Reto Camenisch

Reto Camenisch

Reto Camenisch (* 29. April 1958 in Thun) ist ein Schweizer Fotograf.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Camenisch wuchs in der Stadt Thun auf. 1964 starb sein Vater Edmond Camenisch durch einen Jagdunfall. Der Schüler einer höheren Handelsschule interessierte sich mit 15 Jahren für die Fotografie. 1978 erfolgte die Eröffnung des eigenen Fotoateliers. Seit 1982 ist er als freischaffender Porträt- und Reportagefotograf für nationale (Du, Das Magazin, NZZ Folio) und internationale (FAZ Magazin, Geo) Printmedien tätig, wie auch für die Werbung. Ab 1983 nahm er vereinzelt an Gruppenausstellungen teil, seit 2001 intensivierte er die Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland. Zentrale Werkkomplexe münden in drei viel beachtete Publikationen: Bürgerbilder (1993), Bluesland (1997) und Reto Camenisch – Zeit (2006).Ab 1990 prägte ihn künstlerisch die Begegnung mit Richard Avedon. Es entstanden zahllose Künstlerporträts, vor allem von Musikern. Es folgte eine ausgedehnte Reisetätigkeit, darunter zwischen 1992 und 1997 mehrere Aufenthalte im Mississippi-Delta. 2003 beendigte er die Zusammenarbeit mit fast allen Printmedien und kehrte dem Fotojournalismus den Rücken. Seither konzentriert er sich auf das künstlerische Werk. Vertreten wird er durch die Galerie Stephan Witschi, Zürch, die Galerie Bernhard Bischoff, Bern und Kudlek van der Grinten in Köln. Seit 1990 ist Reto Camenisch zudem als freier Dozent für Fotografie tätig und seit 2011 Studienleiter für «Redaktionelle Fotografie» am Luzerner Medien-Ausbildungs-Zentrum (MAZ).

Preise und Auszeichnungen

  • 1985 Fotopreis des Kantons Bern,
  • 1993 European Kodak Gold Award als bester Schweizer Porträtfotograf.
  • 1999 Kulturpreis der Stadt Thun.

Werk

Camenischs Arbeiten reihen sich in die Tradition der analogen, schwarzweissen Reportage- und Porträtfotografie. Stehen gelassene Polaroid-Streifen, die Belichtung der Negative auf Barytpapier und die Ablehnung digitaler Technologien sind Anzeichen für das authentische, auf chemischem Weg und von Hand entwickelte Lichtbild. Die Entwicklung seines Oeuvres lässt sich als kontinuierlicher Prozess der Verlangsamung, Verinnerlichung und Vertiefung begreifen: von der Hektik der Newsfotografie zum kontemplativen Warten auf das Bild, vom Menschen zur Landschaft, vom Klein- und Mittel- zum Grossformat. Die frühen Porträts zeichnen sich durch eine starke, oft formatsprengende Präsenz der Modelle ohne inszenatorischen Firlefanz aus. Der neutrale Hintergrund blendet alles nicht Körperhafte aus und schafft Momente grosser Unmittelbarkeit. Ende der Achtzigerjahre gewinnt neben dem psychologischen ein soziologisch vermessender Blick an Bedeutung: Die Porträtierten erscheinen nun eingebettet in ihren lebensweltlichen Kontext, beispielhaft im Werkblock der Bürgerbilder, einer Bestandsaufnahme möglicher und unmöglicher Figuren von Thun.

Bereits angelegt ist in den frühen Porträtarbeiten die düstere Tonalität, die das gesamte spätere Werk durchzieht. Bleiern der Himmel, stockfinster der Nachmittag – auf der Suche nach dem Blues stösst Camenisch im Mississippi-Delta auf einen befremdenden, maroden, fast menschenleeren Landstrich. Das Projekt Bluesland, ein poetisches Bekenntnis zur Melancholie, entpuppt sich für den Künstler als Echoraum eigener Kindheitserfahrungen: Er stellt den USA-Bildern eine Serie vom Unfallort seines Vaters voran. Die Suche nach dem Einklang von Innen- und Aussenwelt wird in der Folge immer bestimmender: Camenisch arbeitet seit 1999 fast ausschliesslich mit der 4x5-Inch-Kamera. Auf tagelangen Wanderungen im Entlebuch, in Neuseeland oder Lanzarote entsteht oft nur ein einziges Bild, das fernab jedes Postkartenidylls auf psychische Urzustände verweist. In fein zerfliessenden Schwarzwerten überhöht Camenisch die sichtbare Welt zum Sinnbild einer zeitlosen, oft schwermütigen Befindlichkeit.


Werke

Seine Werke sind unter anderem zu sehen in:

  • Lausanne, Musée de l’Elysée
  • New York, Guggenheim Collection
  • Thun, Kunstmuseum Thun
  • Wellington, New Zealand Centre for Photography
  • Winterthur, Fotomuseum Winterthur
  • Zürich, Wedekind Stiftung
  • Stuttgart, Landesbank Baden Württemberg
  • Bern, Berner Kantonalbank

Bücher

  • Zeit. Texte: Urs Stahel, Kerstin Stremmel. Benteli Verlag, Bern, 2006.
  • Bluesland. Text: Margret Mellert. Ott-Verlag, Thun, 1997.
  • Bürgerbilder. Text: Andreas Dietrich. Benteli Verlag, Bern, 1993.
  • Berge Pilger Orte. Text: Béatrice von Matt. Edition Stephan Witsch, Zürich, 2011

Literatur

  • Von Horizonten, Set 8 aus der Sammlung des Fotomuseum Winterthur 2011
  • Cahier Landschaft im Wandel, Kunstmuseum Thun 2009. Die Rückkehr der Physiognomie. 10èmes Journées photographiques de Biennne 2006.
  • 10. Bieler Fototage 2006. Bienne 2006. Hrsg. von Nicolas Bourquin und Sven Ehmann. Biel: 2006.
  • Sammlung Kunstmuseum Thun, Kunstmuseum Thun 2007
  • Urs Stahel: «Einer zieht los, um heimzukommen». In: Reto Camenisch – Zeit. Bern: Benteli Verlag, 2006.[1]
  • Kerstin Stremmel: «Am Abgrund». In: Reto Camenisch – Zeit. Bern: Benteli Verlag, 2006.[2]
  • Denis Brudna: «Reto Camenisch / Zeit». In: Photonews, 11, 2006
  • Mark Derby, Konrad Tobler: «Reto Camenisch. Interview with Mark Derby / Evoking the first day». In: New Zealand Journal of Photography, 54, 2004, S. 5–11.
  • Reto Camenisch. Zürich, Galerie Römerapotheke, 2003. Text: Konrad Tobler. Zürich: Galerie Römerapotheke, 2003.[3]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.camenisch.ch/admin/data/cvdata/stahel.pdf
  2. http://www.camenisch.ch/admin/data/cvdata/Stremmel.pdf
  3. http://www.camenisch.ch/admin/data/cvdata/Tobler.pdf

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