Tora

Tora
Die fünf Bücher des Mose
Tora (hebr.)
Pentateuch (gr.-lat.)
Torarolle mit Jad (Zeigestab)

Die Tora (auch Thora,[1] Torah; in aschkenasischer Aussprache Tauro, Tojro; hebr.תּוֹרָה‎; dt. „Weisung“, „Belehrung“, „Gebot“ von jarah = „unterweisen“) ist der erste Teil des Tanach, der hebräischen Bibel. Sie besteht aus fünf Büchern, weshalb sie im Judentum auch „chamischa chumsche tora“ („Die fünf Fünftel der Tora“) genannt wird. In den deutschen christlichen Bibelübersetzungen sind dies die fünf Bücher Mose oder der Pentateuch.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbestimmung

Die fünf Bücher als Tora

Das hebräische Wort „Tora“ hat mehrere Bedeutungen. Die engste bezeichnet die fünf Bücher Mose, die das Volk Israel nach der Darstellung der Tora am Berg Sinai erhalten hat.

Die Torarolle

Die „Tora“ kann aber auch die Torarolle meinen. Dies ist eine Rolle aus Pergament, auf der die fünf Bücher in hebräisch (ohne Vokale) von Hand aufgeschrieben sind. Aus einer Torarolle wird in jüdischen Gottesdiensten gelesen, wobei dieses Lesen eher ein Singen nach einer bestimmten Notation ist.

Eine für den öffentlichen Gottesdienstgebrauch vorgesehene Torarolle wird grundsätzlich per Hand von einem Sofer, einem speziell dafür ausgebildeten Schreiber, geschrieben. Bei guter Aufbewahrung kann eine Torarolle mehrere hundert Jahre rituell brauchbar bleiben. Die älteste existierende Torarolle stammt von etwa 900 n. Chr. Torarollen, die mechanisch, durch Abnutzung oder hohes Alter (Materialermüdung) beschädigt und somit unbrauchbar geworden sind, werden aus Respekt nicht weggeworfen, sondern in einer Genisa aufbewahrt oder auf einem jüdischen Friedhof begraben. Zum Toraschmuck gehören Torawimpel, Toramantel, Toraschild, Zeigestab und Torakrone oder zwei kleine Krönchen (Rimmonim).

Die mündliche Tora

Laut traditioneller jüdischer Überlieferung erhielt Israel über Mose jedoch nicht nur die schriftliche Tora, sondern auch deren mündlich überlieferte Auslegung, die die schriftliche Tora jeweils aktualisiert. Unter Rabbi Jehuda ha-Nassi wurde das in einzelnen Sammlungen erhaltene, aber kaum überschaubare Material in ein System von 6 Ordnungen gebracht. Diese erste schriftliche Fixierung der mündlichen Tora wurde zum Standardkanon, der in seinem Bestand nicht ergänzt, wohl aber kommentiert wurde. Die Mischna wird ausführlich im Talmud diskutiert und erklärt. Talmud ist die Bezeichnung für das gesamte Werk, das aus Mischna und deren Diskussion Gemara besteht. Die Mischna wurde um das Jahr 200 n. Chr. in schriftlicher Form fixiert, die Gemara bis zum 6. Jahrhundert. Während in der Tora neben den erzählenden Teilen 613 Ge- und Verbote aufgelistet werden, werden in der Mischna und der Gemara diese Vorschriften konkretisiert und teilweise faktisch verändert.

Der hebräische Tanach als Tora

In einer weiteren Bedeutung bezeichnet „Tora“ pars pro toto den gesamten jüdischen Tanach, also sowohl die Tora im engeren Sinne, als auch die Neviim (Prophetenbücher) und die Ketubim (Schriften).

Die griechische Bezeichnung Pentateuch

Die Bezeichnung Pentateuch ist die griechische Bezeichnung für die fünf Bücher Moses. Sie leitet sich her von altgriechisch πεντά (penta), deutsch „fünf“ und altgriechisch τευχος (teuchos), deutsch „Gefäß“, also „Fünfgefäß“. Der Begriff stammt von den Krügen, in denen Schriftrollen aufbewahrt wurden. Deren Umfang bestimmte auch seine Einteilung in fünf „Bücher“ (griech. biblia). Der griechische Begriff wird auch im Lateinischen übernommen und ist bis heute in der Wissenschaft gebräuchlich.

Die deutsche Bezeichnung Fünf Bücher Mose

In den deutschen christlichen Übersetzungen bildet die Tora als fünf Bücher Mose den ersten Teil des Alten Testaments. Der Name leitet sich vom traditionellen Autor der Schrift ab.

Die Bezeichnungen der Bücher

Rimonim aus Danzig, 18./19. Jh.

Die Tora bzw. der Pentateuch ist im Hebräischen und im Griechischen in fünf Bücher eingeteilt. Diese Einteilung stammt aus der begrenzten Größe der antiken Schriftrollen aus Papyrus oder Pergament. Diese werden im Hebräischen nach den ersten hebräischen Worten des jeweiligen Textes, in der griechischen Septuaginta nach ihren zentralen Themen benannt und im Deutschen wird nach dem traditionellen Verfasser von 1. bis 5. Mose nummeriert.

Deutsch Hebräisch Hebräische Ableitung Griechisch/Lateinisch Abkürzung Bedeutung
1. Buch Mose Bereschit (בְּרֵאשִׁית)  Im Anfang schuf … Genesis Gen Schöpfung, Ursprung
2. Buch Mose Schemot (שְׁמוֹת)  Dies sind die Namen Exodos/Exodus Ex Auszug
3. Buch Mose Wajikra (וַיִּקְרָא)  Und es rief JHWH … Levitikon/Leviticus Lev Levitische Gesetzgebung
4. Buch Mose Bemidbar (בְּמִדְבַּר)  Und es redete JHWH in der Wüste …  Arithmoi/Numeri Num Zahlen der Israeliten
5. Buch Mose Dewarim (דְּבָרִים)  Dies sind die Worte Deuteronomion/Deuteronomium  Dtn Zweites Gesetz

Inhalte der fünf Bücher

Die übergreifenden Überlieferungskomplexe

Die Tora macht einen großen erzählerischen Bogen. Es beginnt mit der Schöpfung und der Urzeit über die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob, geht weiter über den Auszug aus Ägypten und den Bundesschluss am Berg Sinai mit der Bekanntgabe der Gesetze bis hin zur Wanderung durch die Wüste bis zur Ansiedlung im „Gelobten LandKanaan (heute Israel/Palästina) als Heilsgeschichte JHWHs. Von der Landnahme selbst berichtet die Tora nicht mehr, das folgt erst im Buch Josua. In dieser Erzählung werden die vielen Bestimmungen, die nach der Tora Gott den Israeliten am Berg Sinai gegeben hat, ausführlich behandelt. Weil die Tora über weite Strecken ein reines Gesetzeskorpus darstellt, wurde sie zur Grundlage der religionsgesetzlichen Ausformung des rabbinischen Judentums und erhält von dorther ihre Bedeutung im Judentum bis heute. Nach traditioneller jüdischer Auffassung beinhaltet die Tora 613 Vorschriften, 248 Ge- und 365 Verbote. Die Tora ist thematisch in drei Hauptteile gegliedert:

  1. Urgeschichte und Erzväter-Erzählungen in Genesis. Sie behandeln noch nicht die Gesamtgeschichte Israels, sondern seine Vorgeschichte, die mit der Schöpfung der Welt und Berufung verschiedener Stammväter beginnt. Sie enthalten viele Mythen, Legenden und Ätiologien, in denen sich historische Erinnerungen nomadischer Sippen an die vorstaatliche Frühzeit der Israeliten verbergen.
  2. Die Bücher Exodus, Leviitkus und Nummeri stellen die eigentliche Heilsgeschichte des Volkes Israel vom Auszug aus Ägypten und Offenbarung der Zehn Gebote JHWHs am Sinai bis zur „Landnahme“ Kanaans dar. Sie bilden daher eine thematische Einheit.
  3. Das Deuteronomium enthält keine Geschichtserzählungen mehr, sondern nur noch Mose zugeschriebene Reden und Gesetze, die überwiegend schon bekannte Toragebote aus der Sinaitradition übernehmen, variieren und kommentieren.

Diese drei Hauptteile durchziehen sieben große Themenkreise, die als eigenständige Komplexe ursprünglich mündlich überliefert wurden. Sie wurden schon in sehr frühen Glaubensbekenntnissen Gesamtisraels als Stationen einer Heilsgeschichte aneinandergereiht im sogenannten kleinen geschichtlichen Credo:

: 5 … Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk. 6 Die Ägypter behandelten uns schlecht, machten uns rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf. 7 Wir schrien zum Herrn, dem Gott unserer Väter, und der Herr hörte unser Schreien und sah unsere Rechtlosigkeit, unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis. 8 Der Herr führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm, unter großem Schrecken, unter Zeichen und Wundern aus Ägypten, 9 er brachte uns an diese Stätte und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen.(Dtn 26,5-9 EU)

Diese Reihung umgreift eine Geschichtsperiode von gut 500 Jahren von den nomadischen Anfängen Israels bis zur Besiedelung des fruchtbaren Landes Kanaan. Ihr entspricht die Verknüpfung der

  • Erzvätergeschichten [1]
  • mit der Josephserzählung [2],
  • dem Exodus der Israeliten aus Ägypten [3],
  • dem Zug durch die Wüste [4] und
  • der Eroberung zunächst des Ostjordanlandes, dann ganz Kanaans [5].

Die Themenkomplexe des Sinaibundes [6] und der Urgeschichte [7] fehlen noch in den alten Credoformeln Israels, da ihr Einbau in den Pentateuch relativ spät erfolgte. Kristallisationskern und ordnendes Zentrum der Überlieferung ist das Thema der Befreiung aus der Sklaverei, mit der JHWH sich erstmals unter seinem Namen offenbart und Israel zu seinem Bundesvolk „erwählt" (Ex 3). Erst in der Begegnung mit den orientalischen Großmächten und ihrer kosmogonischen Mythologie stellte Israel sein Werden in den größeren Rahmen der Erschaffung der Welt. Die Urgeschichte am Anfang der Bibel ist also der letzte Themenkomplex, der dem Pentateuch zugewachsen ist. Diesen durchzieht ein Spannungsbogen von der Verheißung zur Erfüllung, bezogen besonders auf das Stichwort des „Landes", das Gott durch Unterscheidung von Himmel und Urflut schuf (Gen 1,1-12), um es Mose kurz vor seinem Tod als Erbe Israels zum Segen für alle Völker (Gen 12,3) zu zeigen (Dtn 34,1-4).

Die Inhalte im Einzelnen

Das 1. Buch Mose, Genesis, enthält die

  • Urgeschichte von der Schöpfung bis zur Völkertafel von Gen 1 bis 11,
  • Abrahamserzählungen in Gen 12 bis 25,
  • Geschichten von Jakob und Esau in Gen 25 bis 36,
  • Josephsgeschichte in Gen 37 bis 50.

Das 2. Buch Mose, Exodus, enthält

  • die Rettung aus Ägypten in Ex 1 bis 15,
  • Bewahrung in der Wüste in Ex 16 bis 18,
  • Gesetzesoffenbarung und Bundesschluss am Sinai in Ex 19 bis 24,
  • Gesetze zum Bau des Heiligtums in Ex 25 bis 31,
  • Krise und Erneuerung des Bundes in Ex 32 bis 34,
  • den Bau des Heiligtums in Ex 35 bis 40 als Ausführung von Ex 25 bis 31.

Das 3. Buch Mose, Leviticus, enthält

  • Opfergesetze in Lev 1 bis 7,
  • Anordnungen zur Priesterweihe in Lev 8 bis 10,
  • Reinigungsgesetze in Lev 11 bis 15,
  • Anweisung zu Jom Kippur dem großen Versöhnungstag in Lev 16,
  • das Heiligkeitsgesetz in Lev 17 bis 27.

Das 4. Buch Mose, Numeri, enthält

  • Zählung und Lagerordnung der Stämme in Num 1 bis 2,
  • verschiedene Priestergesetze in Num 3 bis 10,
  • Zug des Volkes durch die Wüste in Num 10 bis 20,
  • Eroberung des Ostjordanlandes in Num 20 bis 36.

In ihm sind weitere heterogene Kult- und Sozialgesetze verstreut, die man zum Priestergesetz zählt, das die Bücher 2 bis 4 durchzieht: darunter die Kapitel Num 15, 19, 27-31, 33 + 34, 35 + 36.

Das 5. Buch Mose, Deuteronomium enthält

  • die Einleitungsreden des Mose in Dtn 1 bis 11,
  • das deuteronomische Gesetz in Dtn 12 bis 26,
  • Schlussreden des Mose in Dtn 27 bis 30,
  • Fluch und Segen, Tod des Mose als Abschluss des Pentateuch in Dtn 31 bis 34.

Zu den in der Tora enthaltenen und in sich geschlossenen Gesetzeskorpora zählt man

  • den Dekalog in Ex 20, andere Fassung in Dtn 5
  • das Bundesbuch in Ex 21 bis 23
  • das Priestergesetz von Ex 25 bis Num 10 und einige in Numeri verstreute Nachträge
    • darin enthalten sind der sogenannte kultische Dekalog in Ex 34
    • und das Heiligkeitsgesetz in Lev 17 bis 26
  • das deuteronomische Gesetz in Dtn 12 bis 26

Besondere Bedeutung als tägliches Gebet im Judentum hat das Schma Israel:

  • Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.(Dtn 6,4 Lut)

Geschichte

Die Verschriftlichung der Tora erfolgte in einem langen Überlieferungsprozess, in dem unterschiedliche Quellen und verschiedene redaktionelle Bearbeitungen Eingang gefunden haben. Der Pentateuch wurde spätestens etwa 440 v. Chr. zur Zeit Esras fertiggestellt und ab etwa 250 v. Chr. aus dem Althebräischen in die griechische Septuaginta und in aramäische Targume übersetzt (siehe Bibelübersetzung).

Die Tora war der erste Teil des Tanach, dem eine besondere Bedeutung als Heilige Schrift zuerkannt wurde und der somit zuerst kanonisiert war. Trotz der frühen Kanonisierung der Tora wurde das religionsgesetzliche Material der Tora im Frühjudentum diskutiert und weiterentwickelt und in einem langen, meist mündlichen Auslegungsprozess fortgeführt. Diese Auseinandersetzung der Rabbinen mit der Tora fand ihren Niederschlag in der Mischna und später im Talmud und bildete das auf dem Religionsgesetz der Halacha gründende Judentum, das im Mittelalter selbstverständlich war, in der Neuzeit kritisiert wurde und bis heute im Orthodoxen Judentum seinen Ausdruck findet.

Autorschaft

Der jüdische Talmud und das christliche Neue Testament schreiben diese fünf Bücher dem Mose zu und betrachten die Ereignisse von der Schöpfung bis zur Landverteilung in Kanaan (Dtn 33) als direkte Offenbarung Gottes an ihn. Das 5. Buch Mose endet mit dem Kapitel über seinen Tod (Dtn 34), das der Talmud demgemäß seinem Nachfolger Josua zuschreibt. Mose habe diese Offenbarung zuvor schriftlich festgehalten. Sie sei dann bis auf unwesentliche Kopierfehler wortgetreu überliefert worden: Diese Ansicht vertreten heute noch das Orthodoxe Judentum und ein Teil der Christen, besonders unter Evangelikalen und in verschiedenen Gruppen des fundamentalistischen Christentums.

Die Autorschaft des Mose wurde schon im Mittelalter angezweifelt. Der jüdische Gelehrte Ibn Esra bemerkte, dass die Schriften die Ereignisse ohne Ich-Erzähler darstellen und zwischen der Zeit des Mose und der Zeit des Erzählers oder der Erzähler unterscheiden. Er sah Widersprüche, die Mose als Schriftautor ausschließen: So blickt z. B. Gen 12,6 auf die Zeit zurück, als Kanaanäer das Land noch bewohnten, weist also auf eine Aufzeichnung nach der Ansiedelung Israels in Kanaan hin. Ferner hielt Mose die Reden des 5. Buches nach Dtn 1,1 bis zu seinem Tod mündlich, so dass sie bereits ein anderer aufgezeichnet haben müsse.

Im 16. Jahrhundert bestritten Reformatoren wie Andreas Karlstadt die Autorschaft des Mose und sahen den Priester und thorakundigen Esra (etwa 440 v. Chr.) als Redaktor, der die fünf Bücher aus älteren Teilen der Tora zusammengestellt habe (Esra 7,6 EU). Er erscheint auch im Talmud als Bearbeiter der Tora.

Doch erst im 17. Jahrhundert veröffentlichte Baruch Spinoza die Beobachtungen Ibn Esras und leitete damit die historische Pentateuchkritik ein. Im Zuge der Aufklärung wurden dann verschiedene Theorien zur Entstehung des Pentateuch aufgestellt, auf denen die heutige Forschung aufbaut. Auf der Basis einer immer differenzierteren Textanalyse und neuerer archäologischer und altorientalistischer Forschungsergebnisse nehmen heute die meisten Forscher an, dass der Pentateuch seine redaktionelle Endgestalt erst nach dem Babylonischen Exil im 5. Jahrhundert v. Chr. gewann. Sie wird auf Priester in Israel, vor allem am Jerusalemer Tempel, zurückgeführt. Seine ältesten, lange Zeit mündlich überlieferten Stoffe reichen jedoch bis 1500 v. Chr. zurück.

Um ca. 440 v. Chr. wurde der Pentateuch als Tora kanonisiert und bildet seitdem den Hauptteil des Tanach mit normativem Charakter für die jüdische Religion. Eine Motivation dafür sieht die Forschung darin, einen Zusammenhalt der Volksstämme in Israel durch eine „definitive“ Religion sicherzustellen und Widersprüche in älteren heterogenen Überlieferungen auszugleichen.

Geschichte der Pentateuchforschung

Mit der Aufklärung begann in Europa die historisch-kritische Erforschung der Bibel. Seit dem 18. Jh. wurde die Bibel nicht mehr nur in ihrer Funktion als geoffenbartes Wort Gottes rezipiert, sondern auch in ihrer Gestalt als historisch gewachsenes Buch wahrgenommen und untersucht. Die historisch-kritische Forschung räumte ab dem 18. Jahrhundert auf mit der über Jahrhunderte geltenden Vorstellung, Mose sei der Autor des Pentateuch. Die Autorenschaft des Mose wurde u. a. deshalb bestritten, da Mose nicht über Dinge hätte berichten können, die vor (Weltschöpfung in Gen 1f) oder nach ihm (Tod des Mose in Dtn 34) geschehen waren.

Die frühe Forschung beobachtete im gesamten Pentateuch verschiedene Unstimmigkeiten und Dopplungen, so zum Beispiel:

  • zwei Berichte von der Schöpfung der Welt und des Menschen mit zum Teil widersprüchlichen Aussagen: als Spezies durch das reine Schöpferwort in Gen 1, als Mann durch ein Töpferwerk Gottes, als Frau aus der Rippe des Mannes in Gen 2;
  • zwei Versionen von der Dauer der Sintflut, vom Bau der Arche und der Rettung der Tiere in Gen 6-8;
  • dreifache Rettung der Stammmutter Sara bzw. Rebecca in Gen 12, 20 und 26;
  • mehrfache ätiologische Erklärung für das Heiligtum in Bet-El in Gen 12, 28 und 35.
  • Innerhalb des Pentateuch gibt es einen ständigen Wechsel der Gottesbezeichnungen „Elohim” und „JHWH
  • Wechsel zwischen den Begriffen „Sinai” und „Horeb”.

Bereits 1711 schloss der Hildesheimer Pfarrer Henning Bernhard Witter daraus auf zwei verschiedene Autoren der Schöpfungsberichte in Gen 1,1 - 2,4 und Gen 2,5 - 3,24. Der erste dieser Autoren benutzte in Gen 1,1 - 2,4a den Gottestitel „Elohim”, der zweite in Gen 2,4b-3,24 den Gottesnamen „JHWH”. Witters Beobachtungen wurden jedoch lange nicht rezipiert.

Erst der Franzose Jean Astruc, welcher der Leibarzt des französischen Königs Ludwig XV. war, baute die These Witters 1753 aus und stieß damit die kritische Forschung am Alten Testament an. Er rekonstruierte aus den Mehrfachüberlieferungen innerhalb des Pentateuchs, vor allem der Genesis, zwei durchlaufende und zwei weitere kürzere, ehedem selbständige Quellenschriften, die dem jetzigen Text zugrunde liegen. Diese Quellenschriften hätten je eigene Erzählungen der Frühzeit Israels enthalten und seien von Mose in vier Kolumnen (Astruc nennt diese Quellenschriften A, B, C und D) zusammengestellt worden.[2] Ein späterer, nachmosaischer Redaktor habe die vier Quellen ineinandergearbeitet („redigiert“).

Ältere Urkundenhypothese

In Deutschland weitete Johann Gottfried Eichhorn 1781 die These Astrucs auf den Textkomplex Gen 1 – Ex 2 aus und schied die Quellen in einen vormosaischen Elohist (benannt nach der Verwendung des Gottestitels „Elohim“) und einen nachmosaischen Jehowist (benannt nach der Verwendung des Gottesnamens „JHWH“).[3] Die Schreibung „Jehowist“ entspricht der damaligen Lesung des Gottesnamens „JHWH“, der bis ins 19. Jahrhundert irrtümlich als „Jehova(h)“ gelesen wurde.

Karl David Ilgen baute die These Eichhorns weiter aus, indem er noch einen zweiten Elohisten annahm und daher insgesamt drei Quellen unterschied.[4] Forschungsgeschichtlich wurde diese Theorie unter der Bezeichnung Ältere Urkundenhypothese (auch: Quellenhypothese) bekannt, da sie von mehreren (von der Schöpfung bis zur Landnahme reichenden) durchlaufenden Quellenschriften ausging, aus denen der heutige Textbestand des Pentateuchs zusammengearbeitet wurde.

Im 19. Jahrhundert entwickelten sich Gegentheorien, die die Entstehung des Pentateuchs anders zu rekonstruieren versuchten.

Fragmentenhypothese

Die so genannte Fragmentenhypothese ging von zahlreichen, ehedem selbständigen Erzählkränzen aus, die erst sukzessive zu einer Gesamterzählung zusammengearbeitet wurden. Unter einem Erzählkranz versteht die Forschung eine in sich geschlossene Gruppe von Episoden zu einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Person, wie etwa die Erzählungen um den Stammvater Abraham oder die Sintflut. Vertreter der Fragmentenhypothese waren der englische Pastor Alexander Geddes sowie der deutsche Forscher Johann Severin Vater.

Ergänzungshypothese

Als eine Art Verbindung aus Urkunden- und Fragmentenhypothese entwickelte sich die Ergänzungshypothese (auch: Grundschrifthypothese), deren wichtigster Vertreter Wilhelm Martin Leberecht de Wette war. Nach seiner Rekonstruktion bestand die Genesis zunächst aus einer einzigen Grundschrift oder Quelle (nach de Wette: elohistisch), in die ein jehowistischer Redaktor nach und nach einzelne, sich im Umlauf befindliche Erzählkränze einarbeitete. De Wette beobachtete außerdem die Doppelung vieler Gesetze in Ex 20-23 und Dtn 12-26. Er interpretierte diesen Befund als einen weiteren Hinweis auf verschiedene Autoren und Redaktoren innerhalb der ersten vier Bücher Mose („Tetrateuch“) und des „Deuteronomiums“.

Neuere Urkundenhypothese

Über viele Jahre bestimmend wurde die so genannte Neuere Urkundenhypothese, die im ausgehenden 19. Jahrhundert von den Alttestamentlern Karl Heinrich Graf, Abraham Kuenen und vor allem von Julius Wellhausen entwickelt wurde. Wellhausen formulierte in seinen Prolegomena zur Geschichte Israels (1886) die These, die Tora und das Buch Josua, die zusammen den sogenannten „Hexateuch“ bilden, seien aus mehreren fortlaufenden, literarischen Quellen zusammengesetzt. Diese ließen sich anhand verschiedener Merkmale, wie etwa der Wahl der Gottesbezeichnung, bestimmtem Vorzugsvokabular oder der theologischen Ausrichtung, unterscheiden.

Wellhausen unterscheidet vier Quellen:

In die jahwistische Quellenschrift (J) arbeitete ein Redaktor (RJE) aus der Zeit unmittelbar nach dem Untergang des Nordreiches Israel im Jahre 722 v. Chr. die elohistische Quelle (E) ein und schuf so das „Jehowistische Geschichtswerk“ (JE). Dieses wurde dann in nachexilischer Zeit wiederum in die Priesterschrift eingearbeitet.[5] Schließlich wurde von einem weiteren Redaktor (nach Wellhausen möglicherweise Esra) das Deuteronomium als eigene Größe hinzugefügt und so entstand der Pentateuch in seiner heutigen Gestalt. Wegen der vier von Wellhausen herausgearbeiteten Quellen, wurde die Neuere Urkundenhypothese manchmal auch als „Vierquellentheorie“ bezeichnet. Obwohl viele Schlussfolgerungen Wellhausens heute nicht mehr vertreten werden, bleibt seine These ein Meilenstein der alttestamentlichen Forschung. Martin Noth baute die These Wellhausens zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiter aus und verhalf ihr durch seine „Überlieferungsgeschichtlichen Studien“ (1948) zu langjähriger Geltung und breiter Rezeption in der alttestamentlichen Forschung.

Den Forschungsstand zur Mitte des 20. Jahrhunderts fasste der Alttestamentler Gerhard von Rad folgendermaßen zusammen:

„Die Verbindung der drei Geschichtswerke ist in der Weise erfolgt, dass man zunächst große Teile des elohistischen Werkes in das des Jahwisten eingearbeitet und später - nachdem die Priesterschrift vorlag - den Stoff des kombinierten jahwistisch-elohistischen Werkes in den Rahmen der Priesterschrift hineingestellt hat. Dieser mehrfach gestufte Redaktionsprozess hat schließlich zu jenem umfangreichen Erzählwerk am Anfang der Bibel geführt, das von der Erschaffung der Welt bis hin zu der Sesshaftwerdung Israels in Palästina reicht.[6]

Aktuelle Forschung

Seit Beginn der 1970er Jahre wird die Neuere Urkundenhypothese zunehmend in Frage gestellt. Erst wurde die Existenz einer elohistischen Quellenschrift, dann die einer jahwistischen Quellenschrift in Frage gestellt (erstmals von Hans Heinrich Schmid). Bei J und E handelt es sich nach Ansicht der neueren Forschung insofern nicht um Quellen, als sie die Kriterien einer eigenständigen Quelle (sinnvoller Anfang, sinnvolles Ende, durchlaufender Erzählfaden und erkennbare Gesamtkonzeption) nicht erfüllen.

Daher geht die aktuelle Forschung meist nur noch von einer wirklichen Quelle innerhalb des Pentateuch aus, der Priesterschrift. Allein die Priesterschrift besitzt einen von der Erschaffung der Welt bis zur Landnahme reichenden, durchgehenden Erzählfaden. Sie zeichnet sich durch eine klar erkennbare theologische Linie und wiederkehrende Formulierungen aus.

Alle anderen Texte, die zuvor J oder E zugewiesen wurden, werden heute in der Regel zu jüngeren Redaktionen gerechnet oder als ältere Einzeltraditionen angesehen, die keinen gesamten Geschichtsverlauf erzählen. Die Mehrzahl der neueren exegetischen Entwürfe – etwa von Reinhard Gregor Kratz, Erhard Blum, Eckart Otto, Erich Zenger, Jan Christian Gertz, Konrad Schmid, Markus Witte – spricht bei diesen Texten daher einfach von vor- oder nicht-priesterschriftlichen Texten.

Auch das Deuteronomium kann streng genommen nicht als Quelle betrachtet werden, da es keinen gesamten Geschichtsverlauf erzählt. Es ist und bleibt in der Forschung stets eine Größe sui generis. Es nimmt sowohl für die Entstehungsgeschichte des Pentateuch wie für die Entstehungsgeschichte des s. g. Deuteronomistischen Geschichtswerkes eine Schlüsselstellung ein. Über seine genaue Verortung (Abschluss des Pentateuch oder Beginn des Deuteronomistischen Geschichtswerkes?) ist die Wissenschaft uneins.[7]

Die alttestamentliche Einleitungswissenschaft durchläuft momentan einen Paradigmenwechsel, da die jahrelang geltenden Datierungs- und Entstehungsmodelle nicht mehr tragen. Auch inhaltlich vollzieht sich ein Wandel im Verständnis des Pentateuch. So wurde besonders die Figur des Mose als weithin redaktionelles Konstrukt „destruiert", welches sekundär ganz verschiedene, ursprünglich selbstständig überlieferte Traditionskomplexe miteinander verbinden sollte: den Exodus Israels aus Ägypten, den Zug durch die Wüste, die Sinaioffenbarung und den Beginn der Landnahme.

Das Münsteraner Pentateuchmodell

Große Verbreitung hat in den letzten Jahren das sogenannte Münsteraner Pentateuchmodell erfahren, es stellt jedoch keinen Konsens der aktuellen Forschung dar. Das Modell geht auf Erich Zenger zurück. Zenger geht von drei Quellenschriften aus:

  • Quelle JG = nichtpriesterliche Texte (ca. 700 v. Chr.)
  • Quelle D = deuteronomistische Texte (vor 567 v. Chr.)
  • Quelle P = priesterliche Texte (nach 520 v. Chr.).[8]

Die Texte, die in diesen Quellen vereint sind, sind verschieden alt und haben eine komplizierte Entstehungsgeschichte. Die endgültige Redaktion des Pentateuchs wird auf spätestens 400 v. Chr. geschätzt, da sich zu dieser Zeit die Samaritaner vom Jerusalemer Zentralheiligtum abspalteten und für sich nur die Tora, also den Pentateuch als Korpus heiliger Schriften anerkannten (siehe Samaritanischer Pentateuch). Somit muss die Entstehung des Pentateuchs zu dieser Zeit im großen und ganzen abgeschlossen gewesen sein.

Die Bedeutung der Tora im Judentum

Innerhalb des Judentums ist die herausragende Bedeutung der Tora unstrittig, da sie zur Grundlage für die religionsgesetzliche (halachische) Auslegung des rabbinischen Judentums wurde. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass im weiteren Verlauf der jüdischen Geschichte nicht die Tora im Mittelpunkt des rabbinischen Interesses lag, sondern die religionsgesetzliche Diskussion, wie sie im Talmud zum Prinzip geworden ist. Zwar entstanden zum Text der Tora Midraschim, die im weitesten Sinn eine Auslegung der Tora darstellen, doch waren die rabbinischen Autoritäten an der halachischen Diskussion und später an der Festlegung halachischer Standards interessiert. Erst Raschi (1040-1105) schuf mit seinem Kommentar zur Tora und zu anderen biblischen Büchern eine Art wegweisende Auslegung und ermöglichte damit eine ernsthafte Beschäftigung mit der Tora.

Die Offenbarte und verborgene Dimension

Im orthodoxen Verständnis hat die Tora zwei Dimensionen – eine offenbarte und eine verborgene. Die offenbarte Dimension enthält die Gesetze der Tora, die ein Ausdruck des Willens Gottes sind. Im Hebräischen heißt dieser Aspekt Gufej Tora („Körper der Tora“) oder Nigleh, die „offenbarte Dimension“. Neben dem „Körper“ der Tora gibt es auch die „Seele“ der Tora – die mystische Dimension. Sie birgt Einsichten über die göttliche Existenz und ihre Offenbarung, den Schöpfungsprozess und das Wesen der menschlichen Seele. Im Hebräischen wird dieser Aspekt auch Sitrej Tora genannt, die „Geheimnisse der Tora“, oder Nistar, die „verborgene Dimension“.

Die vier Bedeutungsebenen der Tora

Hauptartikel: PaRDeS

Die unterschiedlichen Bedeutungsebenen der Tora werden in der orthodoxen Auffassung in 4 allgemeine Kategorien geteilt:

  • Peschat ist die wörtliche, einfache Bedeutung des Verses. Der Vers (Gen. 1:1) „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ bedeutet demnach, dass Gott im Anfang den Himmel und die Erde schuf.
  • Remes sind die Hinweise und indirekten Bezugnahmen der Tora. Die Gematria etwa, der numerische Wert der hebräischen Buchstaben, ist eine der Methoden der Tora, auf Zusammenhänge hinzuweisen. Die Gematria von bereschit bara „Im Anfang schuf (Er)“ ist ident mit der von b'rosch ha'schana nivra ha'olam „an Rosch HaSchana wurde die Welt geschaffen“, erklärt beispielsweise der mittelalterliche Bibelkommentator Baal HaTurim (ca. 1275-1349).
  • Drasch legt die abstrakte Bedeutung des Verses offen. Das hebräische Wort für „Im Anfang“ ist bereschit. Wie der Midrasch ausführt, kann dieses Wort in zwei geteilt werden: b - reschit. Damit will der Vers sagen, dass die Welt für die zwei (im Hebräischen der Buchstabe b) reschit („Anfang“, „Erster“) geschaffen wurde – das jüdische Volk und die Tora (siehe den Kommentar von Raschi ad. loc.).
  • Sod (hebr. „Geheimnis“) ist der mystische Teil der Tora. Dem kabbalistischen Tikkune Sohar zufolge kann das Wort bereschit gelesen werden als bara schit „geschaffen (mit) sechs“, und drückt damit aus, dass Gott die Welt mit sechs emotionellen Attributen (hebr. „Middot“) schuf: Liebe, Strenge, Harmonie, Ambition, Herrlichkeit und Verbund (siehe Sephiroth).

Aber auch innerhalb dieser vier Ebenen gibt es verschiedene Interpretationen der Tora. Auf der Ebene des Peschat etwa kennt das Judentum nicht eine, sondern mehrere Autoritäten (Raschi, Ibn Esra, Raschbam u.v.m.). Und trotz einheitlicher Grundausrichtung auf die wörtliche Interpretation kommen sie zu unterschiedlichen Lehrmeinungen über die einzelnen Verse und Ereignisse.

Das orthodoxe Toraverständnis

Der grundlegende Unterschied zwischen orthodoxem Judentum und progressivem Judentum ist das Verständnis der Offenbarung. Die orthodoxe Tradition innerhalb des Judentums betrachtet die Tora als Gotteswort, das Mosche am Berg Sinai von Gott selbst gegeben wurde. Es wird in einigen orthodoxen Kreisen durchaus eingeräumt, dass sich in der Tradierung des Gotteswortes hier und da einige Schreibfehler eingeschlichen haben könnten, das fechte die Tatsache, dass die Tora das Wort Gottes sei, jedoch nicht an. So ist dem orthodoxen Standpunkt ein Satz wie „Da erschuf Gott den Menschen in seinem Ebenbilde …“ (Gen 1,28) eine Tatsache, da das Wort Gottes per definitionem die Wahrheit selbst ist. Dies impliziert auch, dass jedes Wort der Tora einen Sinn haben muss, da kein Buchstabe Gottes Wortes überflüssig sein könne. Wo die modernen Wissenschaften mit dem Tanach in Widerspruch stünden, würde sich einmal zeigen, dass sie sich irrten.

Das progressives Toraverständnis

Das nicht-orthodoxe Judentum sieht die Offenbarung als einen fortschreitenden also „progressiven” Dialog des Volkes Gottes mit seinem Gott. Im nicht-orthodoxen Judentum wird die Tora heute mit Hilfe erkenntnistheoretischer Kriterien gedeutet. Das Gewissen, die Vernunft, ethische Überlegungen, Erkenntnisse der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften beschränken die Bedeutung und die Auswirkung der Gebote und Verbote der Tora.

Die jüdische progressive Zivilisation ist in der Zeit von Menschenrechten, demokratischen Entscheidungen und Naturwissenschaften vor allem um die Einhaltung der Moralgesetze bemüht. Sie glaubt nicht, dass der Tanach, die Tora das unabänderliche Wort Gottes ist, aber dass diese im Kern göttlich inspiriert sind. Die Offenbarung ist ein fortschreitender Prozess. Gott offenbart die Inhalte seines Willens und seiner Gebote jeder Generation neu. Diese Haltung macht es möglich, die tradierte jüdische Rechtspraxis dort zu ändern, wo sie nach progressiver Auffassung den ethischen Normen des Judentums nicht mehr entspricht. Dazu zählen bestimmte Regeln in Bezug auf Scheidung, Mamser (d.h. ein aus einer inzestuösen oder ehebrecherischen Beziehung stammendes Kind), Kohanim (Priester), Homosexuelle etc. und vor allem die volle religiöse Gleichberechtigung von Frauen. Die Ausführung der Mitzwot wird in die verantwortliche Entscheidung des Einzelnen gestellt.

Das progressive Judentum bestimmt für sich Teile der Tradition, die immerwährende Bedeutung haben, getrennt von solchen, die zeitbedingt und relativ sind. Wertelemente der jüdischen Tradition und des Judentums von Dauer sind der Schabbat, das Streben nach Gerechtigkeit und die Heiligkeit des Lebens. Zeitbezügliche, relative Wertelemente sind zum Beispiel das Tempelopfer und die unbedingte Macht des Mannes über seine Frau (als juristische Sache).

Die Tora im Christentum

Die fünf Bücher Mose im Rahmen des Alten Testaments

Das Alte Testament (AT) ist dreigegliedert wie der Tanach. Der Pentateuch eröffnet die christliche Bibel. Dabei bildet die Tora jedoch keine eigene Einheit, sondern ist meist mit den vorderen Propheten (Josua, Richter, Samuel, Könige) und den Büchern Ruth, Chronik, Esra, Nehemia und Ester als Gruppe der Geschichtsbücher sortiert. Die katholische Kirche zählt zu den Geschichtsbüchern noch die Bücher Tobit und Judith, die nicht Teil der hebräischen Bibel sind. In anderer Reihenfolge bezüglich des Tanach folgen im AT die Schriften (Ketubim) und erst dann die hinteren Propheten (Nebiim). Mit der abweichenden Sortierung gehen im Christentum Abweichungen des Verständnisses des Pentateuchs einher. Die fünf Bücher Mose werden nicht mehr als Lehre, Gesetz gelesen, sondern als Geschichtsbücher. Es stehen im Christentum nicht mehr die Lehren und Gesetze im Vordergrund, sondern die Verheißungen – besonders die Abraham-Verheißung – und die Erzählungen von Gottes geschichtlichem Handeln.

Bedeutung und Bewertung

Da die christliche Kirche das Alte Testament (und damit auch die Tora) in ihren Kanon aufgenommen hatte, wurden inhaltliche Schwerpunkte der Tora wie Schöpfung oder Nächstenliebe zum Allgemeingut der westlich-christlichen Kultur.

In der frühchristlichen Theologie des Paulus erscheint allerdings als Gegenteil von Gnade auch das Gesetz (gr. νομος, nomos). Gemeint sind damit die Lehren und Traditionen des Judentums im Allgemeinen und im engeren Sinn die Tora. In diesem Zusammenhang erscheint Gnade als Proprium des Christentums, während vom Gesetz zumeist in abfälliger oder zumindest ablehnender Weise die Rede ist: Der Mensch könne durch das Gesetz nur einen Anschein von Rechtfertigung erlangen (Vorwurf des Versuchs der Selbsterlösung), während es wahrhafte Rechtfertigung nur (vermittels des Glaubens) durch die freie Gnade Gottes gebe.

Daraus entwickelte sich ein hegemonistischer Diskurs der Mehrheits- über die Minderheitsreligion, wobei Christen stärker als Juden den legalistischen, kasuistischen Charakter der Tora betonten. Weitere Vorurteile waren „Lohnmoral“, „Formalismus“, „Leiden unter dem Gesetz“ oder „Unerfüllbarkeit“ aller Einzelforderungen.[9] Teils heute noch vielmals zitiert wird das „Auge-um-Auge-Prinzip“, das nach allgemeiner Auffassung den Rachegedanken bediene, während eine genauere Analyse (auch mithilfe rabbinischer Klärungen) die Begrenzung von Schadenersatzforderungen beinhaltet.

Im 19. Jahrhundert wurde die Einschätzung des Judentums als Religion des Gesetzes auf die nachexilische Zeit verschoben. Nach Julius Wellhausen sei dann jüdische Identität alleine definiert worden durch Befolgung – heteronom und willkürlich von Gott gesetzter – Vorschriften, nicht mehr durch die Erwählung Israels. Ed Parish Sanders brachte beides wieder zusammen und begründete eine Neue Perspektive auf Paulus mit. Heil werde auch nach jüdischer Vorstellung nicht durch Gesetzeserfüllung erreicht, sondern sei im von Gott ausgehenden Bund begründet. Dieser verlange Gehorsam dem Gesetz gegenüber, aber auch bei Übertretungen sei es durch in der Tora vorgesehene Sühnemittel möglich, im Bund zu verbleiben. Heute wird in der christlichen Theologie ein früheres Zerrbild vom Mosegesetz weithin kritisiert, und jüdische Interpretationen der Tora werden stärker beachtet.[10]

Die Tora im Islam

In seiner Grundhaltung und Weltanschauung verweist der Islam auf das Erbe der Propheten und auf den klaren Monotheismus Abrahams (Ibrahim). Judentum und Christentum gelten dem Islam als Religionen, die auch einen Anteil an der göttlichen Offenbarung haben. Aus verschiedenen Suren des Korans (3:3; 3:50; 3:65: 5:43ff.; 5:66ff.; 5:110; 7:157; 9:111; 48:29; 61:6; 62:5) ist den gläubigen Muslimen geläufig, dass der Qurʾān (Koran) Wurzeln in der Tora (arabisch ‏توراة‎, DMG taurāh) hat.

Einige Bestimmungen der Tora werden im Qur'an zitiert, so das Prinzip „Auge um Auge“, welches aber relativiert wird:

„Wir hatten ihnen darin vorgeschrieben: Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr und Zahn um Zahn; und für Verwundungen gerechte Vergeltung. Wer aber darauf verzichtet, dem soll das eine Sühne sein; und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat – das sind die Ungerechten.“

Koran 5:45: Übersetzung von Rasul

Gemäß dem Koran wird auch das Auftreten des Propheten Mohammed (Muhammad) in der Tora prophezeit:

„Dies sind jene, die dem Gesandten, dem Propheten folgen, der des Lesens und Schreibens unkundig ist; dort in der Thora und im Evangelium werden sie über ihn (geschrieben) finden: er gebietet ihnen das Gute und verbietet ihnen das Böse, und er erlaubt ihnen die guten Dinge und verwehrt ihnen die schlechten, und er nimmt ihnen ihre Last hinweg und die Fesseln, die auf ihnen lagen. Diejenigen also, die an ihn glauben und ihn stärken und ihm helfen und dem Licht folgen, das mit ihm herabgesandt wurde, die sollen erfolgreich sein.“

Koran 7:157: Übersetzung von Rasul

Nach geläufiger muslimischer Auffassung bezieht sich das auf 5 Mos 18,18 EU.

Obwohl die Tora wie auch das Evangelium im Koran als heilige Schriften erwähnt werden, werden sie von Muslimen jedoch kaum studiert, da nach islamischer Auffassung die Originale von Tora und Evangelium (Indschil) verloren gegangen sind. So gelten die heutigen Versionen als verfälscht.

Aus muslimischer Sicht ist der Grund für die Ähnlichkeiten zwischen Qur'an und Tora, dass in der Tora trotz Veränderungen im Laufe der Zeit durch menschlichen Einfluss immer noch Elemente der ursprünglichen göttlichen Offenbarung enthalten und somit in der letzten Offenbarung Gottes (Allah), dem Qur'an, wiederzufinden sind.

Wissenswertes

  • Wird die Tora im Synagogengottesdienst getragen oder gelesen, so wird sie nur an den beiden Holzstangen gehalten. Das Pergament wird möglichst nicht berührt. Somit bleibt die Schrift leserlich und erhalten, denn eine Tora wird sehr aufwändig von Hand geschrieben. Dazu wird ein speziell ausgebildeter Schreiber, der Sofer, beauftragt. Ein Sofer benötigt zum Schreiben einer Tora etwa ein volles Jahr.
  • Die Tora wird in Synagogen an einem speziellen Schrein, dem Aron haKodesch aufbewahrt. Meist ist dieser mit einer Tür und einem Vorhang, dem Parochet, verschlossen. Der Toraschrein wird während spezieller Gebete geöffnet, sowie zu Gelegenheiten an denen aus der Torarolle gelesen wird.
  • Alle Zeilenbreiten und -längen sind durchgehend gleichbleibend.

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Pentateuch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

Historische Entwürfe
  • Henning Bernhard Witter: Jura Israelitarum in Palaestinam terram Chananaeam, commentatione perpetua in Genesin demonstrata. Hildesheim 1711
  • Jean Astruc: Conjectures sur les mémoires originaux, dont il paroit que Moyse s'est servi pour composer le livre de la Genèse. Bruxelles 1753
  • Johann Gottfried Eichhorn: Einleitung in das Alte Testament. 3 Bände, Leipzig 1780-1783
  • Alexander Geddes: The Holy Bible or the books accounted sacred by Jews and Christians. London 1792
  • Karl David Ilgen: Die Urkunden des jerusalemischen Tempelarchivs in ihrer Urgestalt. Band 1: Die Urkunden des ersten Buchs von Moses in ihrer Urgestalt. Halle 1798
  • Wilhelm Martin Leberecht de Wette: Dissertatio critica. Jena 1805
  • Julius Wellhausen: Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments. Berlin 1876
  • Julius Wellhausen: Prolegomena zur Geschichte Israels. Berlin 1878
  • Otto Eissfeldt: Hexateuch-Synopse, Leipzig 1922
  • Martin Noth: Überlieferungsgeschichtliche Studien. Teil 1: Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse 18,2). Niemeyer, Halle 1943
  • Martin Noth: Überlieferungsgeschichte des Pentateuch. Kohlhammer, Stuutgart 1948
Neuere Forschung
Forschungsberichte
  • Cornelis Houtman: Der Pentateuch. Die Geschichte seiner Erforschung neben einer Auswertung. (CBETh 9) Kampen 1994, ISBN 90-390-0114-6
  • Edouard Naville: The Higher Criticism in Relation to the Pentateuch, Verlag Bibliobazaar 2009, ISBN 1110470142

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Tora – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Tora – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Duden 2004
  2. Vgl. Astruc, Conjectures, S. 143f.
  3. Vgl. Eichhorn, Einleitung III, S. 22f.
  4. Vgl. Ilgen, Urkunden, S. 393f.
  5. Vgl. Wellhausen, Prolegomena, S. 8.
  6. Vgl. von Rad, Altes Testament, Piper, 23.
  7. Vgl. Kratz, Komposition, 118f.
  8. Vgl. Zenger, Einleitung, 100-106.
  9. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-012339-7, S. 263-266
  10. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, 2010, S. 220f., 263-266, 275f.

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