Karl Eckardt (NSDAP)

Karl Eckardt (NSDAP)

Karl Eckardt (* 10. November 1896 in Großbodungen; † 1953) war ein Wirtschaftsfunktionär und von 1937 bis 1941 NSDAP-Gauwirtschaftsberater im Gau Hessen-Nassau

Während der Zeit des Nationalsozialismus war Eckardt unter anderem Vorsitzender des Aufsichtsrates der „Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsbau AG Frankfurt/Main“, der Schuhfabrik Hassia in Offenbach, Mitglied des Aufsichtsrates der Adlerwerke Frankfurt, der Optischen Werke Moritz Hensoldt und Söhne in Wetzlar, der Philipp Holzmann AG, der Maschinenfabrik Moenus AG und der Torpedo-Werke Frankfurt und Aufsichtsrat der „Frankfurter Sparkasse von 1822“.

Der Fall J. & C. A. Schneider

Eckardt organisierte als Gauwirtschaftsberater zusammen mit der Zollfahndung und Devisenstelle Frankfurt unter anderem die „Arisierung“ der „H. Fuld & Co.“ oder der Schuhfabrik „J. & C. A. Schneider“ (JCAS). Bei den von Eckardt betriebenen "Arisierungen" wirkte teilweise auch die Gestapo mit, so im Falle der JCAS, der beispielhaft für zahlreiche andere Fälle steht, bei denen sich Gauwirtschaftsberater selbst bereicherten.

In der Reichspogromnacht wurde der Fabrikant Fred Adler verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Auf die ihm und seinem Bruder gehörende Schuhfabrik, damals eine der größten Hersteller von Hausschuhen in Europa, hatten NS-Größen seit Jahren einen begehrlichen Blick geworfen. Da die Eigentümer wirtschaftlichem Druck ausgesetzt waren, suchten sie bereits Anfang 1938 geeignete Käufer. Die "Deutsche Revisions- und Treuhandgesellschaft AG", in deren Aufsichtsrat unter anderem Hitlers Wirtschaftsberater Wilhelm Keppler saß, legte im Auftrag des Wirtschaftsministeriums als Genehmigungsbehörde für die JCAS einen Kaufpreis von ca. 4,2 Millionen RM fest, obwohl dieser bei ca. 15 Millionen RM lag.

Während das Wirtschaftsministerium noch die Kaufinteressenten auf wirtschaftliche Solvenz und politische Zuverlässigkeit überprüfte, avisierte Eckardt in seiner Funktion als NSDAP-Gauwirtschaftsberater einen neuen Käufer und fand diesen in seinem Bekannten Bruno Seletzky aus Wien, der Direktor der Škoda-Werke in Brünn war.

Da die Gebrüder Adler noch im November 1938 nicht gewillt waren, ihr Vermögen zu verschleudern, wurde dem in Buchenwald inhaftierte Fred Adler gedroht, dass er nur bei einem Verkauf mit einer Entlassung aus dem KZ rechnen könne. Zermürbt, unterzeichneten die Inhaber nach wenigen Wochen vor dem Frankfurter Notar Kurt Wirth in Gegenwart von Eckardt den Verkaufsvertrag.

Der Vertrag enthielt detaillierte Vorkehrungen für die Aussonderung jüdischer Beschäftigter sowie die Klausel, dass Entschädigungszahlungen in der Verantwortung der Verkäufer liegen.[1] Seletzky war der Strohmann von Eckardt, der sich als Generaldirektor die Leitung der JCAS einsetzen ließ.[2]

Von den vier Millionen Kaufpreis wurde vom Wirtschaftsministerium zunächst eine Viertelmillion für „soziale Zwecke wie Schönheit der Arbeit, Schaffung eines Gemeinschaftsraumes, Verbesserung sanitärerer Einrichtungen“ in der „arisierten“ Fabrik einfach abgezogen. Die Finanzbehörden zogen danach 1,3 Millionen für Reichsfluchtsteuer, Judenvermögensabgabe und Einkommensteuer ab. Weitere zwei Millionen gingen als Arisierungsgewinn in die Staatskasse und die beteiligte Geschäftsbank von Seletzky und Eckardt, die Dresdner Bank erhielt noch einmal 40.000 RM als Provision.

Als neuer Betriebsleiter wurde Eckardt berufen und hat in dieser Funktion der Belegschaft gegenüber erklärt: „Wir sind stolz darauf, gerade in dieser Zeit zu leben und dem Führer zu unserem bescheidenen Teil mithelfen zu können, an der Schaffung eines ewigen, großdeutschen Reiches".[3]

Eckardt tauchte 1945 unter, wurde 1949 in der Nähe von Duderstadt aufgespürt und kam 1953 bei einem Autounfall ums Leben. Nach 1949 wurde kein Gerichtsverfahren gegen ihn angestrengt.

Literatur

  • Hilberg, Raul: Die Vernichtung der europäischen Juden: die Gesamtgeschichte des Holocaust. Aus dem Amerikanischen von Christian Seeger u. a. 840 S. Frankfurt am Main u. a. Büchergilde Gutenberg 1990. ISBN 3-7632-2763-6.
  • Ludwig, Johannes: Boykott, Enteignung, Mord: die "Entjudung" der deutschen Wirtschaft. 399 S. Hamburg ; München : Facta-Oblita-Verlag 1992. ISBN 3-492-11580-2.
  • Meinl, Susanne und Zwilling, Jutta: Legalisierter Raub:die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen. Wissenschaftliche Reihe des Fritz-Bauer-Instituts; Bd. 10: 745 S. Frankfurt/Main u.a.:Campus-Verlag. 2004. ISBN 3-593-37612-1.
  • Erich Stockhorst: 5000 Köpfe – Wer war was im Dritten Reich. Arndt, Kiel 2000, ISBN 3-88741-116-1. 

Einzelnachweise

  1. Hilberg, R. (1990:153)
  2. Ludwig, J. (1992:229)
  3. Meinl, S. u. Zwilling, J. (2004:55ff)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Karl Dönitz — Großadmiral Karl Dönitz, later Reichspräsident of Germany President of Germany In office 30 April 1945 – 23 May 1945 Chance …   Wikipedia

  • Karl-Marx-Stadt — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Marx Stadt — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • August Eckardt — Friedrich August Eckardt (* 6. April 1871 in Lößnitz; † 27. Juli 1938 in Stralsund) war ein sächsischer Geologe, Mitglied des Sächsischen Landtags von 1919 bis 1933 und 1932/1933 kurzzeitig dessen Landtagspräsident. Leben Der Sohn von Karl Moritz …   Deutsch Wikipedia

  • Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren — In der vorliegenden Liste werden Politiker aufgeführt, die Mitglied der NSDAP und/oder einer ihrer Sonderorganisationen SA oder SS waren und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Rolle in der Politik spielten. In der Liste werden die… …   Deutsch Wikipedia

  • Braunschweiger Landtag — Das ehemalige Landschaftliche Haus in Braunschweig Der Braunschweigische Landtag, auch als Braunschweigische Landschaft und im 19. Jahrhundert als Braunschweigische Landesversammlung bezeichnet, stellte das Braunschweigische Ständeparlament im… …   Deutsch Wikipedia

  • Braunschweigische Landesversammlung — Das ehemalige Landschaftliche Haus in Braunschweig Der Braunschweigische Landtag, auch als Braunschweigische Landschaft und im 19. Jahrhundert als Braunschweigische Landesversammlung bezeichnet, stellte das Braunschweigische Ständeparlament im… …   Deutsch Wikipedia

  • Braunschweigischer Landtag — Das ehemalige Landschaftliche Haus in Braunschweig Der Braunschweigische Landtag, auch als Braunschweigische Landschaft und im 19. Jahrhundert als Braunschweigische Landesversammlung bezeichnet, stellte das Braunschweigische Ständeparlament im… …   Deutsch Wikipedia

  • Gauwirtschaftsberater — Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten wurden 1933 Gauwirtschaftsberater berufen, die die Gauleiter in wirtschaftlichen Fragen beraten sollten. Die Gauwirtschaftsberater waren vornehmlich für die Belange mittelständischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Clemens Kentrup — Clemens August Kentrup (* 1897; † 1945) war ein deutscher NSDAP Gauwirtschaftsberater und Präsident der IHK Baden von 1933 bis 1936.[1] Inhaltsverzeichnis 1 IHK Präsident 2 Gauwirtschaftsberater 3 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”