- Pungi
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Die Pungi (Hindi, Schreibvarianten pugi, ponga, pongi), auch bin, mahudi, Tamil: magudi; ist ein traditionelles Einfachrohrblattinstrument in Indien. Sie ist vor allem als Hilfsmittel der Schlangenbeschwörer bekannt.
Inhaltsverzeichnis
Bauform und Spielweise
Das 30 bis 60 Zentimeter lange Instrument besteht aus zwei etwa gleich langen Teilen. Ein getrockneter Flaschenkürbis oder seltener eine Kokosnussschale bilden eine Windkapsel. Durch ein Loch im schlanken Ende der Kalebasse wird die Atemluft gleichmäßig auf zwei dünne Bambus- oder Schilfröhren (jivala) abgegeben, die am gegenüberliegenden bauchigen Ende durch ein weiteres Loch in die Kalebasse hinein geschoben sind. Die beiden seitlich zusammen geklebten oder gebundenen zylindrischen Pfeifenröhren sind an der Windkapsel mit Wachs befestigt und abgedichtet.
Der Ton wird durch eine Zunge erzeugt, die am oberen Ende des Schallrohrs durch einen halbovalen Schnitt der Länge nach aus der Röhrenwand freigelegt worden ist. Damit entsteht ein integriertes, ideoglottes Rohrblatt. Bei manchen Instrumenten befinden sich die Zungen an Röhrchen mit kleinerem Durchmesser, die in die oberen Enden der Schallröhren hineingesteckt wurden und also nicht integriert sind. Die Rohrblätter sind im Inneren der Windkapsel verborgen.
Anstelle eines langen Kalebassenhalses kann auch ein gedrechseltes hölzernes Mundstück angesetzt sein. Eine Windkapsel aus einer Kokosnuss benötigt in jedem Fall ein Holzmundstück.
Die Zunge regelt als Ventil nur den Luftstrom, die Tonhöhe wird durch die Länge der Pfeifenrohre bestimmt. Die Bezeichnung als „Flöte“ ist aufgrund der unterschiedlichen Tonerzeugung beider Instrumententypen unzutreffend. In das rechte Rohr der Pungi sind in der Regel sechs, seltener bis zu neun Löcher gebohrt oder eingebrannt; die linke Röhre hat nur ein (bis zwei) mit Wachs verstopfte Löcher an der Unterseite. Der Spieler bedient mit der rechten Hand die Grifflöcher und produziert die Melodie, während die linke Pfeife einen konstanten tiefen Bordunton dazu liefert. Wird das Loch der Bordunpfeife offen gelassen, entsteht ein um eine Sekunde höherer Grundton.
Pungis werden grundsätzlich auf die Haupttöne (svaras) des südindischen Raga Punnagavarali gestimmt, einer Abwandlung des Raga Hanumatodi, der aus dem 8. Jahrhundert stammt und einer der grundlegenden Ragas der südindischen Klassifizierung in melas ist.[1] Wie bei der indischen Oboe Shehnai und anderen Rohrblattinstrumenten wird Zirkularatmung praktiziert. Nur gleichmäßiges kräftiges Blasen lässt den typischen nasalen und scharfen Klang entstehen, der nicht beeinflusst werden kann und der allein die tauben Schlangen unbeeindruckt lässt.
Herkunft und Verbreitung
Doppelklarinetten mit ähnlicher Zunge wurden in ägyptischen Gräbern des 1. Jahrhunderts v. Chr. gefunden. Bei der altägyptischen Klarinette as-it fehlt die künstliche Windkapsel, ebenso bei ihren in Nordafrika und dem Nahen Osten verbreiteten Nachfolgern, den Doppelrohrblasinstrumenten arghul, zummara und mashura. Diese gehören bautechnisch zu den einfachsten, aber am schwierigsten zu spielenden Klarinetten, da die Windkapsel durch die Mundhöhle gebildet werden muss. Eine vergleichbare schlanke Bambusklarinette mit Doppelrohr in Bengalen heißt murali (Hindi und Sanskrit: murali oder murli bezeichnet „Flöte“ allgemein).[2] Die Pungi stellt diesen Instrumenten gegenüber eine Weiterentwicklung dar.
Die Windkapsel verstärkt den Ton, sie speichert und regelt aber nicht den Luftstrom, was im Mundraum geschehen muss. Der Aus dem Wunsch, den Blasdruck gleichmäßiger aufrecht halten zu können, wurde konsequent die Windkapsel aus festem Material durch einen flexiblen Ledersack ersetzt. Dieser Dudelsack hat seinen Ursprung im antiken Mittelmeerraum.[3] Die südindische Variante Sruti upanga aus einem Ziegenledersack, einem kurzen Anblasrohr und einer Pfeife mit Einfachrohrblatt und Seitenlöchern gibt nur einen Bordunton, während die nordindische Sackpfeife Mashq oder Masak (Sanskrit: Nagabaddha) ein Melodieinstrument, aber wie die südostasiatischen Varianten höchst selten geworden ist.[4] Die indische Sackpfeife wurde von den britischen Kolonialherren im 19. Jahrhundert zur Unterscheidung von den ins Land gebrachten eigenen Sackpfeifen Pungi genannt. Sie wurde bei Hochzeitsfeiern und ähnlichen fröhlichen Anlässen geblasen.[5]
Wegen der Windkapseln können Pungis dem äußeren Anschein nach für eine Vorform einfacher asiatischer Mundorgeln wie der in Laos gespielten Khaen gehalten werden. Primitive Kalebassen-Mundorgeln in Nordostindien mit sechs Pfeifen in zwei Gruppen wurden früher Khung oder Rusem genannt. Das Funktionsprinzip der Zungen dieser Kalebasseninstrumente, also die Tonerzeugung und daraus folgend die Spielweise sind jedoch völlig verschieden.
Varianten in Indien
Der Instrumententyp kommt in Südasien nicht nur bei Schlangenbeschwörern, sondern auch in der traditionellen Tanzmusik und bei Prozessionen als Melodie- und Borduninstrument zum Einsatz. Der Name pungi oder pangra wird von Hindi ponga („hohl“, folglich „Röhre“ oder „Pfeife“) abgeleitet und ist in Nordindien geläufig, in Panjabi auch die Bezeichnung binjogi(„bin des Magiers“). Nagbin bedeutet „Schlangen-bin“. Die Schlangenbeschwörer selbst werden ebenfalls pungi genannt. Auf Sanskrit hieß ein früheres Instrument tiktiri. Das Wort bin ist abgeleitet von Sanskrit vina, eine alte Sammelbezeichnung für Saiteninstrumente, teilweise für Musikinstrumente allgemein. Die nordindischen Namen tumba, tumbi und tomra bedeuten „Kalebasse“. In Bengalen taucht der Name sapurer basi („Schlangenbeschwörerpfeife“) auf.
Mahudi ist die regionale Bezeichnung für das Schlangenbeschwörerinstrument in Gujarat. In ländlichen Gegenden von Gujarat und beim Volk der Varli in Maharashtra heißt ein ähnliches Blasinstrument mit Schalltrichter tarpo oder ghonga. Bei Feiern zur Reisernte treten dort abends hunderte von Tarpo-Spielern im Kreis der tanzenden Dorfbevölkerung auf.[6] Andere Bezeichnungen, abhängig von der Größe der Instrumente sind khongada und dobru. In Rajasthan werden Volkstänze aufgeführt, die von den Kasten der Kalbelia und Jogi mit Gesang und auf einer Pungi und Perkussionsinstrumenten wie der dhol oder einem thali (metallener Essteller) begleitet werden. Frauen der Kalbelia in bunten, Schlangen darstellenden Kostümen imitieren in ihren Tänzen deren Bewegungen. Die Musiker der Gruppe Dhoad sind durch Konzerte auch in Europa bekannt geworden.[7]
Schlangenbeschwörer haben ihren großen Auftritt beim jährlichen Hindufestival Naga Panchami, das nahezu im ganzen Land anlässlich des Sieges von Krishna über die Schlange Kaliya gefeiert wird. Schlangen gelten als Symbol von Lebensenergie und Wachstum. In den Tempeln wird vor Abbildungen der kosmischen Schlange Vasuki Milch und Reis geopfert; die mit ihren Kobras in geflochtenen Körben umherziehenden Schlangenbeschwörer betteln um Almosen und Kleidung.
Die südindische magudi ist etwas kleiner als das nordindische Instrument. Zum südindischen Volkstanztheater Yakshagana in Karnataka gehörte ab dem 17. Jahrhundert eine Musikbegleitung bestehend aus zwei Trommeln, einer Pungi als Borduninstrument und einem Sänger. Im Norden dieses Bundesstaates werden andere Göttergeschichten zumeist aus dem Mahabharata als Puppentheater aufgeführt und mit der Fasstrommel mridangam, Handzimbeln (manjira), otta (Borduninstrument, eine nadaswaram ohne Grifflöcher), Harmonium und Pungi begleitet.[8] Nur den Namen hat die südindische nadaswaram, auch nagaswaram von der mythologischen Schlange Naga, als Doppelrohrblattinstrument ist sie, wie die nordindische Shehnai, mit der schlangenbeschwörenden Pungi nicht verwandt. In Tamil Nadu ist die Doppelklarinette als makuti (auch pambatti kulal) bekannt.[9]
Einzelnachweise
- ↑ Punnagavarali auf indiamusicinfo (englisch). Ebenso bei C. R. Day
- ↑ Curt Sachs: Die Musikinstrumente Indiens und Indonesiens. Georg Reimer Verlag, Berlin 1915, S. 157.
- ↑ Frank J. Timoney: The Concise History of the Bagpipe. Rome and the Ancient World.
- ↑ Curt Sachs: Die Musikinstrumente Indiens und Indonesiens. Georg Reimer Verlag, Berlin 1915, S. 159.
- ↑ John H. Harriot: To the Secretary of the Literary Society in at Benares. In: The Quarterly Oriental Magazine, Review and Register. 6, Nr. 11 und 12, Kalkutta, Dezember 1826, S. 25.
- ↑ Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Sachteil 4, 1996, Sp. 750 f.
- ↑ Dhoad – Gypsies of Rajasthan. (Rajasthan/Indien) auf Klangkosmos in NRW
- ↑ Reginald Massey: India's Kathak Dance. Past, Present and Future. Abhinav Publications, Neu Delhi 2004, S. 80.
- ↑ Alastair Dick, S. 600
Literatur
- Alison Arnold (Hrsg.): South Asia. The Indian Subcontinent. Garland, New York 2000, (The Garland Encyclopedia of World Music. Bd. 5), S. 345.
- Charles Russell Day: The Music and Musical Instruments of Southern India and the Deccan. London/New York 1891, S. 104, 145, Farbtafel XIV (Archive.org).
- B. Chaitanya Deva: Musical Instruments. National Book Trust India, Neu Delhi 1977, S. 63-65.
- Alastair Dick: Pungi. In: Stanley Sadie (Hrsg.): The New Groove Dictionary of Music and Musicians. Vol. 20. Macmillan Publishers, London 2001, S. 600
Diskografie
- Dhoad Gypsies: The Dhoad Gypsies from Rajasthan. ARC CD 2005
- Jodha: Sapera Snake Charmers of North India. Canyon, CD 2000
- Iqbal Jogi and Party: Authentic Music of the Snake Charmers of India. Legacy International, CD 1994
Weblinks
- David Courtney: Pungi or Been. auf chandrakantha.com (englisch)
- Pungi, Bin, or Snake Charmer. World instrument gallery (englisch)
Kategorien:- Einfachrohrblattinstrument
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