Jüdische Gemeinde Abterode

Jüdische Gemeinde Abterode

Eine Jüdische Gemeinde in Abterode, einem Ortsteil der Gemeinde Meißner im Werra-Meißner-Kreis (Hessen), bestand bereits um 1600. Sie war im 18. Jahrhundert die größte jüdische Landgemeinde in der Landgrafschaft Hessen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Landesherrschaft in Abterode unterstand den Quartfürsten, die Juden auf ihrem Territorium sich ansässig machen ließen, um von ihnen regelmäßige Einnahmen zu erzielen.

Zur jüdischen Gemeinde Abterode gehörten im 19. Jahrhundert auch die Juden in Germerode und Vockerode. Die jüdischen Familien lebten zunächst vor allem vom Viehhandel und dem Handel mit Lebensmitteln, Manufakturwaren und Textilien. In der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es auch jüdische Handwerker: Drei Metzger, drei Schuhmacher, zwei Baumwollweber, zwei Färber, fünf Schneider, zwei Buchbinder und ein Schreiner. Die meisten jüdischen Familien hatten auch eine kleine Landwirtschaft.

Die jüdische Gemeinde in Abterode besaß eine jüdische Elementarschule, ein rituelles Bad (Mikwe) sowie einen eigenen Friedhof. Sie gehörte zum Bezirksrabbinat Niederhessen (Kassel) und wurde vom Kreisrabbiner in Eschwege betreut.

Synagoge

Eine erste Synagoge bestand wohl im Hinterweg 7, ein Fachwerkhaus mit quadratischen Grundriss. Um 1830 wurde eine neue Synagoge (Hinterweg 1) erbaut, ein zweigeschossiger Massivbau aus rotem Sandstein mit einem Walmdach. Der Bau ist durch Lisenen unterteilt. Der Eingang im Westen besitzt ein großes Rundbogenportal in der Mittelachse.

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge im Inneren völlig zerstört. 1944 kaufte der Spar- und Darlehnskassenverein (später Raiffeisenbank) das Gebäude und nutzte es als Lager bis in die 1990er Jahre. Nach 1945 wurde eine Rampe und ein Vordach im Westen angebaut. Später wurde ein moderner Neubau der Raiffeisenbank an der Nordseite angefügt. In den 1990er Jahren wurde das inzwischen unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu einer Bankfiliale umgebaut und renoviert. Beim Umbau wurde eine Geniza mit zahlreichen Schriften, Gebetbüchern und rituellen Gegenständen gefunden.

Der Text auf der Gedenktafel an der ehemaligen Synagoge lautet: Ehemalige Synagoge der jüdischen Gemeinde Abterode. Erbaut 1871. Seit 1944 im Besitz des Spar- und Darlehenskassenvereins Abterode. Niederlassung der Raiffeisenbank Meißnervorland eG., die das bis dahin als Zahlstelle und Lager genutzte Gebäude in 1992/93 grundlegend renovierte. Dem Schicksal der Abteröder Synagoge und ihrer Gemeinde gedenkt die Eintragung Abterodes im Tal zerstörter jüdischer Gemeinden 'Yad Vashem' in Israel.

Gemeindeentwicklung

Jahr Gemeindemitglieder
um 1630 7 Familien
um 1665 16 Familien
1744 39 Familien, etwa 23% der Einwohner
1835 234 Personen
1861 158 Personen
1871 139 Personen, 13,4% der Einwohner
1885 183 Personen, etwa 18% der Einwohner
1905 167 Personen
1924 102 Personen, 11,2% der Einwohner
1939 31 Personen
1940 10 Personen

Nationalsozialistische Verfolgung

Beim Novemberpogrom 1938 wurden die jüdischen Einwohner misshandelt und ihre Wohnungen demoliert. Die Juden in Abterode wurden verhaftet und nach Eschwege transportiert.

Das Gedenkbuch des Bundesarchivs verzeichnet 32 in Abterode wohnhaft gewesene jüdische Bürger, die dem Völkermord des nationalsozialistischen Regimes zum Opfer fielen.[1]

Friedhof

Der jüdische Friedhof in Abterode wurde in der Mitte des 17. Jahrhunderts angelegt. Zuvor wurden die in Abterode verstorbenen Juden auf dem Friedhof in Jestädt beigesetzt. Auf dem jüdischen Friedhof in Abterode wurden auch die Toten folgender jüdischer Gemeinden beigesetzt: Allendorf, Frankershausen, Germerode und Vockerode.

Auf dem 49,03 Ar großen Friedhof befinden sich heute noch 491 Grabsteine (Mazewot) aus der Zeit von 1659 bis 1936. Der Friedhof liegt etwa 200 Meter vom Ortsrand entfernt auf der rechten Seite der verlängerten Rehbergstraße.

Einzelnachweise

  1. Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945. Abgerufen am 2. Mai 2010.

Literatur

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Liste jüdischer Friedhöfe in Deutschland — In Deutschland gibt es „an die 2 000 jüdische Friedhöfe“.[1] Das umfasst Friedhöfe im eigentlichen Sinne genauso wie Massengräber und Gräberfelder des Holocaust und andere Grabstätten. Mit der Erfassung der Begräbnisstätten der israelitischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Alter Jüdischer Friedhof (Sontra) — Der Alte Jüdische Friedhof Sontra ist ein Jüdischer Friedhof in Sontra im hessischen Werra Meißner Kreis. Er ist ein schützenswertes Kulturdenkmal. Beschreibung Das Gelände für den Friedhof wurde 1710 von der jüdischen Gemeinde Sontra erworben.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”