Liechtensteinische Mundarten

Liechtensteinische Mundarten

Liechtensteinische Mundart (Dialekt: Liachtaschtänerisch u.ä.) ist eine Sammelbezeichnung für die im Fürstentum Liechtenstein gesprochenen alemannischen Dialekte. Sie stehen nahe zu den Dialekten in Vorarlberg. Der größte Teil des Landes gehört zum hochalemannischen (nach Meinung einiger zum mittelalemannischen) Mundartraum, nur in der Gemeinde Triesenberg im Südosten wird ein höchstalemannischer Walserdialekt gesprochen. Die Mundartbeispiele werden in der Dieth-Schreibung wiedergegeben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtlicher Hintergrund

Das Gebiet des heutigen Fürstentum Liechtenstein wurde während der Römerzeit romanisiert. Das Romanische wurde im 13. Jahrhundert von Feldkirch her nach und nach von einem alemannischen Dialekt verdrängt. Es wird angenommen, dass die Deutsch-Romanische-Sprachgrenze um 1300 südlich von Balzers lag. Zur selben Zeit ließen sich in Triesenberg Walser nieder, die ihren alten Walserdialekt bis heute behielten, wenn auch gewisse Annäherungen der Dialekte im Laufe der Zeit stattfand. Das romanische Substrat ist noch im ganzen Gebiet besonders in Orts- und Flurnamen deutlich erkennbar.

Im späteren Mittelalter bildete sich im nördlichen Unterland die Herrschaft Schellenberg und im südlichen Oberland die Grafschaft Vaduz. Die Grenze der beiden historischen Territorien entspricht heute ungefähr die Dialektgrenze zwischen dem Unterländischen und dem Oberländischen.

Gliederung

Die Mundarten des Fürstentums Liechtensteins können in drei Dialekte gegliedert werden, was schon im Landesnamen selbst deutlich zum Vorschein kommt:

Das Unter- und das Oberländische werden (trotz nicht verschobenem /k/ im Wortanfang: Khua »Kuh«, was oft dem romanischen Substrat zugeschrieben wird) zum Hochalemannischen oder aber zum Übergangsgebiet des Mittelalemannischen[1] gerechnet, während das Walserdeutsch von Triesenberg zum Höchstalemannischen gehört, mit Verschiebung von anlautendem /k/ zum Frikativ (Chua). Das Unter- und das Oberländische stehen alles in allem den Mundarten Vorarlbergs näher als den Dialekten im St. Galler Rheintal.

Auffälligstes Merkmal zwischen Unter- und Oberländisch ist die Vertretung von Mittelhochdeutsch /ei/, das im Unterländischen als langes /oo/, im Oberländischen jedoch als langes /ää/ realisiert wird. Dazwischen liegt ein kleines Gebiet, wo, außer vor z.T geschwundenem Nasal, /aa/ erscheint. Im Walserischen in Triesenberg ist der Diphthong als /ei/ erhalten.

Im Oberländischen sind die mittelhochdeutschen Diphthonge /ie, üö, uo/ als /ie, üe, ue/ durchgehend erhalten, während sie im Unterländischen vor Nasal monophthongisiert wurden zu langem /ee, öö, òò/ mit nasalem Klang. Im Gegensatz hierzu wurden kurzes /i, ü, u/ vor /r/ im Unterländischen zu /ier, üer, uer/ diphthongiert, im Oberländischen wurden sie zu /er, ör, or/ gesenkt; im Walserdeutschen sind sie als /ir, ür, ur/ erhalten geblieben. Während im Unterländischen offene Silben konsequent gedehnt werden, geschieht dies im Oberländischen nur teilweise.

Das Walserdeutsche von Triesenberg zeigt typische Walser Eigenheiten mit vielen konservativen Zügen. Zu den bereits genannten Konservatismen gesellen sich noch der Erhalt von mhd. /â/ als langes /aa/ (sonst /òò/) und mhd. /ou/ als /òu/ (sonst /oo/), die erhaltenen Hochzungenvokalen in Hiat und Auslaut wie in frii, buue, nüü »frei, bauen, neu« sowie viele Besonderheiten in der Flexion, besonders beim Adjektiv und beim Verb. Auffällig ist z.B. der zweiformige Verbplural /-en, -ed, -en/, während das Unter- und das Oberländische den einformigen Verplural benutzen /-en, -en, -en/. Neuerungen des Walserdeutschen, die auch in der Mundart von Triesenberg vorkommen, sind Palatalisierung von /s/ in Wörtern wie Iisch »Eis«, schi »sie«, böösch »böse« oder Müüsch »Mäuse« oder der Sprossvokal in auslautendem /re/ für/-rn/ und /-rm/.


mhd. Unterland Oberland Triesenberg Deutsch
ei Schtòò Schtää Schtèi Stein
ei Òòcha, Aacha Äächa Èicha Eiche
ou Loob Loob Lòub Laub
ie Reema Riema Riema Riemen
uo Blòòma Bluema Bluema Blume
iu tüüff tüüff töuff tief
â Òòbet Òòbet Aabat Abend
i Weesa Wesa Wisa Wiese
ir Biera Bera Bira Birne
ur Tuerm Torm Tura Turm
or Kharn Khòrn Choora Korn
rn Hòrn Hòrn Hoora Horn
k- Khääs Khèès Chääs Käse
s Iis Iis Iisch Eis
nd Hunn Hund Hund Hund
 -  Umpòòssa Umbäässa Aamässa Ameise
 -  Wèschpl Wèschkì Wäschgi Wespe

Siehe auch

Literatur

  • Leo Jutz: Die Mundart von Südvorarlberg und Liechtenstein. Heidelberg 1925 (Germanische Bibliothek. Sammlung 1. Reihe 1. Bd. 15).
  • Leo Jutz: Vorarlbergisches Wörterbuch mit Einschluß des Fürstentums Liechtenstein, 2 Bände, Wien 1955–65 (Band 2 aus dem Nachlass, redigiert von E. Gabriel und E. Kranzmayer).
  • Philipp Albert Schaedler: Einiges über die Mundart der Talgemeinden Liechtensteins, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, 1915, Bd. 15, S. 5–74.
  • Arthur Gassner und Annie Hilbe: Der Walserdialekt in Triesenberg. Schaan 2009 [erweiterte Ausgabe von Arthur Gassner: Der Walserdialekt in Triesenberg. o.O. 1980].
  • Hans Stricker et al.: Liechtensteiner Namenbuch. Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Band 5 Lexikon. Vaduz 1999. ISBN 3-906393-25-9
  • Hans Stricker et al.: Liechtensteiner Namenbuch. Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Band 6 Einführung, Quellen, Register. Vaduz 1999 (besonders Seiten 65–86). ISBN 3-906393-25-9

Einzelnachweise

  1. Vgl. Peter Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Werner Besch u. a. (Hgg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, Berlin 1983, bes. S. 832−836 sowie Karten 47.4 und 47.5

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