Polnische Botschaft in Berlin

Polnische Botschaft in Berlin
Die Polnische Botschaft Unter den Linden wird derzeit renoviert.

Die Polnische Botschaft (Ambasada Polska) in Berlin ist die diplomatische Vertretung der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland. Das derzeitig genutzte Gebäude befindet sich im Berliner Ortsteil Grunewald, der Hauptsitz bis 1994 war Unter den Linden 70–72 und soll es auch wieder werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Polnische Vertretung bis zum Zweiten Weltkrieg

Botschafter Józef Lipski bei der Eröffnung des Deutsch-Polnischen Instituts 1935 (rechts neben Göring)

Infolge der polnischen Teilung besaß Polen zwischen 1795 und 1918 keine staatliche Souveränität, und daher auch keine diplomatischen Vertretungen. Nachdem 1917/1918 alle der drei Teilungsmächte den Ersten Weltkrieg verloren hatten bzw. im Revolutionschaos versanken, erlangte Polen 1919 mit dem Versailler Vertrag als Zweite Polnische Republik seine Souveränität zurück. Die neugebildete polnische Gesandtschaftskanzlei in Berlin residierte in der Kurfürstenstraße 136 in Berlin-Schöneberg,[1] das Konsulat direkt daneben in der Kurfürstenstraße 137[2] an der Ecke zur Motzstraße (bzw. 1934–1998 Mackensenstraße, heute: Else-Lasker-Schüler-Straße).[3] Polnischer Gesandter in Berlin war zur Zeit der „Machtergreifung“ Alfred Wysocki, der noch 1933 als Gesandter nach Rom wechselte. Er wurde am 18. Oktober 1933 von Józef Lipski abgelöst (später zum Botschafter ernannt), der den Posten bis zum Krieg gegen Polen 1939 innehatte.[4]

Nach der Zerschlagung Polens 1939 mit der Aufteilung in Generalgouvernement und in das Deutsche Reich bzw. die Sowjetunion eingegliederte Gebiete konfiszierte das Deutsche Reich die Gebäude in der Kurfürstenstraße und nutzte sie für die Deutsche Informationsstelle,[5] eine Propagandaabteilung des Auswärtigen Amtes unter Joachim von Ribbentrop in Stiftungsform.[6] Das Generalgouvernement unter Hans Frank unterstand direkt Hitler, und hatte insofern keine diplomatische Vertretung in Berlin.

Polnische Militärmission

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs richtete Polen 1945 in Berlin eine Militärmission ein, die bei der Alliierten Hohen Kommission akkreditiert war. Die polnische Militärmission hatte ihren Sitz in Berlin-Grunewald in der Lassenstraße 19–21. Im Jahr 1946 arbeitete dort für einige Monate der Publizist Marcel Reich-Ranicki in einer eher untergeordneten Position.

Im Mai 1957 übernahm Wladyslaw Tykocinski, vorher Kabinettschef im Polnischen Außenministerium, die Leitung der Polnischen Militärmission in West-Berlin.[7] Nach sieben Jahren verließ Tykocinski unter aufsehenerregenden Umständen seine Posten, indem er am 16. Mai 1965 zu den Amerikanern überlief.[8] In Befragungen machte er danach Aussagen über die nachrichtendienstliche Nutzung der Militärmission, wofür er 1966 in Warschau in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Unter anderem sagte er aus, dass von den Mitte der 1960er Jahre etwa 50 Mitarbeitern der Militärmission knapp 40 nachrichtendienstliche Aufgaben wahrnahmen, hauptsächlich für den Urząd Bezpieczeństwa (UB).[9]

Das Botschaftsgebäude in der DDR-Zeit

Botschaft von Polen an der Luisenstrasse 1958 vor dem Umzug in den Neubau

Nachdem der Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, am 12. Oktober 1949 in seiner ersten Regierungserklärung mitteilte, dass die DDR die Westgrenze Polens endgültig anerkennt, erkannte Polen am 18. Oktober 1949 die DDR an und nahm mit ihr diplomatische Beziehungen auf. Die Volksrepublik Polen bezog zunächst ein 1830 erbautes Mietshaus in der Luisenstraße 13/14,[10] erhielt 1964 von der DDR ein gerade fertiggestelltes Gebäude in der Straße Unter den Linden 70–72 zur Nutzung. Es handelt sich um einen Neubau, der den vorhandenen historischen Gebäuden in der Traufhöhe angepasst wurde, weil die frühere Bebauung an dieser Stelle am Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört worden war. Der Stahlskelett-Bau mit vorgehängter Metall- /Glasfassade und farbigen Brüstungsfeldern unterhalb der Fenster in den Obergeschossen wurde vom Architektenkollektiv unter Emil Leybold und Christian Seyfarth entworfen.

Der Lindenschmuck von Fritz Kühn an der Fassade (1969)

244 Blätter aus Stahl, entworfen und ausgeführt vom Metallkünstler Professor Fritz Kühn, schmücken den Eingang zur Botschaft. Als Clou erhielt das Schmuckrelief einen kleinen Vogel, der sich auf ein Lindenblatt niedergelassen hat. Die gefalteten Metallkreise mit eingeätzten stilisierten Lindenblättern stellen einen Bezug zur Straße her. Das fünfgeschossige Gebäude steht mittlerweile unter Denkmalschutz.[11]

Vorübergehende Botschaft in Grunewald

Lassenstraße 19–21 in Grunewald, ehemals Sitz der Polnischen Militärmission und derzeitiger Sitz der Botschaft

Mit der deutschen Wiedervereinigung und dem bald darauf gefassten Beschluss zum Umzug der deutschen Regierung von Bonn nach Berlin (Berlin/Bonn-Gesetz) hatte der polnische Staat vor, auf dem Gelände Unter den Linden 70–72 einen Neubau zu errichten und schrieb 1998 einen Architektenwettbewerb aus. Die siegreichen Ideen der polnischen Architekten Budzynski, Badowski und Kowalewski sahen vor, das vorhandene Stahlskelett mit neuen Naturstein- und Kupfer-Fassadenelementen zu verkleiden und das Bauwerk mit einem Kupferdach abzuschließen. In der Gebäudetiefe war ein mehretagiger Gartenhof geplant. Ab 1994 wurde das Haus in Berlin-Mitte leergezogen und der Botschafter nahm mit seinen Mitarbeitern ein Ausweichquartier in einer Villa im Ortsteil Berlin-Grunewald in Nutzung. Doch das Neubauprojekt fand erst nach dreimaliger Überarbeitung, nach der nun die Straßenfront mit einer Sandstein-Lochfassade und der Aufbringung von Namensreliefs berühmter Polen sowie statt eines geschlossenen Erdgeschosses gläserne Fenster und eine Gliederung durch Kupferpaneele vorsehen, die Zustimmung der Senatsbauverwaltung. Am 27. Januar 2004 gab die polnische Regierung allerdings den Verzicht auf einen Neubau bekannt (ohne Gründe) und will stattdessen das Baudenkmal sanieren und dann wieder als Hauptsitz der Botschaft nutzen.[12] In den vergangenen sechs Jahren ging die Arbeit jedoch nur schleppend voran.

Das Behelfsquartier befindet sich in einer Villa in Berlin-Grunewald (Lassenstraße 19–21), ehemals Sitz der Polnischen Militärmission. In der Nachbarschaft (Richard-Strauss-Straße 11) ist die Konsularabteilung der Botschaft ansässig.

Botschaftsarbeit und Struktur

Die Botschaft unterhält folgende Abteilungen:

  1. Politik,
  2. Öffentlichkeitsarbeit,
  3. Presse,
  4. Verteidigung,
  5. Wirtschaft,
  6. Handel und Investitionen[13] und
  7. Konsularangelegenheiten,

denen jeweils ein Attaché vorsteht. Der Verantwortungsbereich umfasst die offiziellen gegenseitigen Vereinbarungen, den Austausch von Delegationen auf den verschiedenen Gebieten, die Unterstützung der in Deutschland lebenden polnischen Bürger, die Koordinierung der Tätigkeit der drei polnischen Institute in Deutschland (Berlin: Burgstraße 27, Berlin-Mitte;[14] Düsseldorf: Citadellstraße 7[15] und Leipzig: Markt 10)[16] und vieles andere mehr. Der Botschaft gehören derzeitig (Stand: März 2010) zehn Personen an.

Weblinks

 Commons: Polnische Botschaft in Berlin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Berliner Adressbuch 1922, unter Benutzung amtlicher Quellen. Scherl, Berlin 1922, Teil III. (Behörden), S. 6.
  2. Berliner Adressbuch 1938, unter Benutzung amtlicher Quellen. Scherl, Berlin 1938, Teil IV. (Straßen), S. 1559.
  3. Mackensenstraße in Berlin-Schöneberg bei Luise Berlin.
  4. Alfred Kube: Pour le Mérite und Hakenkreuz. Oldenbourg, München 1987, ISBN 978-3-486-53122-0, S. 104.
  5. Berliner Adressbuch 1941, unter Benutzung amtlicher Quellen. Scherl, Berlin 1941, Teil IV. (Straßen), S. 1572.
  6. Peter Longerich: Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop. Oldenbourg, München 1987, ISBN 3-486-54111-0, S. 52.
  7. Wladyslaw Tykocinski. In: Der Spiegel Nr. 21/1957 vom 22. Mai 1957.
  8. Mission beendet. In: Der Spiegel Nr. 22/1965 vom 26. Mai 1965.
  9. Testimony of Wladyslaw Tykocinski. Hearing, Eighty-Ninth Congress, Second Session. April 6, 1966. U.S. Government Printing Office, Washington 1966.
  10. Baudenkmal Mietshaus am Karlsplatz
  11. Baudenkmal Polnische Botschaft UdL 70–72
  12. Information auf baunetz.de vom 28. Januar 2004: Anders überlegt. Neue Botschaft wird nicht gebaut; abgerufen am 23. März 2010
  13. Homepage der Abt. Handel und Investitionen der Poln. Botschaft, Berlin, Leipziger Platz
  14. Homepage Poln. Inst. in Berlin
  15. Homepage Poln. Inst. in Düsseldorf
  16. Homepage Poln. Inst. in Leipzig
52.51689444444413.382261111111

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