Otto Bartning

Otto Bartning

Otto Bartning (* 12. April 1883 in Karlsruhe; † 20. Februar 1959 in Darmstadt) war ein deutscher Architekt und Architekturtheoretiker, der vor allem durch seine Kirchenbauten bekannt wurde. Die meisten noch vorhandenen Gebäude nach Bartnings Plänen stehen inzwischen unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur 1902 in Karlsruhe begann Otto Bartning im Wintersemester des gleichen Jahres sein Studium an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Ab März 1904 unternahm Bartning eine anderthalbjährige Weltreise (in der älteren Literatur fälschlicherweise auf 1902–1903 datiert) und setzte dann sein Studium in Berlin – und teilweise in Karlsruhe – fort. Gleichzeitig war er ab Ende 1905 bereits freischaffender Architekt in Berlin. Otto Bartning beendete sein Studium ohne Abschluss. (Zum Abbruch des Studiums gibt es widersprüchliche Quellenangaben: 1908 oder 1907.)

Noch als Student baute er seine erste Kirche, die evangelische Friedenskirche in Peggau in der Steiermark. Dem folgten in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg 17 weitere evangelische Kirchen in den überwiegend katholischen Donauländern, sogenannte Diasporakirchen. Der erste Bartning'sche Kirchenbau in Deutschland entstand 1909–1910 in Essen.

Ab 1912 war Bartning Mitglied im Deutschen Werkbund, von 1919 bis 1923 gehörte er dessen Vorstand an. Zusammen mit Walter Gropius begründete er ab Ende 1918 die Bauhaus-Idee, formulierte weitgehend das Programm, war dann aber an der Gründung nicht beteiligt (Alleingang von Gropius). Bartning zählte zu den Begründern der Architektenvereinigung Der Ring. 1922 erregte sein (nicht ausgeführter) expressionistischer Entwurf einer Sternkirche Aufsehen, 1928 wurde er mit dem Bau der Stahlkirche auf dem Ausstellungsgelände der Pressa in Köln international bekannt. Nach dem Umzug des Bauhauses nach Dessau war Bartning 1926–1930 Direktor der neu gegründeten Bauhochschule in Weimar. Bartning musste 1930, nach dem Sieg der NSDAP in Thüringen, als Leiter der Bauhochschule Weimar Paul Schultze-Naumburg, dem politischen Zögling des thüringischen NS-Ministers und späteren Reichsinnenministers Wilhelm Frick, weichen.[1] Danach war er vorwiegend wieder in Berlin tätig, unter anderem war er an der Errichtung der Siemensstadt beteiligt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Bartning Leiter der Bauabteilung des Evangelischen Hilfswerkes in Neckarsteinach. Unter seiner Leitung legte das Hilfswerk mit Unterstützung ausländischer Kirchen zwei Serienkirchenprogramme auf. Bartning entwarf drei Typen von sogenannten Bartning-Notkirchen, von denen 43 in ganz Deutschland gebaut wurden. In einem Folgeprogramm wurden weitere, jetzt kleinere Kirchengebäude in den drei Typen Gemeindezentrum, Diasporakapelle und Haus der Kirche gebaut.

Bartning gründete 1946 gemeinsam mit Eugen Gerstenmaier den Evangelischen Siedlungsdienst zum Siedlungsbau. Er war auch maßgeblich an der Wiederbegründung des Deutschen Werkbundes beteiligt. Ab 1950 gründete er mit dem Architekten Otto Dörzbach eine Bürogemeinschaft. Im gleichen Jahr wurde er zum Zweiten Vorsitzenden des Deutschen Werkbundes und zum Präsidenten des Bundes Deutscher Architekten (BDA) gewählt. 1953 wurde die Otto-Bartning-Stiftung mit Sitz in Darmstadt gegründet.[2] Bartning starb 1959 in Darmstadt, wo sich auch das Otto-Bartning-Archiv befindet (im Fachgebiet Kunstgeschichte der Technischen Universität Darmstadt).

Ehrungen

Im Berliner Hansaviertel, an dessen Wiederaufbau er beteiligt war, ist nach ihm die Bartningallee benannt worden.

Werk

Bauten (Auswahl)

International bekannt wurde Bartning 1928 mit der doppeltürmigen „Stahlkirche“ auf der Ausstellung „Pressa“ in Köln sowie nach dem Zweiten Weltkrieg mit den so genannten Bartning-Notkirchen.

Altlutherische Kirche in Essen-Moltkeviertel, erste Bartning-Kirche in Deutschland
Evang. Kirche Nassengrub (Tschechien)
Haus Wylerberg
„Langer Jammer“ in der Berliner Großsiedlung Siemensstadt
Evangelische Kirche in Dornbirn
Auferstehungskirche in Essen-Südostviertel
Erlöserkirche in Münster

Chronologische Übersicht von Bauten und Entwürfen:[3]

Schriften

  • Vom neuen Kirchbau. Berlin 1919.
  • Erdball. 1947.[2]
  • Erde Geliebte. 1956.[2]
  • Hermann Wandersleb (Hrsg.): Neuer Wohnbau, Band 2: Durchführung von Versuchssiedlungen. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1958.
  • Alfred Siemon (Hrsg.): Vom Raum der Kirche. Aus Schriften und Reden. Rasch, Bramsche 1958. (= Baukunst des 20. Jahrhunderts, 2.)
  • Oskar Beyer (Hrsg.): Otto Bartning in kurzen Worten. Aus Schriften und Reden des Architekten. Furche-Verlag, Hamburg 1954.
  • Die 48 Notkirchen in Deutschland. Schneider, Heidelberg 1949.
  • Entzückte Meerfahrt. Rowohlt, Reinbek 1958.

Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau (OBAK)

Die Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau e.V. (OBAK) ist ein Verein zur Erforschung und Verbreitung des Werks von Otto Bartning. Die Arbeitsgemeinschaft ist mit Ihrem Internetauftritt digitaler Grundstock des Otto-Bartning-Archivs der Technischen Universität Darmstadt[17], weil sie wesentlich zur Digitalisierung seines Werks beigetragen hat und fortlaufend beiträgt[18].

Der Verein wurde am 29. Mai 2003 auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin als Initiative von Privatpersonen begründet. Nach der Gründungsversammlung vom 4. Mai 2006 wurde der Verein 2006 beim Registergericht eingetragen. Die OBAK ist als gemeinnützig anerkannt zur Förderung gemeinnütziger Zwecke der Förderung von Kunst und Kultur sowie wissenschaftlicher Zwecke.

Die OBAK richtete anlässlich des Bauhausjahres 2009 in Erfurt die Ausstellung „Otto Bartning und das (andere) Bauhaus“ aus und in Berlin ein Crossover-Kunstprojekt: „Die Welt ist Energie - Performance, Malerei und Klangcollage“[19] und liefert für zahlreiche Publikationen zu Bartning das Bildmaterial[20][21]. Seit 2009 betreibt sie das europäische Projekt eurOB zur internationalen Vernetzung von Kunsthistorikern und Architekten zum Thema Bartning.

Literatur

  • Hans Karl Frederick Mayer: Der Baumeister Otto Bartning. L. Schneider, Heidelberg 1951.
  • Helmut Lerch, Jürgen Bredow: Otto Bartning. Materialien zum Werk des Architekten. Verlag ‚Das Beispiel‘, Darmstadt 1983.
  • Christoph Schneider: Das Notkirchenprogramm von Otto Bartning. Tectum Verlag, Marburg 1997.
  • Dörte Nicolaisen: Das andere Bauhaus. Otto Bartning und die Staatliche Bauhochschule Weimar 1926–1930. Kupfergraben-Verlagsgesellschaft, Berlin 1996, ISBN 3-89181-406-2.
  • Tilo Richter: Die Kreuzkirche in Chemnitz-Kaßberg. Ein Bau von Otto Bartning. Passage-Verlag, Leipzig 1996, ISBN 3-9805299-1-6.
  • Chris Gerbing: Die Auferstehungskirche in Pforzheim. Otto Bartnings Kirchenbau im Spannungsfeld zwischen Moderne und Traditionalismus. Schnell & Steiner, Regensburg 2001, ISBN 3-7954-1428-8.
  • Marcus Frings (Hrsg.): Die Sternkirche von Otto Bartning. Analyse, Visualisierung, Simulation. vdg, Weimar 2002, ISBN 3-89739-285-2. (mit CD-ROM)
  • Svenja Schrickel: Die Notkirchen von Otto Bartning – eine serielle Kirchenbauproduktion der Nachkriegszeit. Überlieferte Zeichen eines Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg ISSN 0342-0027, 34. Jahrgang 2005, Heft 4, Seite 201–213.
  • Chris Gerbing: Otto Bartning (1883–1959). Kirchenbauer, Architekt und Pädagoge zwischen Tradition und Moderne. In: Gerhard Schwinge (Hrsg.): Lebensbilder aus der badischen evangelischen Kirche, Band V: Kultur und Bildung. Verlag Regionalkultur, Heidelberg et al. 2007, S. 245–273.
  • Wilfried Limberg: Zur Kirche in Nove Mesto pod Smrkem. Eine Arbeitsnotiz der Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau (OBAK). In: Arbeitsstelle Gottesdienst der EKD, 23. Jahrgang 2009, Nr. 1, S. 50.[22]
  • Evangelische Gustav-Adolf-Kirchengemeinde in Berlin-Charlottenburg, Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau (OBAK) (Hrsg.): Die Gustav-Adolf-Kirche in Berlin-Charlottenburg und ihr Architekt Otto Bartning. Festschrift zum 75. Jahrestag der Einweihung. Balthasar-Verlag, Gifhorn 2009, ISBN 978-3-937134-51-2.[23]
  • Deutscher Wirtschaftsverlag (Hrsg.): Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft. Band 1, Berlin 1930.

Weblinks

 Commons: Otto Bartning – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans Prolingheuer: Hitlers fromme Bilderstürmer. Kirche & Kunst unterm Hakenkreuz. Köln 2001, ISBN 3-920862-33-3, S. 330, Anm. 232.
  2. a b c d Lebensdaten von Otto Bartning in einer Festschrift für die Gustav-Adolf-Kirche in Berlin. Hier: S. 18; abgerufen am 7. März 2010
  3. Für ein komplettes Werkverzeichnis der Sakralbauten siehe Immo Wittig: 53 Jahre Kirchenbau 1906-1959. Werkverzeichnis der Sakralbauten Otto Bartnings. In: „Ich habe mein Leben lang Kirchen gebaut.“ Zur Erinnerung an Otto Bartning. Arbeitsstelle Gottesdienst 23 (2009), ISSN 1619-4047, Seite 60–78.
  4. Berliner Baudenkmal Landhaus Miquelstraße
  5. Abbildung einer alten Ansichtskarte mit dem Hinweis auf Otto Bartning
  6. Berliner Baudenkmal Wohnhaus Im Dol
  7. Berliner Baudenkmal Verwaltungsbau Elektro-Thermit
  8. Berliner Flächenbaudenkmal Großsiedlung Siemensstadt; zusammen mit 7 weiteren Architekten
  9. Berliner Baudenkmal Gustav-Adolf-Kirche
  10. Berliner Baudenkmal Wohnhaus Bartning
  11. Berliner Baudenkmal Erste Kirche Christi Wissenschafter
  12. Berliner Baudenkmal Offenbarungskirche
  13. Berliner Baudenkmal Friedhofskapelle auf dem Dorotheenstädtischen Kirchhof
  14. Festschrift zur Einweihung des neuen Gemeindezentrums Delbrück/Westf. am 15. April 1973, Palmsonntag, S. 5.; vgl. ferner Schätze! Kirchen des 20. Jahrhunderts. München 2007. S. 53
  15. Berliner Baudenkmal Johanniskirche
  16. Berliner Baudenkmal Himmelfahrtkirche
  17. http://publicus.culture.hu-berlin.de/sammlungen/sammlung/808
  18. http://www.kunstgeschichte.architektur.tu-darmstadt.de/ku_ge/projekte_kuge/otto_bartning_archiv.de.jsp
  19. http://bauhaus2009.itsrv.de/cms/website.php?id=/de/bauhausorte/berlin.htm
  20. http://www.gustav-adolf-werk.de/pdf/GA-Blatt/2GA-Blatt_2_08_S.8-9.pdf
  21. http://www.sueddeutsche.de/immobilien/57/464655/text/
  22. [1]
  23. http://d-nb.info/996689508

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