Johann Roder

Johann Roder

Johann Baptist Roder (* 30. November 1814[A 1] in Rheinheim; † 18. März 1890 in Meßkirch[1]) war Gast- und Landwirt, Posthalter. Als Viehzüchter und -händler gilt er als Begründer der Meßkircher Höhenfleckviehzucht.[2] Der badische Revolutionär von 1848/1849 machte später Karriere als Landtags- und Reichstagsabgeordneter sowie als Politiker in der Nationalliberale Partei (NLP).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Johann Baptist Roder wurde als Sohn eines vermögenden Gastwirtes im Gasthaus „Engel“ im Dorf Rheinheim, heute Gemeinde Küssaberg im Landkreis Waldshut, geboren. Er genoss eine erstklassige Ausbildung in der Schweiz und in Belgien. Zunächst hatte er 1832 den väterlichen Betrieb übernommen, zog jedoch nach der Heirat 1839 mit Sophie Schalk, einer Meßkircherin, in deren Heimatstadt. Die badische Oberamtstadt Meßkirch glich zu dieser Zeit einem verschlafenen und rückständigen Provinznest, das nach dem Verlust der fürstembergischen Hofhaltung in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt war und in wirtschaftlicher Zerrüttung dahindämmerte. Hier betrieb er ab 1839 vor allem die Gastwirtschaft und Posthalterei „Adler“ seines Schwiegervaters.[3]

Roder, der bereits 1848 am Heckerzug teilgenommen hatte, stand auch 1849 an vorderster Front.[4] Während der Badischen Revolution von 1848/49 gehörte er zu den Wortführern der demokratischen Revolution im Meßkircher Bezirk.[2] Nach der Niederschlagung der Revolution wurde er verhaftet, zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, im Berufungsverfahren aber frei gesprochen, sehr zum Missfallen des Meßkircher Oberamtmanns, der in Roder „den größten Wühler und Verderber“ der ganzen Gegend sah.[3]

Neben seiner Betätigung als Gastwirt und Posthalter in Meßkirch war er ebendort auch Landwirt. Dabei machte er sich vor allem durch landwirtschaftliche Neuerungen und vielen Innovationen in der Viehzucht in dem strukturschwachen Amtsbezirk verdient. Er war der Initiator für die Zucht des Meßkircher Höhenfleckviehs, zu der er durch die Einfuhr von Simmentaler Farren die Grundlagen schuf. Der Durchbruch für die neue Rinderrasse erfolgte auf der Weltausstellung 1873 in Wien. Zum großem Erfolg für die heimische Landwirtschaft entwickelte sich die Meßkircher Höhenfleckviehzucht, das Fleckvieh wurde als Exportschlager bis nach Ungarn, Russland und Amerika verkauft. Die Gründung der ersten Zuchtgenossenschaft ist Privatier Roder ebenso zu verdanken, wie die erste Landwirtschaftsschule in Baden.[3]

Von 1865 bis 1881 und von 1883 bis 1889 vertrat er den Wahlbezirk Meßkirch-Stockach über elf Wahlperioden als Landtagsabgeordneter im Badischen Landtag in Karlsruhe. Von Januar 1874 bis Januar 1877 war er Mitglied des Deutschen Reichstags für den Wahlkreis Baden 1 (Konstanz, Überlingen, Stockach) für die Nationalliberale Partei in Berlin.[5] Vor allem im badischen Landtag gehörte er der parlamentarischen Prominenz mit an.[3]

Die Gründung der altkatholischen Gemeinde in Meßkirch geht auf ihn zurück, allerdings ist er auch für die unnötig scharfen Auseinandersetzungen des Badischen Kulturkampfes in der Stadt verantwortlich. Der Führer der Meßkircher Liberalen starb am 19. März 1890 in seiner Wohnung in Meßkirch. Dass Meßkirch am Ende des Jahrhunderts eine aufstrebende prosperierende Amtsstadt wurde, war vor allem sein Verdienst.[3] Er wurde auf dem Meßkircher Friedhof beigesetzt.

Würdigung

Der Adlerwirt und Viehzüchter war die beherrschende Gestalt der Meßkircher Geschichte im 19. Jahrhundert und gilt als einer der bedeutendsten badischen Ökonomen seiner Zeit. Im Gegensatz zu seiner Geburtsort Rheinheim, wo als Andenken an Roder in dessen Geburtshaus - dem Gasthaus „Engel“ - eine Heimatstube eingerichtet wurde, ist in Meßkirch bis heute trotz mehrfacher Anträge keine Straße nach ihm benannt worden.[3] Obwohl er fest zur Meßkircher Geschichte gehört, erinnert an dessen Werk aber in der Gegenwart kaum ein Hinweis in der Stadt. Es gab sogar vor Jahren die Diskussion, Roders Grab im sogenannten „Millionenviertel“ auf dem Meßkircher Friedhof abzuräumen.

Zur Bedeutung der Persönlichkeit Roders für die Stadt ist zu sagen, dass er mit Vehemenz andere, liberale Gedanken unter die Leute habe bringen wollte. Im Gegensatz zu vielen anderen Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte Meßkirchs hat Roder in Meßkirch selbst gewirkt und viele Gebäude – angefangen mit dem Rathaus – gäbe es ohne ihn nicht. Roder hat hier aber selbst mit angepackt und hat sich für die Bürger in der Stadt eingesetzt.

Der in der Diskussion angebrachte Grund: Roder hat politisch gesehen auf der falschen Seite gestanden und die Oberen der Stadt hatten so über Jahrzehnte hinweg nie ein Interesse daran gehabt, ihm ein Denkmal zu setzen. Aber die heutige Fassung der Geschichte, dass er die römisch-katholischen Christen in der Zeit des Kulturkampfes aus der Stadtpfarrkirche vertrieben hat, ist so nicht richtig. So haben die Altkatholiken der römisch-katholischen Gemeinde angeboten, die Kirche mitzubenutzen, was diese ablehnten. Ohne die liberalen Altkatholiken hätte es auch keinen katholischen Männerverein in der Stadt gegeben und ohne den Männerverein hätte es in Meßkirch auch keine Kolpingfamilie geben können.

Dass Meßkirch am Ende des 19. Jahrhunderts ein wirtschaftlich prosperierendes und aufstrebendes Städtchen war, war dem liberalen Bürgertum und vor allem seinem Wortführer Johann Baptist Roder zu verdanken, einem „energiestrotzenden Tatmenschen“.[6]

Im Rahmen des 750-jährigen Stadtjubiläums 2011 wurde Roder in dem aufgeführten Historienstück „Zwischen Sein und Zeit“ erstmals wirklich gewürdigt. Die Darsteller der Kolpingsbühne Meßkirch forderten die Stadt auf, endlich eine Straße nach ihm zu benennen.

Literatur

  • Friedrich von Weech (Hrsg.): Badische Biographien. Band 4, Bassermann [u. a.], Heidelberg [u. a.] 1891
  • Hermann Kalkoff (Hrsg.): Nationalliberale Parlamentarier 1867–1917 des Reichstages und der Einzellandtage. Schriftenvertriebsstelle der nationalliberalen Partei Deutschlands, Berlin 1917
  • Armin Heim: Johann Baptist Roder (1814-1890). Ein Liberaler aus Meßkirch. In: Edwin Ernst Weber (Hrsg.): Renitenz und Genie: Meßkirch und der badische Seekreis zwischen 1848/49 und dem Kulturkampf. Sammelband hrsg. im Auftrag des Landkreises Sigmaringen und der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur. (Reihen: Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Sigmaringen, Band 8 / Oberschwaben - Ansichten und Aussichten, Band 5). UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2003. ISBN 3-89669-761-7. S. 129-152.

Anmerkungen

  1. Nach anderen Angaben auch 1. Dezember 1814 bzw. 1. Dezember 1815

Einzelnachweise

  1. Hans-Peter Becht: Badische Parlamentarier 1867-1874: Historische Photographien und biographisches Handbuch. (= Band 3 von Photodokumente zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien), Droste Verlag, Düsseldorf 1995, ISBN 3-7700-5187-4
  2. a b Herrmann-Peter Steinmüller (hps): Früher schon Station für müde Reisende. In: Südkurier vom 16. September 2008
  3. a b c d e f Heim (aha): Revoluzzer, Züchter und Politiker. In: Südkurier vom 11. Juni 2011
  4. Clemens Rehm, Hans-Peter Becht, Kurt Hochstuhl: Baden 1848/49: Bewältigung und Nachwirkung einer Revolution. (= Band 20 von Oberrheinische Studien) Verlag Thorbecke, 2002. S. 46
  5. Gregor Moser (mos): Der verschwiegene Freiheitskämpfer. In: Südkurier vom 11. Juni 2011
  6. Armin Heim: Weltanschauung kontra Information. In: Südkurier vom 2. April 2011

Weblinks


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