwohner (Ainu), die dort als Kannibalen gelebt hätten. Den Japanern und auch Siebold widerstrebte diese Auffassung. Siebold widersprach Morse: Die Ainu hatten keine Keramik und waren auch keine Kannibalen. Diese Überreste müssen von einer Kultur stammen, die vor den Ainu lebte.

Auf der Suche nach Antworten auf diese Frage bereiste v. Siebold weitere japanische Orte, reiste 1878 nach Hokkaidō und fand dort Keramik. Heinrich v. Siebold hatte bald eine beachtliche Sammlung von rund 3000 Scherben und 1200 Steinwerkzeugen.

Er entwarf 3 Stufen:

  1. primitivste: Dicke Keramik und mit Schnur verziert (Jōmon-Zeit), grobe Werkzeuge (Abschläge)
  2. mittlere: mit Hand gefertigte Keramik, härter gebrannt, dünner, graue Ware, Yayoi, runder oder spitzer Boden, polierte Steinwerkzeuge
  3. letzte: graue Keramik, größer, mit Bronze, kam von Korea nach Japan (glaubt er)

Er hatte die Theorie, dass die Ainu Kaukasier gewesen waren, also eigentlich Europäer, diese Theorie findet man auch bei Baelz. Diese Theorie wurde allerdings teilweise auch deshalb so bejubelt weil man damit den Graben zwischen Deutschland und Italien zuschütten konnte, um zu erklären warum man sich mit den Japanern im Zweiten Weltkrieg verbündet hat. Man hatte damals ein Bild der Ainu, was mit Wirklichkeit nicht viel zu tun hatte.

Er hatte seit der Wiener Weltausstellung von 1873, auf der er als Dolmetscher der japanischen Delegation tätig war, die besten Kontakte zu den Wiener Museen. Da er den Markt in Japan so gut wie kein anderer kannte, gab es auch mit anderen großen deutschen Museen Absprachen, für sie ethnographische Sammlungen in Japan zu erwerben. Schon 1883 fand auf sein Betreiben hin eine erste Ausstellung seiner Sammlung in Wien statt, die er anschließend dem österreichischen Staat verkaufen wollte. Nachdem sein Angebot abgelehnt worden war, überließ er dem Österreichischen Handelsmuseum einen Teil der Ausstellungsstücke als Geschenk.

Von Siebold war noch 20 Jahre in Japan, hat aber nichts mehr an Ur- und Frühgeschichte gemacht. Er kaufte Sachen und verkaufte sie wieder um Geld zu bekommen. 1888 erfolgte die spektakuläre Schenkung von mehr als 5200 Objekten (wobei einige Nummern mehrere Objekte umfassen können) an das Naturhistorische Hofmuseum, das spätere Museum für Völkerkunde.[2] Als Gegenleistung wurde er als k.u.k. Legationssekretär in Tokio am 11. April 1889 in Budapest in den österreichischen Freiherrnstand erhoben und damit zum österreichischen Staatsbürger ernannt. Das Freiherrn-Diplom wurde ihm am 3. März 1891 in Wien ausgestellt.[3]

Heinrich gab 1896 zusammen mit seinem älteren Bruder Alexander „Nippon. Archiv von Japan“ das Werk seines Vaters zu dessen 100. Geburtstag neu heraus. Aus diesem Anlass stellte er in den Räumen des ehemaligen Katzenwickerhofes, Maxstr. 4, in Würzburg die „Japanisch-chinesische Sammlung“ aus, die sehr gut besucht wurde. Zugleich widmete er sich zusammen mit seinem älteren Bruder Alexander der Aufgabe, das unvollendet gebliebene Werk des Vaters abzuschließen.

Wegen Krankheit bat er 1899, erst 46 Jahre alt, um den „zeitlichen Ruhestand“. Im Jahr zuvor hatte er Euphemia Carpenter, die Witwe eines britischen Majors, geheiratet. Sie kaufte das Schloss Freudenstein bei Bozen, wo sie zusammen die letzten Jahre in Wohlstand verbrachten, umgeben von einer noch immer reichen Sammlung. Er war ein gesuchter Berater in Fragen, die Ostasien betrafen, und Führer und Dolmetscher bei Besuchen aus Japan und China.

Am 11. August 1908 starb er auf Schloss Freudenstein, seine Witwe kurz danach. Seine immer noch umfangreiche Privatsammlung wurde ab März 1909 in Wien bei „Au Mikado“ verkauft und „in alle Winde zerstreut“.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Acta Sieboldiana, Band 9, Seite 74 Fußnote 7
  2. Acta Sieboldiana, Band 9, Seite 341 Digitalisat
  3. Genealogisches Handbuch des Adels. Adelslexikon Band XIII, S. 342, Band 128 der Gesamtreihe, Verlag C. A. Starke, Limburg (Lahn) 2002.

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