Charles de Talleyrand

Charles de Talleyrand
Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, Portrait von François Gérard (1808)

Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord [ʃaʀl mɔˈʀis dətalˈʀɑ̃ peʀi'gɔʀ], (* 13. Februar 1754 (2. Februar julianischer Kalender) in Paris ; † 17. Mai 1838 ebenda) war einer der bekanntesten französischen Staatsmänner sowie Diplomat während der Französischen Revolution, der Napoleonischen Kriegen und beim Wiener Kongress. Für seine Verdienste erhielt er mehrere Adelstitel: 1806 Fürst von Benevent, 1807 Herzog von Talleyrand-Périgord und 1815 Herzog von Dino (duc de Dino).

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken des Diplomaten

Vorgeschichte

Talleyrand wurde am 2. Februar 1754 in Paris geboren und begann wegen einer körperlichen Versehrtheit sein Studium am Priesterseminar Saint-Sulpice: Wegen seines Klumpfußes war er untauglich für die Verwendung im Militärdienst; seiner hochadligen, aber verarmten Herkunft entsprechend blieb ihm also nur die Ausbildung in der Kirche, um höhere Ämter (Bischof, Kardinal) erlangen zu können. Die Herkunft seiner körperlichen Behinderung ist ungeklärt. Talleyrand selbst berichtet in seinen Memoiren, er sei als Kleinkind von der Kommode seiner Pflegerin gefallen; das Gebrechen sei zu spät behandelt worden, daher sei eine dauerhafte Beschädigung geblieben.[1] Neben dieser Variante existiert die These der ererbten Behinderung [2] - einige Internetquellen nennen das Marfansysndrom.[3]

Nach seinem Abschluss 1779 wurde er zum Priester geweiht. Seine erste Pfründe war die eines Abtes von Saint-Denis. 1780 machte man ihn zum Generalagenten des französischen Klerus sowie - für einen Mann seiner Herkunft überaus spät - 1788 zum Bischof von Autun. Als solcher wurde er nach einem nicht einmal vierwöchigen Aufenthalt an seinem Bischofssitz von den Mitgliedern seines Klerus zum Abgeordneten der kürzlich einberufenen Generalstände gewählt.

Französische Revolution und der Klerus

Während der Französischen Revolution von 1789 wechselte er vom Klerus in den Dritten Stand. Diesen vertrat er in den Generalständen und fügte sich so in die neu gebildete Nationalversammlung ein. Er war ein reformorientierter Politiker, was ihn zusehends vom Klerus entfernte. Deutlich wurde dies, als er sich für die Verstaatlichung von Kirchengut aussprach, um mit dem Verkaufserlös die Staatsschulden zu begleichen. In seiner Antragsvorlage begründete er die Konfiskation damit, dass die Kirche ihr Vermögen nur zur Ausübung von Ämtern, aber nicht als persönlichen Besitz erhalten habe. Für Talleyrand lag streng genommen also keine Enteignung vor. Seiner Ansicht nach gäbe es zwar zwei vom Staat zu achtende Grundfreiheiten: Freiheit und Eigentum. Dort wo das Eigentum jedoch soweit ginge, dass es das Naturgesetz verletze, da müsse es entfallen. Ferner auch dort wo der eigentliche Sinn des ursprünglichen Eigentumserwerb entfallen sei.[4] Des Weiteren trat er für habeas corpus, Meinungsfreiheit, das Postgeheimnis und die Gründung einer Reichsbank ein.[5]. Gewissen Standesdünkel legte er jedoch nie ab. So wünschte er eine konstitutionelle Monarchie mit einem Zweikammersystem wie in England.[6] 1791 leistete er einen Eid auf die neue Verfassung im Namen des Klerus und unterstellte sich somit dem Staat und dem Volk, was der Papst in Rom stark kritisierte. Pius VI. exkommunizierte Talleyrand und enthob ihn seiner Ämter. Talleyrand bezog dennoch für lange Zeit seine Einkünfte aus der Abtei Saint-Denis weiter.

Außenminister

Der "Wendehals" Talleyrand. Karikatur aus dem Jahr 1815. Die sechs Köpfe der Figur stehen stellen die sechs führenden Rollen dar, die er in sechs verschiedenen Regimen gespielt hat.

Talleyrand verließ 1792 am Vorabend der Schreckensherrschaft mit Hilfe von Danton, der ihm die erforderlichen Ausreisepapiere beschaffte, Frankreich - offiziell in diplomatischer Mission (dies ermöglichte ihm später die Rückkehr nach Frankreich, da er nicht mit dem Odium behaftet war, ein „Emigrant“ gewesen zu sein). Er ging zunächst nach England, wurde dort 1794 unter Pitt auf Druck der französischen Exilanten der ersten Stunde ausgewiesen und floh in die USA. Erst 1796 kehrte er nach Frankreich zurück und wurde 1797 durch das Direktorium unter Führung Paul de Barras als „Bürger“ Außenminister zum Nachfolger von Charles-François Delacroix berufen. Diese Stelle verdankte er als „ladies' man“ wesentlich der Fürsprache von Germaine de Stael.

Im Juli 1799 trat er zurück, wohl um sich nicht länger an das absehbar an sein Ende gelangte Direktorium zu binden und sich der neuen Kraft, Napoléon, zu empfehlen. Er war auf diesen aufstrebenden Mann aufmerksam geworden und begann diesen zu unterstützen. Napoléon erkannte Talleyrands Stärken in diplomatischen Angelegenheiten, sodass er nach dem Staatsstreich vom 9. November 1799 Talleyrand erneut zum Außenminister ernannte. Talleyrand war es, der maßgeblich an der Schaffung des napoleonischen Kaisertums beteiligt war. Er sorgte dafür, dass in dessen Gründungsjahr 1804 keine ausländische Macht ernsthaft Widerspruch dagegen einlegte.

Doch die Ansichten Napoléons und Talleyrands über das Wohl Frankreichs liefen auseinander. Immer wieder übte Talleyrand Kritik an den Plänen des Kaisers, z. B. gegen Preußen und Österreich in den Krieg zu ziehen. Die Kriegserklärung von 1805/06 offenbarte Talleyrands schwindenden Einfluss. Er war der Auffassung, Frankreich habe mit dem Friede von Amiens aus dem Jahr 1802 mehr als genug erreicht. Die Kritik wurde aber untragbar für die kaiserliche Regierung, so dass Talleyrand 1807 entlassen wurde.

Nachdem Napoléon 1815 endgültig gestürzt worden war, wurde er nochmals für kurze Zeit Außenminister Ludwigs XVIII., dem er zum Thron verholfen hatte, und vertrat nach dieser ersten Restauration der Bourbonen Frankreich zwar als Verlierermacht auf dem Wiener Kongress von 1814/15, doch handelte er geschickt erst ein Mitspracherecht, dann eine bedeutende Bündnisposition mit England und Österreich gegen Russland und Preußen aus, sodass die ehemalige Entente zerbrochen war. Kurz: Er schaffte es, als Vertreter der Verliererseite so günstige Bedingungen auszuhandeln, dass Frankreich keine Gebietsverluste erleiden musste. Sein größter Coup hier war wohl die Wiederherstellung der Grenzen von 1789.

Fürst von Benevent

Von 1809 bis 1815 war Talleyrand von Napoleons Gnaden souveräner Fürst von Benevent in Italien; seinen nebenher erbrachten verwalterischen Leistungen zollt sein Biograph Cooper (siehe unten) durchaus Lob.

Botschafter in Großbritannien

Als 1830 die Julirevolution ausbrach, war der Talleyrand ein entschiedener Befürworter des Königtums von Louis Philippe. Dieser schickte ihn dafür von 1830 bis 1834 als französischen Botschafter nach Großbritannien. Hier bewirkte er eine Verbesserung der stark gestörten Beziehungen der beiden Staaten. Sein letzter großer politischer Auftritt fand bei den Verhandlungen über die Unabhängigkeit des Königreiches Belgien statt. Durch Talleyrands großes Verhandlungsgeschick konnte am 4. Oktober 1830 Prinz Leopold Georg Christian Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld zum König Leopold I. von Belgien gewählt werden.

Tod

Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord starb am 17. Mai 1838 in Paris und wurde in der Kapelle seines Schlossgutes in Valençay begraben.

Erben

Universalerbin wurde seine langjährige Geliebte Dorothée de Talleyrand, die 1824 geschiedene Ehefrau seines Neffen Edmond de Talleyrand-Périgord, dem er auch einige Zuwendungen bestimmte.

Nachkommen

Talleyrand hatte keine ehelichen Kinder, wohl aber mehrere uneheliche. Das bekannteste dieser natürlichen Kinder war wohl Charles-Joseph de Flahaut, ein Offizier im Heer Napoléons, Liebhaber von dessen Stieftochter Hortense de Beauharnais und der Vater von Auguste de Morny, Halbbruder und wichtiger Berater Napoleons III. Talleyrands vielfach zitierte Vaterschaft im Falle von Eugene Delacroix ist umstritten. Vertreten wird die These von Talleyrand als Erzeuger des berühmten Malers u.a. von Franz Blei, Alfred Duff Cooper, 1. Viscount Norwich, und Orieux. Diese Autoren berufen sich dabei auf die physiognomische Ähnlichkeit von Talleyrand und Delacroix, die Unmöglichkeit der biologischen Vaterschaft von Delacroixs nominellen Vater, der zum Zeugungszeitpunkt infolge eines venerischen Gebrechens - das erst mehrere Monate nach der Zeugung behoben worden war - nicht zeugungsfähig war und auf die Förderung des jungen Delacroix durch einen anonymen aber mächtigen und finanzkräftigen Wohltäter.

Auszeichnungen und Ehrungen

  • 1804: Grand Aigle der Ehrenlegion
  • Helen-Violette de Talleyrand-Périgord, duchesse de Sagan (1915-2003), vorletztes Oberhaupt der älteren Linie der Familie Talleyrand-Périgord, die in zweiter Ehe mit dem Politiker, Kabinettschef Charles de Gaulles und Minister Gaston Palewski (1901-1984) verheiratet war, richtete in ihrem Schloss Le Marais in Le Val-Saint-Germain (Département Essonne, Region Île-de-France) ein Museum zu Ehren Talleyrands ein, das die verschiedenen Lebensabschnitte des Staatsmannes im geschichtlichen Zusammenhang aufzeigt.

Zugeschriebene Aussprüche und Bonmots

Obwohl er aktiv an der französischen Revolution beteiligt war, neigte Talleyrand doch zu einer gewissen Nostalgie für das Ancien Régime. Dies bestätigt sich in seiner oft zitierten Bemerkung: „Ceux qui n'ont pas connu l'Ancien Régime ne pourront jamais savoir ce qu'était la douceur de vivre.“ (Übersetzung: Wer nicht das Ancien Régime kannte, wird niemals wissen können, wie süß das Leben war.)

Der wohl berühmteste Ausspruch Talleyrand's:
''klug und fleißig — gibt's nicht;
klug und faul — bin ich selbst;
dumm und faul — für Repräsentationszwecke noch ganz gut zu gebrauchen;
dumm und fleißig — davor behüte uns der Himmel!''

Auch der Ausspruch „Der Kaffee muss heiß wie die Hölle, schwarz wie der Teufel, rein wie ein Engel und süß wie die Liebe sein.“ soll von Talleyrand sein.

Als Napoleon den Duc d´Enghien hinrichten ließ, der verdächtigt wurde, gegen die Republik gekämpft zu haben, sagte Talleyrand (oder der Polizeiminister Fouché): „C´est pire qu´un crime, c´est une faute“ (Übersetzung: Das ist mehr als ein Verbrechen, das ist ein Fehler)

Als der spanische Gesandte Izquiero im Jahre 1807 Talleyrand an ein Versprechen erinnerte, erwiderte ihm Talleyrand in Abwandlung eines Ausspruchs von Voltaire: „La parole a été donnée à l´homme pour déguiser sa pensée“ (Übersetzung: Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen, bei Voltaire heißt es: Les hommes ne se servent de la pensée que pour autoriser leur injustices et n'emploient les paroles que pour déguiser leurs pensées.)

Siehe auch

Literatur (Auswahl)

  • Sachbücher
    • Duff Cooper: Talleyrand,Frankfurt am Main 1982. ISBN 3-458-32097-0.
    • Philipp G. Dwyer: Charles-Maurice de Talleyrand. A Bibliography, Westport, Connecticut 1996. ISBN 0-313-29354-6.
    • Philipp G. Dwyer: Talleyrand, Harlow 2002. ISBN 0-582-32384-3.
    • Georges Lacour-Gayet: Talleyrand,Paris 1991. ISBN 2-228-88296-8.
    • Jean Orieux: Talleyrand. Die unverstandene Sphinx, Frankfurt/M. 1991. ISBN 3-596-25657-7.
    • Emmanuel de Waresquiel: Talleyrand. Le Prince immobile, Paris 2003. ISBN 2-213-61326-5.
    • Bernard, J. F.: Talleyrand - Diplomat - Staatsmann - Opportunist, München 1989.
  • Belletristik
    • Mirko Jelusich: Talleyrand. Roman, Wien 1978. ISBN 3-218-00311-3.
    • Andrew Johnston: Talleyrand oder die feine Kunst der Intrige, Wien 1999. ISBN 3-203-78788-1.
    • Rosie Waldeck: Venus am Abendhimmel. Talleyrands letzte Liebe, Hamburg 1996. ISBN 3-499-13915-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Cooper, Duff: Talleyrand Berlin 1950, S. 19.
  2. Bernard, JF: Talleyrand, München 1989 S. 9. - Vertritt diese These aber nicht.
  3. So z.B. http://www.talleyrand.be, http://www.marfan.ch
  4. Cooper, Duff: Talleyrand, Berlin 1950, S. 30.
  5. Cooper,a.a.O. S. 30.
  6. Bernard, JF: Talleyrand, München 1989, S. 79.

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