Horst Böttger

Horst Böttger

Horst Böttger (* 31. Mai 1939 in Leipzig) war von 1978 bis 1988 forensischer Psychiater im Haftkrankenhaus der Zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Hohenschönhausen. Als „Vernehmer im weißen Kittel“[1] hat er jahrelang Patienten ausgehorcht und die Informationen an das MfS weitergegeben.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Horst Böttger wuchs als uneheliches Kind ohne Vater in Leipzig auf. Er lernte zunächst den Beruf des Forstfacharbeiters. Bereits früh engagierte er sich in der FDJ. Mit 18 trat er der SED bei und wurde ehrenamtlicher Parteisekretär. 1956 trat er in den Dienst der Erfurter Bereitschaftspolizei, die ihn nach der Grundausbildung an die Medizinische Schule des Innenministeriums nach Leipzig schickte.[2] Die Ausbildung zum Krankenpfleger schloss er mit der Note gut ab.[3] Nach Antritt seines Wehrdienstes bei der NVA verpflichtet sich Böttger freiwillig für zwei Jahre, wurde Unteroffizier des Sanitätsdienstes und bekam 1961 eine Ausbildung zum Arzthelfer.[4] Um ein Studium der Medizin aufzunehmen quittierte er den Dienst bei der Bereitschaftspolizei und holte an der Abendschule das für das Studium obligatorische Abitur nach.[3]

Stasi-Laufbahn

Nach seinem Medizinstudium in Leipzig und Erfurt verpflichtete er sich Anfang Juli 1971 zu einer Laufbahn als Berufssoldat der Staatssicherheit und absolvierte hierfür eine Ausbildung zum Facharzt der Psychiatrie/Neurologie.[5] In seiner Verpflichtungserklärung erklärte Böttger sich bereit, „mit aller Entschlossenheit den Kampf gegen die Feinde der DDR zu führen“. Ab Januar 1976 wurde Böttger vom MfS an die Abteilung für forensische Psychiatrie an der Charité delegiert.[3] Er promovierte nicht nur in Medizin, sondern erwarb 1985 an der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam auch den „Dr. jur.“ mit einer Kollektivdissertation über die Optimierung der Zersetzung unter dem Titel „Die weitere Erhöhung der Effektivität der Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen durch das MfS“. Zwischen Januar 1978 und 1988 war er als forensischer Psychiater und Hauptmann der Staatssicherheit im MfS-Haftkrankenhaus Berlin-Hohenschönhausen tätig. Als Arzt verstieß er gegen den Eid des Hippokrates, indem er sich das Vertrauen der Inhaftierten erschlich und deren im Vertrauen gegebenen Informationen an die Vernehmer weitergab.[6] Nach Aussagen von ehemaligen Häftlingen verabreichte er ihnen auch gegen ihren Willen Medikamente und bewirkte so manipulierte Geständnisse als Grundlage für später folgende Haftstrafen.[7]

1979 und 1984 erhielt er die Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee (NVA) in Bronze bzw. Silber. Anlässlich seines 50. Geburtstages wurde er zudem für die Verdienstmedaille in Gold vorgeschlagen. Das MfS urteilte hierbei über Böttger, dass er „auch operative Belange“ gebührend berücksichtige und im Bereich der so genannten Staatsverbrechen effektiv mitwirke und an der „Lösung operativer Fragestellungen im Zusammenwirken mit“ den MfS-Vernehmern arbeite.[8]

Ab 1988 arbeitete er als Offizier im besonderen Einsatz an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), Sektion Kriminalistik. Im selben Jahr erhielt er den Titel des Medizinalrats verliehen. Zur Begründung hieß es, er habe „zu allen Straftatbeständen und besonders im Bereich der Staatsverbrechen qualifizierte Beurteilungen [erarbeitet, welche] stets in Inhalt und Form den von Gericht, Staatsanwaltschaft und Untersuchungsorgan gestellten Anforderungen [entspachen]. Dabei ist sich Genosse Böttger stets der großen politischen Bedeutung seiner Arbeit bewusst“[9]. Im Zuge der Abwicklung des in „Amt für Nationale Sicherheit“ umbenannten MfS wurde sein Einsatz an der HU zum 31. Dezember 1989 beendet und Böttger mit einem Übergangsgeld von mehreren Tausend Mark entlassen.[10]

Leben nach 1990

Obwohl nach der Wende zahlreiche ehemalige Häftlinge öffentlich gegen Böttger aussagten, praktiziert er nur drei Straßen vom ehemaligen Stasi-Gefängnis entfernt weiterhin als Arzt. Neben seinem medizinischen führt Böttger bis heute auch seinen an der MfS-Hochschule erworbenen Doktortitel. Böttger war der einzige Mediziner des Haftkrankenhauses, gegen den nach 1990 ein juristisches Hauptsacheverfahren eingeleitet wurde. Aus Mangel an Beweisen sprach ihn das Landgericht Berlin am 22. September 2000 frei[11]. Ein weiterer Prozess endete auf Grund von Verjährung mit einem Freispruch.[12] Böttger wurde dabei von seinem Rechtsanwalt Frank Osterloh vertreten, der früher selbst als Vernehmer für das MfS tätig war. Horst Böttger ist Mitglied der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikulomedizin e. V.

Literatur

  • Tobias Voigt/Peter Erler: Medizin hinter Gittern – Das Stasi-Haftkrankenhaus in Berlin-Hohenschönhausen, Jaron-Verlag, Berlin 2011.

Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ilko-Sascha Kowalczuk: „Es hat ihn keiner gezwungen“ - Ein Arzt im Dienste der Stasi. Bundeszentrale für politische Bildung, eingesehen am 14. Mai 2009.
  2. Vgl. Tobias Voigt/Peter Erler: Medizin hinter Gittern – Das Stasi-Haftkrankenhaus in Berlin-Hohenschönhausen, Berlin 2011, S. 70f.
  3. a b c Vgl. Voigt/Erler: Medizin hinter Gittern, S. 71.
  4. Vgl. Das Leben zweier Anderer. In: Playboy 09/2002, S. 58-63. Online-Version
  5. Vgl. Kowalczuk: „Es hat ihn keiner gezwungen“.
  6. Vgl. Renate Oschlies: Die Nähe der Vergangenheit. In: Berliner Zeitung vom 3. Oktober 2010, eingesehen am 22. September 2011.
  7. Vgl. Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns – Über das Schönreden der SED-Diktatur, Berlin 2008, S. 109.
  8. Vgl. Harro Albrecht: Wohl oder Übel. In: Der Spiegel Spezial 7/1996, S. 78.
  9. Zit. n. Voigt/Erler: Medizin hinter Gittern, S. 72.
  10. Vgl. Voigt/Erler: Medizin hinter Gittern, S. 72.
  11. Vgl. Renate Oschlies: „In der Haft war alles möglich“ - Stasi-Arzt vom Vorwurf der Körperverletzung an Häftlingen freigesprochen. In: Berliner Zeitung vom 23. September 2000, eingesehen am 22. September 2011.
  12. Vgl. Oschlies: Die Nähe der Vergangenheit.

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