Kirche am Hohenzollernplatz

Kirche am Hohenzollernplatz
Kirche am Hohenzollernplatz

Die Kirche am Hohenzollernplatz ist eine evangelische Kirche im Berliner Ortsteil Wilmersdorf. Sie wurde von 1930 bis 1934 nach Entwürfen Ossip Klarweins aus dem Architekturbüro Fritz Högers erbaut und gilt als Hauptwerk deutscher expressionistischer Architektur. Durch die Kriegszerstörungen 1943 brannte die Kirche aus. Dabei gingen wesentliche Elemente des Innenraums verloren. Bis 1961 wurde die Kirche weitestgehend instandgesetzt. Aber erst bei der umfangreichen Sanierung von 1990 bis 1991 konnten die letzten Kriegsschäden beseitigt werden. Die Kirche steht unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Planungen zu einem Kirchengebäude

In der Kirchengemeinde Berlin–Wilmersdorf waren bis zum Jahre 1933 nur zwei Kirchen vorhanden: die Kirche an der Wilhelmsaue und die Kirche am Hochmeisterplatz. Bei der Einweihung der Auenkirche 1897 hatte das damalige Deutsch-Wilmersdorf, das erst 1906 die Stadtrechte bekam, bereits über 10.000 Einwohner. 1904 wurde die Grunewaldkirche eingeweiht, 1910 die Hochmeisterkirche.

1920 wurde Wilmersdorf nach Groß-Berlin eingemeindet, Schmargendorf, Grunewald und Halensee waren nun Ortsteile des Bezirks Wilmersdorf. Auf Grund des starken Bevölkerungswachstums im ausgedehnten Nordteil von Wilmersdorf, in dem rund 50.000 Gemeindeglieder lebten, beschlossen die Gemeindekörperschaften der damals noch ungeteilten Kirchengemeinde Berlin-Wilmersdorf, auf dem 1927 gekauften Grundstück am Hohenzollernplatz eine Kirche sowie ein Gemeinde- und Pfarrhaus für den Nordbezirk der Gemeinde zu errichten. Der Architekt und Kirchenbaumeister Otto Bartning fertigte zunächst zwei Vorentwürfe an. Nach dem anschließenden Architektenwettbewerb konnte das Preiskollegium keinen der eingereichten Entwürfe empfehlen.

Die Kirchengemeinde vergab dann den Auftrag am 26. Juni 1928, vermittelt durch den Schmargendorfer Maler Ernst Christian Pfannschmidt und seinen Sohn Ernst-Erik, an Fritz Höger, in dessen Hamburger Büro Ernst-Erik als Architekt arbeitete. Dieser schreibt dazu: „In der Technischen Hochschule hielt damals Höger einen seiner vielen Vorträge mit der ihm angeborenen grossen Rhetorik und Überzeugungskraft. Es gelang mir [Ernst-Erik Pfannschmidt], über meinen Vater [Ernst Christian], die Gemeinde zu bewegen, sich von Höger auch einen, wahrscheinlich ehrenamtlichen, Entwurf machen zu lassen.“[1]

Die Vergabe des Auftrages an den nicht am Wettbewerb beteiligten Architekten Höger löste in Fachzeitschriften heftige Diskussionen aus, weil der Entwurf angeblich nicht dem allgemeinen Geschmack der Kirchenbesucher entspräche. Höger hatte mit einem Plan Ossip Klarweins (hebräisch) überzeugt[2], den Höger vertragsgemäß unter seinem Namen eingereicht hatte.[3] Klarwein, der seit 1921 bei Höger arbeitete, war sein Hauptentwurfsarchitekt, durfte seine Arbeiten aber nur unter Högers Namen herausgeben.[1]

„Kurz vor Baubeginn kam Klarwein nach Berlin und zog nach Halensee in die Joachim-Friedrich-Straße 47, etwa 150 Meter von der Kirche entfernt. Seine damalige Anwesenheit in Berlin läßt bereits vermuten, daß er diesen Bau auch betreut hatte.“[3]

Fertigstellung 1933 und Nutzung bis 1945

Am 30. September 1930 fand die Grundsteinlegung, am 19. März 1933 die Einweihung der Kirche statt.[4] Der damalige Superintendent Diestel nahm die Kirchenweihe vor und bezeichnete den Baukomplex als „Kunstwerk für alle Zeiten“.[5]

1934 emigrierte Klarwein mit Frau und Sohn Mati ins britische Mandatsgebiet Palästina, da sie als Juden in Deutschland keine Zukunft mehr hatten.[6] Die kirchliche Arbeit vereinte in den neuen Gebäuden nun Jugendverbände, eine Frauenhilfe sowie eine Schwesternstation. Auf Grund der im Zweiten Weltkrieg beginnenden Kämpfe um und über Berlin wurde das Kirchenensemble am 22. November 1943 von einer Sprengbombe und weiteren Brandbomben getroffen und brannte fast vollständig aus. Auch die große Orgel der Firma Furtwängler und Hammer wurde zerstört. Alles Hölzerne, vor allem die Bestuhlung, verbrannte. Die Gottesdienste fanden danach in der Kirche in der Nassauischen Straße statt, später in einem Zimmer des Gemeindehauses. Die größeren noch unversehrten Räume wurden vom Oberkommando der Kriegsmarine als Notlazarett benutzt. Beim Einmarsch der Roten Armee nach Berlin-Wilmersdorf (am 30. April 1945) lagen hier zahlreiche deutsche verwundete Soldaten, die dann als Kriegsgefangene abtransportiert wurden.[7]

Neubeginn ab 1946

Das Gemeindegebiet Wilmersdorf Nord wurde jedoch erst 1946 als Kirchengemeinde am Hohenzollernplatz selbstständig; zu dem Einzugsbereich gehörten damals rund 13.000 Seelen. Nach Kriegsende erhielt die Kirche zunächst ein provisorisches Dach, der Gemeindesaal im Untergeschoss wurde wieder nutzbar gemacht. Die letzten Kriegstrümmer verschwanden 1953, zwei Jahre später wurde die Kirche Am Hohenzollernplatz wieder eingeweiht. 1956 wurde auch der Amtstrakt mit Wohnungen in der Nassauischen Straße neu errichtet. Sie erhielt schrittweise eine neue Ausstattung.

Gebäude

Portal der Kirche am Hohenzollernplatz

Das verwinkelte, verhältnismäßig kleine Grundstück (2447 m²) war nicht einfach zu bebauen. Es sollten Kirche, Gemeindesaal, Gemeindehaus mit Konfirmanden- und Vereinsräumen, Schwesternstation, Jugendheim und sechs Wohnungen für Geistliche und Kirchenangestellte entstehen. Die Kirche fügt sich in die Randbebauung des Hohenzollernplatzes ein, Gemeindehaus und Pfarrhaus wurden als ein Querriegel in der Nassauischen Straße errichtet. Um alle räumlichen Anforderungen zu erfüllen, wurde der Gemeindesaal einige Meter tief in das Erdreich unter die Kirche verlegt. Die Grundfläche des Hauptraumes der Kirche ist 40 Meter lang und 14 Meter breit. Die Höhe beträgt 20 Meter. Die 10 Meter breite Vorhalle ist 18 Meter hoch. Der Innenraum des Betonskelettbaus ist mit dreizehn spitzbögigen Stahlbetonbindern ausgestattet. Der 66 Meter hohe Turm (einschließlich Kreuz), der von unten nach oben leicht konisch verläuft, steht in den Sichtachsen von Fasanen- und Nikolsburger Straße, vom Hohenzollerndamm und der Düsseldorfer Straße sowie der Nassauischen Straße. Die umliegenden vierstöckigen Wohnhäuser sind nach Berliner Traufhöhe 22 Meter hoch. Das spitzbogige Portal, das über eine Freitreppe erreicht wird, kündigt den gotischen aufstrebenden) Geist des Innenraums an.

Ausstattung

Hauptraum der Kirche

Neben dem Altar – einem lang gestreckten Steintisch mit dicker Mosaikdecke – sind die bunten, modern gestalteten Kirchenfenster und die neue Orgel besonders hervorzuheben.

Das dreigeteilte aufstrebende Altarfenster wurde nach Entwürfen des Künstlers Sigmund Hahn 1962 gestaltet. Es trägt den Titel „Vor dich treten und Dir danken, bevor die Sonne aufgeht“.[5]

Die Orgel wurde in den Jahren 1964 bis 1966 und 1975 von der Orgelbaufirma Kemper und Sohn (Lübeck) in zwei Bauabschnitten errichtet. Das Instrument hatte 61 Register (5230 Pfeifen) auf vier Manualen und Pedal. Bei der Sanierung der Kirche 1990/91 wurde die Orgel umfassend restauriert und neu intoniert.[8]

I Schwell-Rückpositiv C–
Gedackt 8’
Quintade 8’
Rohrflöte 4’
Nasat 22/3
Prinzipal 2’
Terz 13/5
Quinte 11/3
Scharff V
Zimbel II
Rankett 16’
Krummhorn 8’
Clairon 4’
Tremulant
II Hauptwerk C–
Pommer 16’
Prinzipal 8’
Holzflöte 8’
Spitzgambe 8’
Quinte 51/3
Oktave 4’
Gedackt 4’
Quinte 22/3
Oktave 2’
Oktave 1’
Kornett V
Mixtur V
Scharff IV-V
Span. Trompete 16’
Span. Trompete 8’
III Schwell-Oberwerk C–
Dulzgedackt 16’
Weitprinzipal 8’
Rohrflöte 8’
Violflöte 8’
Schwebung 8’
Oktave 4’
Nachthorn 4’
Waldflöte 2’
Salizet 2’
Oktävlein 1’
Terz 4/5
Sesquialtera II
Mixtur IV
Fagott 16’
Oboe 8’
Tremulant
IV Brustwerk C–
Singend Gedackt 8’
Lochflöte 4’
Blockflöte 2’
Oktävlein 1/2
Zwergzimbel III
Vox humana 8’
Tremulant
Pedalwerk C–
Prinzipal 16’
Subbass 16’
Quintbass 102/3'
Oktavbass 8’
Gedecktbass 8’
Pommer 4’
Oktave 2’
Rauschpfeife IV
Mixtur IV
Liebl. Posaune 32’
Bombarde 16’
Trompete 8’
Clairon 4’
  • Koppeln I/II, III/II, IV/II, III/I, IV/I, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P

Seit 1987 finden in den Kirchenräumen regelmäßige Kunstausstellungen statt, meistens mehrere im Jahr. [9]

Seit dem 1. November 2008 findet jeden Samstag um 12:00 der ökumenische "NoonSong" statt. Nach dem Vorbild des anglikanischen Evensongs erklingt eine gesungene Tagzeiten-Liturgie, gestaltet vom professionellen Vokalensemble sirventes berlin unter der Leitung von Prof. Stefan Schuck. Über 100 Besucher nutzen dieses niederschwellige liturgische Angebot wöchentlich.

Literatur

  • Sibylle Badstübner-Gröger: 100 Bauwerke in Berlin. Regensburg 1997.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978.
  • Karl-Heinz Metzger: Kirchen, Moscheen und Synagogen in Wilmersdorf. Berlin 1986.
  • Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Berlin. 3. Auflage, Deutscher Kunstverlag, München 2006.
  • Berlin. Sakrale Orte. Grebennikov Verlag, 2009, ISBN 978-3-9411784-09-03; S. 108ff

Weblinks

 Commons: Kirche am Hohenzollernplatz (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Vgl. Ernst-Erik Pfannschmidt in seinem Brief an Eckhardt (Ekhart) Berckenhagen, 29. Juni 1977 (PDF) der seinerzeit die Ausstellung aus Anlass von Högers 100. Geburtstag in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin vorbereitete.
  2. Auch Klarweins späterer Freund der Architekt Yehudah Lavie (geb. Ernst Loewisohn) bestätigte im Interview, dass die Kirche am Hohenzollernplatz Klarweins Entwurf war. Vgl. Myra Warhaftig (hebräisch ‏מירה ווארהפטיג‎), Sie legten den Grundstein. Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Palästina 1918–1948, Berlin und Tübingen: Wasmuth, 1996, S. 294 und Fußnote 290 auf S. 296. ISBN 3-8030-0171-4
  3. a b Myra Warhaftig (hebräisch ‏מירה ווארהפטיג‎), Sie legten den Grundstein. Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Palästina 1918–1948, Berlin und Tübingen: Wasmuth, 1996, S. 294. ISBN 3-8030-0171-4
  4. Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin (¹1978), Berlin: CZV-Verlag, ²1986, S. 310. ISBN 3-7674-0158-4.
  5. a b Sakrale Orte, S. 109
  6. Myra Warhaftig (hebräisch ‏מירה ווארהפטיג‎), Sie legten den Grundstein. Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Palästina 1918–1948, Berlin und Tübingen: Wasmuth, 1996, S. 295. ISBN 3-8030-0171-4
  7. Homepage der Gemeinde mit ausführlicher Geschichtsdarstellung der bisherigen Pfarrer der Gemeinde
  8. Nähere Informationen zur Orgel der Kirche am Hohenzollernplatz
  9. Liste aller bisher durchgeführten Ausstellungen von Malern, Bildhauern, behinderten Kindern, Fotografen usw.; abgerufen am 10. November 2009
52.49422113.326971

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