Joseph, lieber Joseph mein

Joseph, lieber Joseph mein

Joseph, lieber Joseph mein ist ein heute vor allem in deutschen Sprachraum verbreitetes Weihnachtslied, dessen Melodie auf den mittelalterlichen Choral Resonet in laudibus in lateinischer Sprache zurückgeht. Der deutsche Text stammt möglicherweise vom Mönch von Salzburg. Während Experten wie Franz Viktor Spechter (1972) und Hans Waechter (2003) die Urheberschaft des Mönchs für weitgehend gesichert betrachten, beurteilt beispielsweise Burghart Wachinger (1989) diese Frage zurückhaltender. Im englischen Sprachraum nennt sich das Lied Joseph, my dear Joseph, in Tschechien ist es als Můj milý Josefe bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Melodie stammt vom lateinischen Weihnachtshymnus Resonet in laudibus. Überliefert ist das Lied in fünf Handschriften, darunter die sog. Leipziger Handschrift aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.[1] Im früheren kirchlichen Weihnachtsbrauchtum ist es mit dem Kindelwiegen verbunden, welches ab Mitte des 12. Jahrhunderts als Bestandteil des Weihnachtsspiels (Erlau um 1450, Sterzing 1511) belegt ist. Der Mönch von Salzburg zeichnet das Lied um 1400 mit einer ausführlichen Beschreibung auf:

„Zu den weihnachten der frölich hymnus: A solis ortus cardine, und so man das Kind wiegt über das Resonet in laudibus, hebt unser Frau an zu singen in einer Person: Jeseph, liever neve min. So antwort in der andern Person Joseph: Gerne, lieber mueme min. Darnach singet der kor die andern Vers in einer diener weis, darnach den kor.“[2]

Als Lied mit Text in deutscher Sprache taucht es 1544 im reformatorischen Gesangbuch von Johann Walter (1496–1570) auf. Es wurde jedoch nach der Reformation sowohl von der katholischen wie auch der evangelischen Kirche mit deutschem Text gesungen und fand seinen Eingang in Kirchengesangbücher beider Konfessionen mit regional variierenden Übersetzungen.

Gemäß der ältesten Überlieferung wohl ein Wechselgesang (Quempas), ist in der heute verbreitetsten Form der Refrain auf Eia, eia verkürzt. Mit der Wiederbelebung der Wechselgesänge im kirchlichen Ritus ab Mitte des 20. Jahrhunderts erlangte das Lied neben zahlreichen Chorfassungen auch im Gemeindegesang wieder eine breitere Bekanntheit. Eine verbindliche Textfassung gibt es nicht, insofern ist keine „falsch“ oder „richtig“.

Text

Heute verbreitete Fassung

Joseph, lieber Joseph mein,
hilf mir wiegen mein Kindelein,
Gott, der wird dein Lohner sein
im Himmelreich, der Jungfrau Sohn Maria.
Eia! Eia!

Gerne, liebe Maria mein,
helf ich dir wiegen das Kindelein.
Gott, der wird mein Lohner sein
im Himmelreich, der Jungfrau Sohn Maria.
Eia! Eia!

Freu dich nun, o Christenschar,
der himmlische König klar
nahm die Menschheit offenbar,
den uns gebar die reine Magd Maria.
Eia! Eia!

Süßer Jesu, auserkor’n,
weißt wohl, dass wir war’n verlor’n,
still uns deines Vaters Zorn,
dich hat gebor’n die reine Magd Maria.
Eia! Eia!

Älteste überlieferte Fassung der Leipziger Handschrift

»Joseph, liber nefe min,
hilf mir wiegen min kindelin,
das got musse din loner sin
in himilrich,
der meide kint Maria.«

»Gerne, libe mume min,
ich helfe dir wigen din kindelin,
das got musse min loner sin
in himilrich,
der meide kint Maria«

Nu frow dich, kristenliche schar,
der himelische konig klar
nam die menschheit offenbar,
den uns gebar
die reine meit Maria.

Is sullen alle menschen zwar
mit ganzen frouden komen dar,
do man fint der selen nar,
di uns gebar
die reine meit Maria.

Uns ist geborn Emanuel,
als uns vorkundigit Gabriel,
des ist geziug Ezechiel,
o fronis el,
Dich hot geborn Maria.

O ewigis vatirs ewigis wort,
wor got, wor mensche, der togenden ort,
in himil, in erde, hi und dort,
der salden pfort,
di uns gebar Maria.

O susser Jesu userkorn,
du weist wol, das wir wor verlorn,
stille uns dines vatirs zorn,
dich hot geborn
die reine meit Maria.

O kleinis kint, o grosser got,
du lidist in der krippen not,
der sunder hi vorhanden hot
der engil brot,
das uns gebar Maria.[3]

Einzelnachweise

  1. Leipzig, Universitätsbibl., Ms. 1305 (Handschriftencensus)
  2. zitiert nach: Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Band 3. Leipzig 1894, S. 643 f.
  3. zitiert nach: Heinz Rölleke: Das Volksliederbuch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1993, ISBN 3-462-02294-6, S. 24.

Literatur

  • Resonet in laudibus. In: Harald Andersén, Timo Mäkinen (Hrsg.): Piae cantiones. Vanhoja kirkko - ja koululauluja, Helsinki 1967, S. 32-34.
  • Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Band 3. Leipzig 1894, S. 642–644.
  • Heinz Rölleke: Das Volksliederbuch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1993, ISBN 3-462-02294-6, S. 24.
  • Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Weihnachtslieder. Schott, Mainz 1982, ISBN 3-7957-2061-3, S. 36f.
  • Hans Waechter: Untersuchungen zu den geistlichen Liedern des Mönch von Salzburg. unveröffentlichte Dissertation der Universität Salzburg, 2003.
  • Franz Viktor Spechtler (Hrsg.): Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. De Gruyter, Berlin 1972, ISBN 3-11-001847-0.
  • Burghart Wachinger: Der Mönch von Salzburg. Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-15057-2.

Weblinks


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