Landerziehungsheim Schule Marienau

Landerziehungsheim Schule Marienau

Die Schule Marienau im Ortsteil Marienau der Gemeinde Dahlem ist ein Landerziehungsheim, das 1923 vom deutschen Reformpädagogen Max Bondy jüdischer Herkunft und seiner Frau Gertrud als Schulgemeinde zunächst in Gandersheim gegründet wurde, dann aber 1929 auf das Gut Marienau umzog.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Gründer Max Bondy war seit der Studienzeit vor dem ersten Weltkrieg von der deutschen Jugendbewegung und den Wandervögeln beeinflusst. Gemeinsam mit Ernst Putz hatte er 1919/20 im Sinntalhof in Brückenau bereits eine Schule gegründet. Seine Frau Gertrud war eine mit Sigmund Freud persönlich bekannte Wiener Psychoanalytikerin.

Gemeinsam führte das Ehepaar die Schulgemeinde, in der Schüler und Lehrer einen freundschaftlichen sozialen Korpus bilden sollten. Ziel der Pädagogik war es, die Schüler zu verantwortungsbereiten und sozial engagierten Menschen zu formen, „im starken Eingehen auf ihre Individualität“.

Nachdem nach der Machtergreifung das schulische Leben bereits erschwert worden war und sie als Judenschule angegriffen wurde, wurde Max Bondy 1937 die Erlaubnis entzogen, die Schule zu führen. Die Nationalsozialisten zwangsenteigneten seinen Besitz. Die ursprünglich zugesicherten 108.000 Mark wurden zum einen für Zwangstilgung von Hypotheken (58.000 Mark) verwendet, zum anderen auf einem Sperrkonto der Dresdner Bank (50.000 Mark) festgesetzt, um es dem Zugriff durch den jüdischen Eigentümer Bondy zu entziehen, der mittlerweile mit seiner Frau und seinen beiden Kindern über die Schweiz (Gland) 1939 in die USA (Lenox) geflohen war und dort mit seiner Frau die Windsor Mountain School gründete.

An Bondys Stelle übernahm am 2. April 1937 Bernhard Knoop die Leitung der Schule, der zuvor im Landerziehungsheim Schondorf am Ammersee wirkte. Von 1946 bis 1969 führte er gemeinsam mit seiner Frau Anneliese Knoop-Graf die Internatsschule, wenn auch konservativer als die Bondys.[1] Im Fokus stand eine musische Bildung auf hohem Niveau. In dieser Zeit entwickelten sich die Schule zu einem der führenden Internate in Deutschland.

Sein Nachfolger als Schulleiter war Günter Fischer.

1971 wurde ein gemeinnütziger Trägerverein gegründet.[2]

Bis 1985 blieb die jüdisch-reformpädagogische Geschichte der Schule allerdings weitgehend unbeachtet.[3] Obwohl Max Bondy versucht hatte, als Verfolgter des Nationalsozialismus sein ehemaliges Eigentum wieder zu erhalten, war ihm als mittlerweile amerikanischem Staatsbürger der Eigentumserwerb in Deutschland nicht ermöglicht. Er starb 1951 vor dem Ende der Wiedergutmachungsverhandlungen.

Aktuelle Entwicklung

Von 1986 bis 1999 leitete Wolf-Dieter Hasenclever die Schule und versuchte, mit seinem Ökologischen Humanismus[4] in der reformpädagogischen Arbeit an die Gründungszeit der Schule Marienau anzuknüpfen. Er war vorher Studienleiter an der Urspringschule gewesen. Unter seiner Leitung wurde 1989/90 auch das Max-Bondy-Haus gebaut. Es beherbergt das Schularchiv, in dem sich auch viele historische Materialien befinden, das von den Nachfahren der Bondys, der Familie Roeper, aus den USA zur Verfügung gestellt wurde.

Die deutsche Aussöhnung mit der Schoah und dem Antisemitismus wurde u. a. durch deutsch-israelische Austauschprogramme und Studienfahrten zu deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern präventions- und aufklärungspädagogisch erarbeitet.

Die Schule ist heute ein staatlich anerkanntes Gymnasium (Ersatzschule) mit Ganztagsbetreuung, das als reformpädagogische Internats- und Tagesheimschule geführt wird und daher auch zur Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime gehört.

Seit 2003 ist sie UNESCO-Projektschule und fühlt sich den Werten im Rahmen der UNESCO-Charta und –Verfassung verpflichtet. dazu gehören der positive Bezug zu den Menschenrechten, die internationale friedliche Verständigung, die Umwelterziehung und das interkulturelle Lernen.

In der Nachfolge von Hasenclever als Schulleiter wirkten Heike Thies, Axel Schmidt-Scherer und aktuell Heike Elz.

Die Schule hat derzeit eine Kapazität von 330 Schülerplätzen (150 im Internat und 180 im Tagesheim bzw. extern). Die durchschnittliche Klassenstärke liegt bei 16, die Obergrenze bei 22 Schülern.

Einzelnachweise

  1. Jens Bergmann: Das Lebenswerk des Max Bondy. In: Hamburger Morgenpost. vom 29. September 1999.
  2. Von der Privatinitiative zur öffentlichen Verantwortung: 25 Jahre gemeinnütziger Trägerverein Landerziehungsheim Marienau, 1996.
  3. Barbara Kersken: Archiv Schule Marienau. auf Historische Bildungsforschung Online:
  4. Wolf-Dieter Hasenclever (Hrsg.): Reformpädagogik heute. Wege der Erziehung zum ökologischen Humanismus. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 1993.

Literatur

  • Marienau. Fünfzig Jahre Landerziehungsheim 1929–1979, hrsg. von Schule Marienau (Redaktion: Bernhard Knoop), 1979.
  • Max Bondy: „Ich muß mich dann immer damit beschäftigen, bis ich es Euch gesagt habe.“ Reden an junge Deutsche (1926–1947). hrsg. von Schülern der Schule Marienau, Dahlem-Marienau 1998.

Weblinks


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