- Szmalcownik
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Szmalcownik (dt. Schmalzownik) wurden während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg Polen genannt, die für Geld versteckte Juden ausfindig machten, sie und ihre polnischen Beschützer erpressten und/oder an die Deutschen verrieten.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Der abwertend gemeinte Begriff entstammt nach Mitteilung eines polnischen Historikers[1] dem Warschauer Dialekt des Polnisch-Jiddischen (schmalz/szmalc = Geld im Sinne von „fette Beute“ mit der unterschwelligen Bedeutung „schmierig“). Er ist in der polnischen Sprache bis heute wichtig vor allem im Hinblick auf den unbewältigten Antisemitismus Polens.[2] Henry Armin Herzog schildert in seiner Autobiographie die näheren Umstände und deren verhängnisvolle Bedeutung für die damaligen Juden in Polen, die dort in Verstecken lebten:
„Herr Zwolinski erzählte uns, daß viele Polen Jagd auf Juden machen würden, die es wagten, in ihre ‚arische‘ Welt einzudringen. Zuerst erpreßten sie sie, und nachdem sie ihnen alles abgenommen hatten, übergaben sie sie der Gestapo. In diesem perfiden Doppelspiel erhielten sie schließlich auch noch eine Belohnung dafür, daß sie einen Juden auslieferten. Der Untergrund sammelte Informationen über diese sogenannten Schmalzowniks, und einige von ihnen waren zur Warnung bereits erschossen worden, aber sie gaben nicht auf.“
– Herzog: Und der Himmel vergoss keine Tränen, S. 203.
Politik und Recht
Die gefährlichsten Szmalcowniks waren häufig Mitglieder der antisemitischen Faschistenorganisationen Szaniec (Sangar) und Miecz i Pług (Schwert und Pflug). Der im Geheimen Untergrundstaat und der Exilregierung organisierte polnische Widerstand betrachtete die Aktivitäten der Szmalcowniks als Kollaboration mit den deutschen Besatzern. Die polnische Heimatarmee Armia Krajowa bestrafte solche Aktivitäten als Verrat mit dem Tode. Auch das Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego (Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung) folgte dieser Linie mit einem Dekret vom 31. August 1944. Dieses Dekret hat bis heute in Polen Gesetzeskraft, und wer überführt wird, während des Krieges ein Szmalcownik gewesen zu sein, wird mit lebenslanger Haft bestraft. Nach dem Krieg gab es allerdings nur wenige derartige Urteile, da die meisten Zeugen entweder bereits tot oder geflohen waren, und man nimmt daher an, dass die meisten Szmalcowniks friedlich und unerkannt ihr Leben zu Ende lebten.
Aktivitäten während der Besatzung
Vor allem in Warschau gab es viele Szmalcowniks, und sie bildeten dort manchmal regelrechte Banden. Gunnar S. Paulsson schätzt, dass ein bis zwei Prozent der Warschauer Polen zu ihnen gehört haben.[3] Das waren etwa 13.000 – 26.000. Bis 1945 verloren allerdings einschließlich von 370.000 Juden 685.000 Warschauer ihr Leben.[4] Der Schaden, den diese Kriminellen anrichteten, war beträchtlich. Die meisten interessierten sich allerdings nur für Geld und beraubten die Juden der Mittel, die sie für Nahrung, Bestechungen, Zahlungen an Fluchthelfer und so weiter benötigten. Damit verstärkten sie den Druck, der auf den Juden und ihren unsicheren Lebensverhältnissen lastete und zwangen die in Verstecken Lebenden ständig, sich nach einem neuen und sichereren Unterschlupf umzusehen. Erpressung der Juden und ihrer Beschützer verstärkte diesen Druck noch beträchtlich, auch die Gefahr, schließlich doch gefangen und getötet zu werden. Juden, die verborgen auf der „arischen“ Seite, also nicht in den Ghettos lebten, fürchteten die Szmalcowniks mehr als die Deutschen, denn polnische Erpresser waren Experten im Erkennen jüdischer Gesichtszüge.
Longerich, Jäckel und Schoeps fassen zusammen:„Der Hauptgrund, warum sich nur wenige Juden versteckt halten konnten, lag in der steigenden Zahl von Polen, die Juden aus Habgier oder anderen Gründen den Deutschen auslieferten. Außer den später als Gerechte unter den Völkern Ausgezeichneten[5], die den Juden aus humanitären Motiven halfen, gab es nicht wenige Polen, die sich ihre Hilfe bezahlen ließen.“
– Enzyklopädie des Holocaust, Bd. III, S. 1548
Zu Beginn der deutschen Besetzung gaben sich die Szmalcowniks meist mit wenigen hundert Złoty zufrieden, nachdem allerdings die Todesstrafe für das Verstecken von Juden eingeführt worden war, stiegen die Forderungen auf mehrere hunderttausend Złoty. (Der amtliche Wechselkurs im Generalgouvernement betrug ab 1943 50 RM für 100 Złoty, das entspricht ca. 174 €.[6]
Auch von deutscher Seite wurden die Szmalcowniks manchmal als Kriminelle behandelt und entsprechend bestraft. Grund war, dass diese auch deutsche Beamte und Polizisten bestachen, denn nach der Denunzierung eines reichen Juden teilten die Szmalcowniks und die korrupten Deutschen häufig das gestohlene Geld.
Nachwirkung
Das polnisch-jüdische Verhältnis ist nicht zuletzt aus diesem Grunde und vor diesem historischen Hintergrund bis heute stark belastet, zumal es sogar noch nach Kriegsende 1946 das Pogrom von Kielce gegeben hat. Einen Eindruck von der gegenwärtigen Situation in Polen und den hier künstlerischen Versuch, dies in Erinnerung zu rufen und so zu bewältigen, vermittelt ein am 3. April 2010 auf 3sat gezeigter Fernsehfilm.[7]
Zum Widerstand in Polen siehe das unter Literatur genannte Werk von Arno Lustiger.[8]
Literatur
- Werner Bergmann: Geschichte des Antisemitismus. „Reihe Wissen“. Verlag C.H. Beck, München 2002. ISBN 3-406-47987-1
- Jan Grabowski: "Ja tego żyda znam!": szantażowanie żydów w Warszawie, 1939–1943 / "I know this Jew!": Blackmailing of the Jews in Warsaw 1939-1945. Warsaw, Poland: Wydawn. IFiS PAN : Centrum Badań nad Zagładą Żydów 2004. ISBN 8373880585. OCLC 60174481.
- Henry Armin Herzog: Und der Himmel vergoss keine Tränen. Aus der Verzweiflung in den Widerstand. Mit einem Vorwort von Wolf Biermann. Kiepenheuer & Witsch, 2000. ISBN 3-462-02884-7.
- Eberhard Jäckel, Peter Longerich, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. 4 Bde. 2. Aufl. Piper Verlag, München 1998. ISBN 3-492-22700-7
- Arno Lustiger: Zum Kampf auf Leben und Tod! Vom Widerstand der Juden in Europa 1933–1945. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1994, 3-462-02292-X / area Verlag, Erftstadt 2004, ISBN 3-89996-269-9.
- Gunnar S. Paulsson: Secret City: The Hidden Jews of Warsaw, 1940–1945. Yale University Press, New Haven 2002. ISBN 978-0-300-09546-3.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Dr. Jacek Myarczyk, Deutsches Historisches Institut Warschau, am 13. Juli 2006 in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, anläßlich des Symposiums zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Konrad Kwiet, Sydney: Holocaust-Forschung: nationale Trends und internationaler Vergleich.
- ↑ Bergmann: Geschichte des Antisemitismus, S. 133 – 138.
- ↑ Paulsson: Secret City, S. 113.
- ↑ Jäckel/Longerich/Schoeps: Enzyklopädie des Holocaust Bd. III, S. 1522ff. Die Angaben beziehen sich auf die Einwohnerzahl von 1935 (1,3 Mio). 1939 waren 29,1% der Einwohner Juden (375.000).
- ↑ Stand 2009: 6135 Polen (zum Vergleich: 460 Deutsche).
- ↑ Quelle: Historische Umrechnungstabelle RM/€ des Statistischen Bundesamtes.
- ↑ Antisemitismus im heutigen Polen: Kulturzeit, 3sat vom 6. April 2010. Film im Internet abrufbar.
- ↑ Lustiger: Zum Kampf auf Leben und Tod, S. 77 – 257.
Weblinks
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