Neue Kirche (Emden)

Neue Kirche (Emden)
Neue Kirche (1648), evangelisch-reformiert

Die Neue Kirche in Emden (Ostfriesland) ist eine reformierte Predigtkirche. Sie wurde in den Jahren 1643–1648 als erster nachreformatorischer Kirchenbau in Norddeutschland im gemäßigten Barockstil errichtet. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie bis auf die Außenmauern zerstört und anschließend in abgewandelter Form wieder aufgebaut.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Grundriss der Neuen Kirche mit der Bestuhlung von 1818

Die Stadt Emden hatte um die Mitte des 17. Jahrhunderts schätzungsweise 20.000 Einwohner, darunter zwischen 5.000 und 6.000 niederländische Flüchtlinge. Längst reichten die Kirchen der Stadt dafür nicht mehr aus. 1642 beschlossen Magistrat und Kirchenrat der Stadt den Bau eines dritten Gotteshauses (nach der Großen Kirche und der Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters). Diese sollte in Faldern errichtet werden. Der Ort war seit 1570 ein Stadtteil von Emden. Eine Kirche fehlte hier bislang.

Planung und Bauleitung wurden dem Emder Ratsbaumeister Martin Faber übertragen. Der gebürtige Emder hatte sich lange in Italien, Frankreich und in den Niederlanden aufgehalten und dort seine Ausbildung vertieft. Insbesondere in Rom hatte er als Baumeister und Maler gewirkt.[1] Inmitten des Dreißigjährigen Krieges, in dem das übrige Ostfriesland große Not zu leiden hatte, wurde die Kirche in den Jahren 1643 bis 1648 erbaut. Finanziert wurde der Bau ausschließlich durch Spenden. Zunächst hatte sie keine Bestuhlung, die Gottesdienstbesucher standen während der Predigten. 1818 wurden eine erste Orgel und ein festes Kastengestühl eingebaut.

Am 6. September 1944 wurden bei der schwersten Bombardierung Emdens während des Zweiten Weltkrieges mehr als 80 Prozent des Stadtgebiets zerstört. Auch die Neue Kirche wurde stark in Mitleidenschaft gezogen und brannte bis auf die Grundmauern nieder. In den Jahren 1949/50 wurde die Kirche mit stark verändertem Innenraum wieder errichtet. So wurde ein Versammlungsraum in das Gebäude eingebaut, die Konsistorienkammer. Anstelle des ursprünglichen Tonnengewölbes wurde eine Flachdecke eingezogen. Durch diese Deckenkonstruktion wurde der Lichteinfall in der Kirche stark verändert, da die großen Rundfenster in den drei Giebeln nun auf den Dachboden ausgerichtet sind, der als Bibliothek genutzt werden sollte, was aber nur zeitweilig umgesetzt wurde.[2]

1998 wurde der 350. Jahrestag des Kirchenbaus begangen und im selben Jahr der Bauverein gegründet, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Kirche in ihrer ursprünglichen Form zu gestalten.[2]

Baubeschreibung

Das Äußere

Die Neue Kirche im Jahre 1826

Die Kirche wurde im Stil des Barock errichtet. Sie ist ein roter Backsteinbau mit hellen Werksteingliederungen. In ihrem Inneren birgt sie einen für den frühen protestantischen Kirchenbau einmaligen Predigtraum mit zentralistischer Tendenz.[3]

Bei den Plänen für die Neue Kirche in Emden orientierte sich Faber am Vorbild der 1621-23 in Amsterdam als Zentralbau errichteten Noorderkerk, gestaltete den Bau jedoch noch konsequenter im Sinne der calvinistischen Lehre.[4] Grundlage der Norderkerk war das Griechische Kreuz, das Faber für die Kirche in Emden leicht abwandelte. Hier verzichtete er auf den südlichen der vier gleich langen Kreuzarme, da ein besonderer Chor nicht gewünscht war. Dieser Arm ist zu einem Risaliten verkürzt. Dies war im Barock ein beliebtes Mittel zur Fassadengliederung. Zudem konnte das Gebäude so in seiner größten Längsausdehnung, also Ost-West, parallel zur Brückstraße angeordnet werden. Die drei Arme des Kreuzes sind in ihrem Abschluss identisch. Die Außenwände werden durch je zwei Rundbogenfenster gegliedert und sind etwas über die Dachfläche gezogen. In den Giebeln, die mit einem Tympanon abgeschlossen werden, befindet sich jeweils ein Kreisfenster.

Den so entstandenen T-förmigen Grundriss löste Faber durch niedrigere Anbauten in den Winkeln auf. Hier befinden sich die Eingangsportale und die Treppen zu den Emporen. Über dem zentralen Schnittpunkt des Kreuzes befindet sich ein aufragender sechseckiger Dachreiter mit Galerie und Laterne. Er wird durch eine Nachbildung der Kaiserkrone Rudolph II. bekrönt. Damit unterstrichen die Emder ihre Autonomie und ihre (nie erreichte) Reichsunmittelbarkeit, ordneten sich also nur dem Kaiser, nicht aber dem ostfriesischen Landesherrn unter. Der über der Krone sitzende Hahn ist ein Zeichen für eine reformierte Kirche.

Das Innere

Die Vierung des Gebäudes ist ein quadratischer Raum, der durch dorische Doppelsäulen am Schnittpunkt der Kreuzarme und gleichartige Halbsäulen als Wandvorlagen an der Südwand gebildet wird. Ursprünglich wurde er oben durch ein Kreuzrippengewölbe der sich durchdringenden Holztonnengewölbe abgeschlossen.[5]

Kanzel und Abendmahlstisch wurden an der Mitte der Südwand angeordnet. Das Kirchengestühl ist im Sinne einer Predigtkirche so gruppiert, das von überall der Blick auf die Kanzel an der Südwand fällt. Einen Altar gibt es hingegen nicht, da nach dem reformierten Verständnis des Abendmahles am Altar kein Opfer dargebracht wird.

Ausstattung

Der Großteil der ursprünglichen Einrichtung der Neuen Kirche ist im Krieg verbrannt. Die heutige Einrichtung ist, bis auf den Taufstein, die Kronleuchter und zwei Grabplatten, modern.[6]

Taufstein

Der Taufstein der Neuen Kirche stammt aus der Kirche in Jennelt. Er wurde vermutlich in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts aus Bentheimer Sandstein geschaffen und mit schlichten Ranken mit Blättern, die durch inzwischen stark verwitterte Tauornamente begrenzt wurden, verziert. Getragen wird das Becken von Löwen, deren Köpfe in der Neuen Kirche jedoch abgeschlagen sind.

Kronleuchter

Der mittlere Kronleuchter wurde der Kirche zu ihrer Fertigstellung 1648 von der Böttcherzunft gestiftet. Er zeigt eine Hand mit einem so genannten Kuiper-Hammer, dem Handwerkszeichen der Böttcherzunft. Diese „Kuiper-Krone“ ist ein Geschenk der Zunft an die Kirche.

Grabplatten

An der Nordwand des Innenraums der Kirche befinden sich die gut erhaltene schwarze Grabplatte von Martin Faber und die weiße Alabastergrabplatte des Emder Kaufmanns und Ratsherrn Cornelius Budde. Sie überstanden die Zerstörung der Kirche ohne große Beschädigungen.

Die schwarze Grabplatte stammt vom Grab des Architekten der Kirche, Martin Faber, die weiße Alabasterplatte trägt den Namen des Emder Kaufmanns und Ratsherrn Cornelius Budde.

Orgel

Die erste Orgel wurde von Johann Wilhelm Timpe (Groningen) im Jahr 1818 auf der Nordempore erbaut und verfügte über 30 Register auf zwei Manualen und Pedal. Durch einen Bombenangriff 1942 war das Instrument stark beschädigt und nur noch teilweise spielbar. Dieser Zustand verschlimmerte sich im folgenden Jahr noch, da die Orgel aufgrund der zerstörten Fenster dem Staub und der Witterung ausgesetzt war. 1944 wurde die Orgel mit der Kirche zerstört. Nach dem Wiederaufbau hatte die Neue Kirche zunächst keine Orgel. Anfangs wurde der Gemeindegesang im sonntäglichen Gottesdienst zunächst drei Jahre lang vom Singkreis, gelegentlich auch vom Posaunenchor angeführt. Ab Mitte der 1950er Jahre gab es Planungen, in der Kirche ein neues Instrument aufzustellen. Dieses sollte von der Firma Paul Ott aus Göttingen gebaut werden. Geplant war eine Orgel von 20 Registern auf 2 Manualen und Pedal. Ende 1956 wurde das Rückpositiv geliefert, das jedoch im Februar 1957 wieder abgebrochen wurde. Ausschlaggebend waren Streitigkeiten über die Lieferzeit, die Konzeption des Hauptwerks und die genaue Platzierung des Rückpositivs in der Emporenbrüstung.[7]

Anschließend trat der Kirchenrat an den Berliner Orgelbauer Karl Schuke heran, der das heutige Instrument am 24. August 1958 seiner Bestimmung übergeben konnte.[8] Die Disposition lautet wie folgt:[9]

I Hauptwerk C–g3
Praestant 8′
Rohrflöte 8′
Oktave 4′
Superoktave 2′
Mixtur IV-V
Dulcian 16′
Trompete 8′
II Positiv C–g3
Gedackt 8′
Praestant 4′
Koppelflöte 4′
Gedackt 2′
Quinte 11/3
Sesquialtera II
Scharf IV-V
Pedal C–f1
Praestant 16′[Anm. 1]
Oktave 8′
Oktave 4′
Mixtur V
Posaune 16′
Schalmei 4′
Anmerkungen
  1. Aus Kupfer.

Siehe auch

Literatur

  • Robert Noah: Gottes Häuser in Ostfriesland , Norden, 1989, ISBN 3922365809
  • G. Bakker: Die Neue Kirche in Emden. Modulare Planung und Durchführung einer Bauidee im 17. Jahrhundert, (1998)
  • C.Züchner: Über Zeiten und Räume. Aus der Geschichte der Ev.-ref. Gemeinde Emden, (1997).

Weblinks

 Commons: Neue Kirche (Emden) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karl-Ernst Behre, Hajo van Lengen: Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft. Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0, S. 277.
  2. a b neue-kirche.de: Bauverein, gesehen am 20. September 2011.
  3. Karl-Ernst Behre, Hajo van Lengen: Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft. Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0, S. 278.
  4. Professor Dr. Dr.-Ing. E. h. Gottfried Kiesow, monumente-online.de: Die reine Lehre und die Macht der Bilder, gesehen am 20. Januar 2010.
  5. Dr. Hans-Peter Glimme: Die aufgenommenen Traditionen in der Neuen Kirche Emden, in: Baubrief- Mitteilungen aus dem Bauverein Neue Kirche Emden e.V., Ausgabe 2 / 2007.
  6. Monika van Lengen: 2. Kammerkonzert Samstag 18. Juli 20:00 Uhr Ev.-ref. Neue Kirche Emden, gesehen am 20. Januar 2010
  7. Ralph Nickles: Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Hauschild Verlag, Bremen 1995, ISBN 3-929902-62-1, S. 373–384.
  8. Katharina Marburg-Herlyn: Die Schuke-Orgel in der Neuen Kirche in: Baubrief- Mitteilungen aus dem Bauverein Neue Kirche Emden e.V., Ausgabe 3/2005.
  9. Ralph Nickles: Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Hauschild Verlag, Bremen 1995, ISBN 3-929902-62-1, S. 495.
53.3675777.2143

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