Samaritanischer Pentateuch

Samaritanischer Pentateuch
Text des Samaritanischen Pentateuchs von 1616 (Dtn 1,44-2,7), Cambridge University Library

Der Samaritanische Pentateuch ist eine besondere hebräische Fassung des Pentateuchs bzw. der Tora für die Samaritaner. Er entstand spätestens nach der Zerstörung ihres Heiligtums auf dem Garizim (127 v. Chr.), die ihre Trennung vom Jerusalemer Tempelkult besiegelte. Da sie nur die Tora als Heilige Schrift anerkannten, schufen sie eine eigene Fassung davon für ihren Kult.

Inhaltsverzeichnis

Handschriften

Die erste Handschrift dieser bis dahin unbekannten Toraversion wurde 1616 in Damaskus entdeckt. Sie ist geschrieben in samaritanischer Schrift, eine mit dem althebräischen Schrift verwandten Konsonantenschrift, die nur wenige Vokalzeichen enthält. Die Handschrift wurde anfangs als dem angenommenen biblischen Urtext nahestehend aufgefasst, seit einem Verdikt von Wilhelm Gesenius 1815 jedoch als fast wertlos für die biblische Textkritik erachtet.

Dieses Urteil hat sich erheblich differenziert, seit 1860 in der Geniza von Kairo etwa 400 Jahre ältere Handschriften des Samaritanischen Pentateuchs entdeckt wurden. Seine älteste bekannte Handschrift in Buchform (Kodex) wurde nach einer Eigennotiz 1149 gekauft und kann ein bis zwei Jahrhunderte zuvor geschrieben worden sein. Paul Kahle und andere haben diese Handschriften erforscht.

Die Abischa-Rolle enthält Teile der Tora (Num 35-Dtn 34), die in das 11. Jahrhundert datiert werden. Sie stellt alte und jüngere Fragmente dieses Pentateuchs zusammen und wird bis heute in der Samaritanergemeinde von Nablus - dem biblischen Sichem - als ihre Heilige Schrift verehrt.

Bruchstücke und einzelne Inschriften aus dem Samaritanischen Pentateuch stammen aus dem 3. bis 6. Jahrhundert.

Die erste und bisher einzige kritische Ausgabe der Handschriften wurde von 1914 - 1918 von dem Theologen Prof. Dr. August Freiherr von Gall herausgegeben[1].

Verhältnis zu anderen Bibeltexten

In etwa 6000 Fällen weicht der Text vom Masoretischen Text ab, der heutigen wissenschaftlichen Bibelausgaben zugrunde liegt. Ein Großteil dieser Fälle betrifft nur die Orthografie oder andere formale Unterschiede, nicht inhaltliche Aussagen.

Etwa 1900 dieser Abweichungen stimmen mit denen der griechischsprachigen Septuaginta überein. Sie werden als Beleg für alte hebräische Textfassungen gedeutet, die beiden Bibelversionen vorlagen und von denen des Masoretentextes unabhängig entstanden sind.

Ein kleiner Teil der Abweichungen erklärt sich aus dem Interesse der Samaritaner, ihren Kult als den rechtmäßigen gegenüber dem Jerusalemer Tempelkult darzustellen. Dies gilt für ein hinter (Ex 20,17 EU) eingefügtes Gebot, ein Heiligtum auf dem Garizim zu errichten, und für etwa 20 Verse im Deuteronomium, die die Erwählung des heiligen Ortes nachträglich auf Sichem beziehen. Die begrenzte Zahl dieser Eingriffe wird heute nicht mehr als Entwertung des gesamten Textes aufgefasst, da ihnen sonst große Übereinstimmung sowohl mit dem Masoretentext als auch der Septuaginta gegenübersteht.

Viele Unterschiede zum Masoretentext sind sprachlicher Natur: Sie vereinfachen altertümliche und komplizierte Formulierungen, um die Verständlichkeit für palästinische Juden, die bereits seit 539 v. Chr. überwiegend Aramäisch sprachen, zu erhöhen. Diese Anpassungen wurden nach dem Aufkommen von aramäischen Bibelübersetzungen, den Targumim, überflüssig. Sie verweisen daher auf ein hohes Alter des samaritanischen Toratextes, der somit nicht von der den Targumim überwiegend vorliegenden proto-masoretischen Texttradition abhängig gewesen sein kann. [2]

Unter den Schriftrollen vom Toten Meer fanden sich Pentateuchtexte von etwa 200 v. Chr., die der Sprache des Samaritanischen Pentateuchs ähneln, ohne seine besonderen, auf den Garizimkult bezogenen Einfügungen zu kennen. Sie erwiesen das hohe Alter der ihm zugrundeliegenden Textüberlieferung.

Nur in Randnotizen und Zitaten nachgewiesen ist eine griechische Übersetzung des Samaritanus, das so genannte Samareitikon. Es gibt auch aramäische und arabische Übersetzungen davon.

Ausgaben

  • August von Gall (Hrsg.): Der hebräische Pentateuch der Samaritaner. Berlin 1966 (photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Gießen 1918); Nachdruck bei Walther de Gruyter, 1993, ISBN 3110092581 (Buchauszug online)
  • Abraham Tal (Hrsg.): The Samaritan Pentateuch. Edited according the MS 6 (C) of the Shekhem Synagogue. 1994

Literatur

  • Julius Heinrich Petermann: Pentateuchus samaritanus. 5 Bde. Berlin, 1872-91
  • James D. Purvis: Samaritan Pentateuch and the Origin of the Samaritan Sect. Harvard University Press, 1968, ISBN 0674785851
  • Shemaryahu Talmon: The Samaritan Pentateuch. Journal of Jewish Studies 2/1951, S. 144-150
  • Jürgen Zangenberg: Samareia: Antike Quellen zur Geschichte und Kultur der Samaritaner in deutscher Übersetzung. Francke, 1994, ISBN 3772018661

Weblinks

Einzelbelege

  1. August von Gall (Hrsg.): Der hebräische Pentateuch der Samaritaner. Berlin 1966 (photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Gießen 1914-1918); Nachdruck bei Walther de Gruyter, 1993, ISBN 3110092581
  2. Ernst Würthwein: Der Text des Alten Testaments, Württembergische Bibelanstalt, 4. Auflage, Stuttgart 1973, ISBN 3-438-06006-x, S. 47-49

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Samarīa — Samarīa, 1) seit der Eintheilung Palästinas in drei Provinzen die zweite kleinste, inmitten von Galiläa, Judäa u. dem Jordan, etwa 6 Meilen lang u. 5 Meilen breit, von Bergen durchschnitten, welche mit reizenden u. fruchtbaren Thälern abwechseln; …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Tora — Die fünf Bücher des Mose Tora (hebr.) Pentateuch (gr. lat.) 1. Buch Mose; Bereschit (hebr.); Genesis (gr. lat.) 2. Buch Mose; Schemot; Exodus 3. Buch Mose; Wajikra; Levitikus 4. Buch Mose; Bemidbar; Numeri 5. Buch Mose; Devarim; Deuteronomium …   Deutsch Wikipedia

  • Lamech — Eine Person mit Namen Lamech (auch: Lemech; hebräisch: ‏ למך‎) wird im 1. Buch Mose des Alten Testaments der Bibel an zwei Stellen erwähnt. Beide Lamechs sollen unterschiedliche Vorfahren haben, wobei manche Bibelwissenschaftler wegen der… …   Deutsch Wikipedia

  • Samaritaner — Betende Samaritaner am Berg Garizim Junge Samar …   Deutsch Wikipedia

  • Bibelkanon — Ein Bibelkanon ist eine Reihe von Büchern, die im Judentum und im Christentum als Bestandteile ihrer Bibel festgelegt – kanonisiert – wurden und damit Maßstab (Kanon) ihrer Religionsausübung sind. Im Judentum wurde zuerst die Tora zur normativen… …   Deutsch Wikipedia

  • Bibel und Orient Museum — Bildtafel mit Miniaturkunst aus dem Alten Orient Das Bibel und Orient Museum (eigene Schreibweise: BIBEL+ORIENT Museum) in Freiburg (Schweiz) ist die Ausstellung einer Sammlung altägyptischer und altorientalischer Miniaturkunst und ein Projekt… …   Deutsch Wikipedia

  • Samareitikon — ist die Bezeichnung für die griechische Übersetzung des Samaritanischen Pentateuchs. Das Samareitikon ist lediglich aus Randbemerkungen in anderen Handschriften und Zitaten bei Origenes erhalten.[1] Wie S. Kohn gezeigt hat, zeigen diese Stellen… …   Deutsch Wikipedia

  • Bibel — (vom griech. Βιβλία, d.h. die Bücher), durch u. seit Chrysostomos üblich gewordene Bezeichnung der heiligen Schriften der Juden u. Christen, die sonst auch Schrift, Heilige Schrift, Wort Gottes genannt werden. I. Eintheilung der Bibel. Man theilt …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Samaritaner — Sa|ma|ri|ta|ner 〈m. 3〉 Einwohner der palästinensischen Landschaft Samaria; oV 〈in der Luther schen Bibelübersetzung〉 Samariter * * * Samaritaner,   eine jüdische Sondergruppe in der Landschaft Samaria, die seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. eine… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”