Chemiekombinat Majak

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Die Kerntechnische Anlage Majak (russisch Маяк für Leuchtturm) ist eine kerntechnische Anlage in Russland, in der Oblast Tscheljabinsk bei Osjorsk bzw. Kyschtym. Früher wurde die Anlage als Tscheljabinsk-65 bezeichnet.

Im „Chemiekombinat Majak“ wurde während der Sowjetzeit der Hauptteil des waffenfähigen Plutoniums für die Kernwaffen-Produktion gewonnen. Die Gesamtfläche des Geländes von Majak umfasst etwa 90 km². Der Kern der Anlage mit den Reaktoren hat jedoch nur eine sichtbare Fläche von einigen Hektar. Ein Großteil dieser Anlage ist unterirdisch angelegt.

Das Ende der 1940er Jahre in Betrieb gegangene Majak beschäftigte zeitweise bis zu 17.000 Menschen. Auf dem Gelände befinden sich heute unter anderem eine Wiederaufarbeitungsanlage, sieben Reaktoren, von denen zwei betriebsfähig sind, und ein Lager für radioaktive Abfälle.

Inhaltsverzeichnis

Unfälle und Umweltzerstörung

Durch die Fabrik wurden teils große Mengen an radioaktivem Material freigesetzt, unter anderem durch den Kyschtym-Unfall im Jahr 1957. Die Folgen werden zur Zeit im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung „Southern Urals Radiation Risk Research“ (SOUL) untersucht.

Wasserkontamination

Vor allem in den ersten Jahren der Plutoniumproduktion wurde kontaminiertes Wasser in den Fluss Tetscha (oder Techa) eingeleitet, aus dem die 120.000 Bewohner der Region teilweise ihr Trinkwasser bezogen.[1]

29. September 1957: Der Kyschtym-Unfall

Die bei der Aufbereitung entstehenden Rückstände enthalten einen hohen Anteil an radioaktiven Nukliden. Diese wurden in großen Tanks zwischengelagert. Dabei entsteht durch den radioaktiven Zerfall der Stoffe Wärme – die Tanks müssen deshalb gekühlt werden. Nachdem im Laufe des Jahres 1956 die Kühlleitungen eines dieser 250 Kubikmeter fassenden Tanks undicht geworden waren und deshalb die Kühlung abgestellt wurde, begannen die Inhalte dieses Tanks zu trocknen. Am 29. September 1957 explodierten die auskristallisierten Nitratsalze, ausgelöst durch einen Funken eines internen Kontrollgeräts (also eine chemische, keine nukleare Explosion), und große Mengen an radioaktiven Stoffen wurden freigesetzt – darunter langlebige Isotope wie Strontium-90, Cäsium-137 und Plutonium-239 (Halbwertszeiten 29, 30, bzw. 24.110 Jahre). Die Explosion soll laut Zeugenberichten als leuchtender Schein noch hunderte Kilometer entfernt gesehen worden und in damaligen sowjetischen Zeitungen als Wetterleuchten beziehungsweise Nordlicht erklärt worden sein. Die durch die Explosion freigesetzte radioaktive Wolke zog von der Anlage etwa 400 Kilometer in nordöstliche Richtung (sog. "Uralspur").

Insgesamt wurde durch den Unfall nach Angaben der Produktionsfirma Majak und der Behörden Materie mit einer Radioaktivität von 4 · 1017 Becquerel über einen Bereich von etwa 20.000 Quadratkilometern verteilt. Der Unfall ist damit von der Menge der freigesetzten Strahlung her vergleichbar mit der Tschernobyl-Katastrophe.[2][3] Nach Angaben des Helmholtz Zentrum München wurden die Auswirkungen des Unfalls lange Zeit unterschätzt.[1]

25. Oktober 2007: Radioaktiver Abfall ausgelaufen

Nach offiziellen russischen Angaben wurde am 25. Oktober 2007 aus der Wiederaufbereitungsanlage Majak erneut Radioaktivität freigesetzt, allerdings soll es weder Verletzte noch eine Beeinträchtigung für die Umwelt gegeben haben. Flüssiger radioaktiver Abfall sei aus einem Tank eine Straße über eine Distanz von 1,5 km entlang gelaufen. Als offizieller Grund wurde angegeben, dass Sicherheitsregeln nicht genügend umgesetzt worden seien. Die Erde entlang dieser Straße sei abgetragen und unterirdisch versiegelt worden. [4]

Majak und Tschernobyl

Aufgrund der Betroffenheit Westeuropas und der damit verbundenen umfangreichen Medienberichterstattung über den Reaktorbrand in Tschernobyl sowie der jahrzehntelangen strengen Geheimhaltung des Majak-Unfalls wird die Reaktorkatastrophe von 1986 auch heute noch von vielen als gravierendster Nuklearunfall gesehen. Auch weil die Kontamination sich regional auf den Ural beschränkte und daher keine messbaren Effekte durch radioaktiven Niederschlag in Westeuropa feststellbar waren, war der Unfall in Majak der Weltöffentlichkeit bis in die 1970er Jahre unbekannt. Die ersten Informationen gelangen durch einen Artikel im New Scientist des sowjetischen Journalisten und Dissidenten Schores A. Medwedew 1976 an die westliche Öffentlichkeit.[5] 1979 publizierte Medwedew seine Berichte und Analysen in dem Buch „Nuclear Disaster in the Urals“. Im selben Jahr erschien die deutsche Übersetzung mit dem Titel: „Bericht und Analyse der bisher geheimgehaltenen Atomkatastrophe in der UdSSR“. Die sowjetische Führung gestand erst 1989 die Geschehnisse offiziell ein.[6]

Die Verstrahlung der Gegend wird nach unterschiedlichen Quellen mit zwischen 8 · 1017 und 4 · 1018 Bq angegeben, dies ist die doppelte bis sechsfache Menge des in Tschernobyl freigesetzten Materials. In der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse stellt der Unfall von 1957 ein Ereignis der zweithöchsten Kategorie 6 dar, wohingegen der Super-GAU in Tschernobyl das einzige Ereignis der höchsten Kategorie 7 ist.

Im Unterschied zu Tschernobyl wurde das Material nur lokal und regional verteilt. Es wurde auch durch mangelnde Aufklärung, nur sporadische Evakuierung der Gegend und unzureichende Entseuchung ein deutlich größeres Maß an Schäden und insbesondere Folgeschäden in der betroffenen Region verursacht. Entscheidend dafür war nebst dem offenbar größeren Quellterm (Menge der freigesetzten Radioaktivität) vor allem auch, dass der heftige Graphitbrand in Tschernobyl einen Großteil der Radionuklide hoch in die Atmosphäre hinauf beförderte, während hier aufgrund geringerer Thermik eine eher bodennahe Wolke entstand. Eine genaue Opferzahl kann kaum angegeben werden, da über Jahrzehnte Informationen zurückgehalten wurden und die Belastung andauert.

Majak heute

Am 1. Januar 2003 wurde der Betrieb der Atomanlage von russischen Behörden gestoppt. Der benachbarte Karatschai-See gilt heute als einer der am stärksten verschmutzten Orte der Erde. Die radioaktive Verstrahlung der Region ist Untersuchungsgegenstand des mehrjährigen Forschungsprojekt „Southern Urals Radiation Risk Research“ (SOUL). An SOUL sind vier russische und elf westliche Projektpartner beteiligt, darunter das Bundesamt für Strahlenschutz, die Technische Universität München, das Karolinska Institutet, die Aristoteles-Universität Thessaloniki, die Universität Leiden, die Universität Palermo, die University of Florida sowie Gesundheitsbehörden mehrerer Länder. Die Koordination obliegt dem Helmholtz Zentrum München.[7]

Siehe auch

Quellen

  1. a b Helmholtz Zentrum München: 50 Jahre Strahlenunfall von Kysthym (PDF, 55 kB), Interview mit Dr. Peter Jacob, 25. September 2007
  2. Richard Stone: „Retracing Mayak's Radioactive Cloud“. In: Science. 283, Nr. 5399, 1999, S. 164 (doi:10.1126/science.283.5399.164). 
  3. Helmholtz Zentrum München: Hintergrundinformation: 50 Jahre Strahlenunfall von Kysthym, Presseinformation vom 25. September 2007
  4. NZZ: Radioaktivität bei russischer Atomanlage Majak ausgetreten (vom 29. Oktober 2007)
  5. Heinz-Jörg Haury: Erster schwerer Atomunfall. Die Spur von Majak. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. September 2007
  6. Henning Sietz: Das Menetekel von Majak. Die Zeit, 16. August 2007
  7. Southern Urals Radiation Risk Research - Contractors

Weblinks

55.712560.8480555555567Koordinaten: 55° 42′ 45″ N, 60° 50′ 53″ O


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