Julius H. Schoeps

Julius H. Schoeps
Julius H. Schoeps (2009)

Julius Hans Schoeps (* 1. Juni 1942 in Djursholm/Schweden) ist ein deutscher Historiker und Politikwissenschaftler, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam und Vorstandsvorsitzender der Moses Mendelssohn-Stiftung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Julius Schoeps, zu dessen Vorfahren Moses Mendelssohn (1729–1786), der Religionsreformer und Textilunternehmer David Friedländer (1750–1834) sowie der Arzt und Sanitätsrat Julius Schoeps (1864–1942) zählen, kam während des Exils seiner Eltern, des Religionsphilosophen und Historikers Hans-Joachim Schoeps (1909–1980) und der Dorothee Busch (1915–1996), in Schweden zur Welt. Dort wurde auch sein jüngerer Bruder Manfred (* 1. Januar 1944) geboren. 1948 folgte Schoeps seinem Vater nach, der bereits 1946 nach Deutschland zurückgekehrt war.

1963 legte Julius Schoeps sein Abitur ab und begann ein Studium der Geschichte, Politikwissenschaft, Kommunikations- und Theaterwissenschaft in Erlangen und an der Freien Universität Berlin. 1969 wurde er promoviert, 1973 habilitierte er sich.

Von 1974 bis 1991 war er Professor für Politische Wissenschaft an der Universität/Gesamthochschule Duisburg, von 1986 bis 1991 zudem Gründungsdirektor des Duisburger Salomon-Ludwig-Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte. Zudem nahm Schoeps zwischen 1980 und 2007 Gastprofessuren in Budapest, Tel Aviv, New York, Oxford und Seattle wahr.

Von 1991 bis 1994 war Schoeps Mitglied des Gründungssenats der Universität Potsdam sowie von 1991 bis zum Sommersemester 2007 Professor für Neuere Geschichte (Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte) an der Universität Potsdam. Seit 1992 ist er Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien, eines An-Instituts der Potsdamer Universität. Außerdem war Schoeps von 2001 bis 2007 Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs „Makom – Ort und Orte im Judentum“ an der Universität Potsdam.

Schoeps ist seit 1984 Vorsitzender der 1958 von seinem Vater Hans-Joachim Schoeps in Erlangen gegründeten Gesellschaft für Geistesgeschichte (GGG), die heute ihren Sitz in Potsdam hat, und Herausgeber der Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (ZRGG). Von 1993 bis 1997 war Schoeps Gründungsdirektor des Jüdischen Museums der Stadt Wien, von 1995 bis 2005 Gründungsdirektor der Moses Mendelssohn Akademie in Halberstadt, seitdem Vorsitzender ihres Kuratoriums.

Seit 1992 ist Schoeps Vorsitzender der Moses Mendelssohn-Stiftung, die in der Tradition der 1929 gegründeten gleichnamigen Moses „Mendelssohn Stiftung zur Förderung der Geisteswissenschaften“ steht. Die Stiftung − gegründet von Nachfahren Mendelssohns und Mitgliedern des Familienverbundes Mendelssohn-Bartholdy − fördert Bildung, Erziehung, Wissenschaft und Forschung auf dem Feld der europäisch-jüdischen Geschichte und Kultur. Die Stiftung ist Gesellschafterin der Firmengruppe MMP-GBI und engagiert sich in diesem Zusammenhang für gemeinnützige Bauprojekte, u. a. den Bau und die Verwaltung von Studentenwohnheimen in verschiedenen Städten Deutschlands.

Seit 2003 kämpfte Schoeps als Sprecher der Erben des Bankiers Paul von Mendelssohn-Bartholdy um die Restitution verschiedener Kunstwerke aus dessen Besitz.[1] Anfang 2009 kam es in dieser Frage zu einem Vergleich mit dem Guggenheim Museum und dem Museum of Modern Art in New York City.[2] Im Januar 2010 kam es zu einem Vergleich der Erben mit dem Eigentümer der Picasso-Bild Porträt von Angel Fernández de Soto. Es verbleibt im Besitz von Andrew Lloyd Webber, der es 1995 bei Sotheby's London für 26,5 Millionen Dollar erworben hatte.

Seit 2008 ist Julius H. Schoeps Senior-Fellow (Seniorprofessor) am Institut für Kulturwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, seit 2009 gemeinsam mit Christina von Braun Leiter des Kollegiums Jüdische Studien und Sprecher des Walther Rathenau Graduiertenkollegs „Liberalismus und Demokratie. Zur Genealogie und Rezeption politischer Bewegungen von der Aufklärung bis zur Gegenwart“.[3] Zudem unterstützte er anfänglich das Projekt Zentrum gegen Vertreibungen von Erika Steinbach und Peter Glotz[4], das er im September 2010 aufgrund abfälliger Äußerungen Steinbachs über den polnischen Politiker Władysław Bartoszewski verließ.[5]

Ehrungen

  • 2005: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
  • 2009: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse

Publikationen (Auswahl)

  1. Von Olmütz nach Dresden 1850/51. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformen am Deutschen Bund (=Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz. Bd. 7), Köln/Berlin [West] 1972, 230 Seiten
  2. Bismarck und sein Attentäter. Der Revolveranschlag Unter den Linden am 7. Mai 1866. Berlin [West] 1984, 186 Seiten
  3. Über Juden und Deutsche. Historisch-politische Betrachtungen, Stuttgrat/ Bonn 1986, 218 Seiten, 2. überarbeitete und erweiterte Neuauflage (= Deutsche-jüdische Geschichte durch drei Jahrhunderte, Bd. 4), Hildesheim 2010, 325 Seiten
  4. Leiden an Deutschland. Vom antisemitischen Wahn und der Last der Erinnerung. München 1990, 212 Seiten
  5. Bürgerliche Aufklärung und liberales Freiheitsdenken. A. Bernstein in seiner Zeit (= Studien zur Geistesgeschichte, Bd. 14), Stuttgart/ Bonn 1992, TB (Pendo-Pocket, Bd. 18), Zürich 1998, 304 Seiten, Nachdruck (= Deutsche jüdische Geschichte durch drei Jahrhunderte, Bd. 5), Hildesheim 2011
  6. Theodor Herzl und die Dreyfus Affäre (= Wiener Vorlesungen, Bd. 34). Wien 1995, 78 Seiten
  7. Theodor Herzl 1860–1904. Wenn Ihr wollt, ist es kein Märchen. Eine Bild-Text-Monographie, Wien 1995, 224 Seiten [Engl. Übersetzung: Theodor Herzl and the Zionist Dream, London 1997, 223 Seiten; Lizenzausgabe: Theodor Herzl. A Pictorial Biography. If you will it, it is not a dream, Studio City, Cal. 1997]; hebr. Übersetzung: Im tirzu, ejn so aggada, Jerusalem 2001, 222 Seiten; Lizenzausgabe 2004 [Modernes Antiquariat].
  8. Deutsch-jüdische Symbiose oder die mißglückte Emanzipation, Bodenheim/Mainz 1996, 420 Seiten. Lizenzausgabe für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996; Neuauflage unter dem Titel Die missglückte Emanzipation. Wege und Irrwege deutsch-jüdischer Geschichte, Berlin u. a. 2002, 418 Seiten, 3. unveränderte Auflage (= Deutsche jüdische Geschichte durch drei Jahrhundert, Bd. 1), Hildesheim 2010
  9. Das Gewaltsyndrom. Verformungen und Brüche im deutsch-jüdischen Verhältnis, Berlin 1998, 198 Seiten, 2. überarbeitete und erweiterte Neuauflage (=Deutsch-jüdische Geschichte durch drei Jahrhunderte, Bd. 8), Hildesheim 2012, 420 Seiten
  10. Neues Lexikon des Judentums [mit Beiträgen u.a. von Avraham Baleanu, H. Castritius, Walter Grab, Jacob Toury, Willi Jasper, Pnina Navé-Levinson, Salomon Korn, Cilly Kugelmann, Schalom Ben Chorin, Harry Pross, Friedrich Battenberg, H. Meier-Cronemeyer, Edna Brocke, Hans-Otto Horch/ Itta Shedletzky, F. Lotter, Alphons Silbermann, Nahum Orland, Arno Herzig, Heiner Lichtenstein, Ludger Heid, D. Krochmalnik, Hans Keilson, Michael A. Meyer, H. Künzel, Micha Brumlik, Michael Wolffsohn, Werner E. Mosse, J. Carlebach, Shlomo Avineri], Gütersloh 1992, 560 Seiten, 1. Neuauflage, 896 Seiten, Gütersloh/München [Bertelsmann] 1998, 2. Neuauflage, Gütersloh 2000, 896 Seiten; polnische Übersetzung, Warschau [Cyklady] 2007, 933 Seiten
  11. Preußen. Geschichte eines Mythos [mit Beiträgen von Gerd Heinrich, Hans J. Hillerbrand, Frank Göse, Irene Diekmann, Jürgen Luh, Jürgen Angelow, Marko Leps, Michael Bienert/Kristine Hübner, Manfred Görtemaker, Frank Lothar Kroll], Berlin [Bebra] 2000, 2. und 3. Auflage 2001, 264 Seiten, Lizenzausgabe, Augsburg [Weltbild] 2007, Aktualisierte Sonderausgabe, Berlin-Brandenburg 2011
  12. Mein Weg als deutscher Jude. Autobiographische Notizen. Zürich 2003, 318 Seiten, 3. Auflage versehen mit einem von Olaf Glöckner mit dem Autor geführten Interview (= Deutsch-jüdische Geschichte durch drei Jahrhunderte, Bd. 10) Hildesheim 2012, 340 Seiten [6]
  13. „Du Doppelgänger, du bleicher Geselle …“. Deutsch-jüdische Erfahrungen im Spiegel dreier Jahrhunderte 1700–200, Berlin/Wien 2004, 367 Seiten
  14. Palästinaliebe. Leon Pinsker, der Antisemitismus und die Anfänge der nationaljüdischen Bewegung in Deutschland, Berlin /Wien 2005, Nachdruck (= Deutsch-jüdische Geschichte durch drei Jahrhunderte, Bd. 9), Berlin 2012
  15. [Zusammen mit Eliezer Ben Rafael, Mikhail Lyubansky, Olaf Glöckner. Paul Harris, Yael Israel, Willi Jasper], Building a Diaspora. Russian Jews in Israel, Germany and the USA (= International Comparative Social Studies, Bd. 13), Leiden 2006, 374 Seiten
  16. Das Erbe der Mendelssohns. Biographie einer Familie. Frankfurt am Main 2009, 491 Seiten, TB 2010, Nachdruck (= Deutsch-jüdische Geschichte durch drei Jahrhunderte, Bd. 2), Hildesheim 2012
  17. [zusammen mit Lars Rensmann], Politics and Resentment. Antisemitism and Counter-Cosmopolitanism in the European Union, Leiden 2011, 504 Seiten
  18. David Friedländer. Freund und Schüler Moses Mendelssohns (= Deutsch-jüdische Geschichte durch drei Jahrhunderte, Bd. 6), Hildesheim u.a. 2011, 470 Seiten


Ein vollständiges Publikationsverzeichnis findet sich auf der Internetseite des Moses Mendelssohn Zentrums.[6]

Festschriften

1. Deutsch-jüdische Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift zum 50. Geburtstag hrsg. von Ludger Heid/ Joachim H. Knoll, Stuttgart-Bonn 1992, 568 Seiten

2. Preußens Himmel breitet seine Sterne ... Beiträge zur Kultur-, Politik und Geistesgeschichte der Neuzeit. Festschrift zum 60. Geburtstag, 2 Bde., (Haskala. Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. 26/ 1 und 2), hrsg. von Willi Jasper und Joachim H. Knoll, Hildesheim u.a. 2002, 915 Seiten

3. Geliebter Feind, gehasster Freund. Antisemitismus und Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart. Festschrift zum 65. Geburtstag, hrsg. Irene Diekmann und Elke-Vera Kotowski, Berlin 2008, 800 Seiten

Weblinks

Fußnoten

  1. Bericht des Tagesspiegel zur Restitutions-Frage. Abgerufen am 4. November 2008.
  2. EINIGUNG IN NEW YORK: Picasso-Gemälde kommen nicht zurück nach Berlin, Artikel bei Spiegel Online. Abgerufen am 4. Februar 2009.
  3. Offizielle Internetseite.
  4. Menschen an unserer Seite
  5. Handelsblatt online vom 18. September 2010
  6. Schriftenverzeichnis Julius H. Schoeps

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