Sächsische Längsschnittstudie

Sächsische Längsschnittstudie
Sächsische Längsschnittstudie
Leiter: Hendrik Berth, Elmar Brähler, Peter Förster, Yve Stöbel-Richter
Gründungsjahr: 1987
Ort: Dresden und Leipzig
Anschrift: Sächsische Längsschnittstudie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
Fetscherstr. 74
01307 Dresden
Website: www.wiedervereinigung.de/sls

Die Sächsische Längsschnittstudie wurde 1987 in Leipzig am Zentralinstitut für Jugendforschung der DDR ins Leben gerufen. In nahezu jährlichem Rhythmus wird seitdem ein identisches Panel befragt. Schwerpunkt der Studie ist die sozialwissenschaftliche Erforschung des Erlebens der Wiedervereinigung. [1]

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Das Zentralinstitut für Jugendforschung (1966 bis 1990, Leitung: Walter Friedrich) führte in der DDR im Rahmen seiner wissenschaftlichen Untersuchungen zur Jugendentwicklung zahlreiche Befragungen bei Kindern und Jugendlichen durch, häufig im Auftrag des staatlichen Amtes für Jugendfragen. [2] 1987 begann in Kooperation mit der Karl-Marx-Universität Leipzig und der Pädagogischen Hochschule Zwickau eine ursprünglich auf drei Jahre angelegte Befragung damals 14-jähriger Schüler (mehr als 1400 Teilnehmer). Die Ergebnisse aus dieser ersten Phase der Studie vor der Wende (1987 - Frühjahr 1989) widerspiegeln die Enttäuschungen der damals 14- bis 16-jährigen Panelmitglieder vom Sozialismus in den letzten Jahren der DDR. [3]

Dann kam die friedliche Revolution im Herbst 1989 und die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. 587 Studienteilnehmer erklärten sich zur weiteren Mitarbeit bereit. Unter erheblichem Aufwand wurde die Studie seitdem fortgesetzt. Mehr als 300 Personen nehmen nach wie vor teil. Bei der Sächsischen Längsschnittstudie handelt es sich nicht um eine ein- oder mehrmalige Meinungsumfrage, sondern um eine in ihrer Anlage ungewöhnliche, weil Gesellschaftssysteme übergreifende sozialwissenschaftliche Langzeitforschung. [3] Seit 2002 (16. Erhebungswelle) wird auch das Thema Arbeitslosigkeit und Gesundheit intensiv untersucht. [4] Einen weiteren Schwerpunkt der Studie stellen Fragen zu Partnerschaft und Familiengründung bei jungen Erwachsenen dar. [5] Die 24. Welle fand 2010 statt.

Die Durchführung der Sächsischen Längsschnittstudie wurde u. a. finanziell unterstützt von der DFG, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Hans-Böckler-Stiftung, der Otto-Brenner-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Teilnehmer

Alle Teilnehmer besuchten 1987 die 8. Klassenstufe einer Polytechnischen Oberschule in der DDR. Die Teilnehmer waren etwa 14 Jahre alt. Die Stichprobe war repräsentativ für den DDR-Geburtsjahrgang 1973 zusammengestellt. Schüler von 72 Klassen aus 41 Schulen, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, wurden befragt. Unter den Teilnehmern finden sich die Geschlechter annähernd gleich verteilt. [6]

Welle Jahr Teilnehmer
1 1987 1407
3 1989 1281
6 1991 220
10 1994 259
14 2000 398
16 2002 420
18 2004 414
20 2006 393
22 2008 381
24 2010 326

Zum Zeitpunkt der 24. Welle (2010) waren die Teilnehmer ca. 37 Jahre alt. Die meisten leben in einer Partnerschaft (54 % verheiratet), nur 12 % sind ledig und ohne Partner. 77 % haben Kinder. Von den Teilnehmern verfügen 49 % über Facharbeiterabschluss, 21 % über einen Fachschulabschluss und 23 % über Hochschulabschluss, nur 2 % haben keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Fragestellungen

Die Sächsische Längsschnittstudie untersucht u. a. die folgenden Fragestellungen [7]:

  • Was ist langfristig und grundsätzlich gesehen, über aktuelle Stimmungen hinaus, seit der Wiedervereinigung von DDR und Bundesrepublik in den Köpfen junger Ostdeutscher, in ihrem politischen Bewusstsein vor sich gegangen?
  • Wie haben sich in dieser Zeit ihre Lebensverhältnisse, ihr Denken und Fühlen verändert?
  • Teilen sie die Auffassung, dass die Ziele der friedlichen Revolution im Herbst 1989 heute verwirklicht sind und die Ostdeutschen damit die Freiheit errungen haben?
  • Sind sie froh, in einem geeinten Deutschland zu leben oder hätten sie lieber die DDR zurück?
  • Welche Nachwirkungen hat die in der DDR erfahrene Sozialisation?
  • Fühlen sie sich als Bürger der Bundesrepublik oder noch als DDR-Bürger?
  • Sind sie davon überzeugt, dass der Kapitalismus das Beste ist?
  • Was halten sie nach dem selbst erlebten Zusammenbruch des Sozialismus noch von sozialistischen Idealen?
  • Waren sie arbeitslos und was hat das bei ihnen bewirkt? Haben sie die Erfahrung gemacht, dass jeder, der Arbeit sucht, auch Arbeit findet?
  • Wie zuversichtlich sehen sie ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder?
  • Wir wirkt sich bei jungen Ostdeutschen der Umzug in die alten Bundesländer aus?
  • Was beeinflusst Partnerschaft und Familiengründung bei jungen Erwachsenen?
  • Welche Unterschiede gibt es zwischen den Geschlechtern im Hinblick auf die Fragestellungen?

Veröffentlichungen (Auswahl)

Bücher

  • Berth, H., Förster, P., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2007). Einheitslust und Einheitsfrust. Junge Ostdeutsche auf dem Weg vom DDR- zum Bundesbürger. Eine sozialwissenschaftliche Langzeitstudie von 1987-2006. Gießen: Psychosozial-Verlag. ISBN 978-3-89806-589-4
  • Förster, P. (2002). Junge Ostdeutsche auf der Suche nach der Freiheit. Eine Längsschnittstudie zum politischen Mentalitätswandel bei jungen Ostdeutschen vor und nach der Wende. Opladen: Leske + Budrich. ISBN 978-3-81003-452-6
  • Förster, P., Stöbel-Richter, Y., Berth, H. & Brähler, E. (2009). Die deutsche Einheit zwischen Lust und Frust. Ergebnisse der "Sächsischen Längsschnittstudie". Arbeitshefte der Otto Brenner Stiftung, Band 60. Frankfurt am Main: Otto Brenner Stiftung. ISSN 1863-6934
  • Stöbel-Richter, Y. (2010). Fertilität und Partnerschaft. Eine Längsschnittstudie zu Familienbildungsprozessen über 20 Jahre. Gießen: Psychosozial-Verlag. ISBN 978-3-83792-026-0

Zeitschriftenbeiträge und Buchkapitel

  • Berth, H., Förster, P., Brähler, E., Balck, F. & Stöbel-Richter, Y. (2009). "Vorwärts und nicht vergessen". Wie bewerten junge Ostdeutsche 20 Jahre nach dem Mauerfall die DDR? psychosozial, 117, 37-46.
  • Berth, H., Förster, P., Balck, F., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2010). Der Einfluss des frühkindlichen Krippenbesuchs auf die Psyche im jungen Erwachsenenalter. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 60, 73-77.
  • Berth, H., Förster, P., Balck, F., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2010). Erfahrungen ostdeutscher Jugendlicher auf dem Weg vom DDR- zum Bundesbürger. Ergebnisse aus 20 Jahren Sächsische Längsschnittstudie. In M. Busch, J. Jeskow & R. Stutz (Hrsg.), Zwischen Prekarisierung und Protest. Die Lebenslagen und Generationsbilder von Jugendlichen in Ost und West (S. 175-194). Bielefeld: transcript-Verlag.
  • Berth, H., Förster, P., Brähler, E., Zenger, M. & Stöbel-Richter, Y. (2010). "Wir Thälmannpioniere lieben unser sozialistisches Vaterland, die Deutsche Demokratische Republik." - Was bleibt davon nach 20 Jahren? In E. Brähler & I. Mohr (Hrsg.), 20 Jahre deutsche Einheit - Facetten einer geteilten Wirklichkeit (S. 155-171). Gießen: psychosozial Verlag.
  • Berth, H., Förster, P., Brähler, E., Zenger, M. & Stöbel-Richter, Y. (2010). 20 Jahre deutsche Wiedervereinigung aus der Sicht einer Gruppe ostdeutscher Erwachsener. Ergebnisse der Sächsischen Längsschnittstudie 1987 bis 2009. Deutschland Archiv, 43, 787-794.
  • Berth, H., Förster, P., Petrowski, K., Hinz, A., Balck, F., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2010). Vererbt sich Arbeitslosigkeit? Zeitschrift für Psychotraumatologie, Psychotherapiewissenschaft, Psychologische Medizin, 8, 35-43.
  • Berth, H., Förster, P., Balck, F., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2008). Arbeitslosigkeitserfahrungen, Arbeitsplatzunsicherheit und der Bedarf an psychosozialer Versorgung. Das Gesundheitswesen, 70, 289-294.
  • Förster, P. (2003). Junge Ostdeutsche heute: doppelt enttäuscht. Ergebnisse einer Längsschnittstudie zum Mentalitätswandel zwischen 1987 und 2002. Aus Politik und Zeitgeschichte, 15, 6-17.
  • Förster, P. (2004). Die 30-Jährigen in den neuen Bundesländern: Keine Zukunft im Osten! Ergebnisse einer systemübergreifenden Längsschnittstudie. Deutschland Archiv, 37, 23-42.
  • Förster, P., Brähler, E., Stöbel-Richter, Y. & Berth, H. (2008). Die "Wunde Arbeitslosigkeit": Junge Ostdeutsche, Jg. 1973. Aus Politik und Zeitgeschichte, 40-41, 33-43.
  • Stöbel-Richter, Y., Kraus, U. & Berth, H. (2008). Transition to parenthood in the life course. In J. K. Quinn & I. G. Zambini (Eds.), Family Relations: 21st Century Issues and Challenges (pp. 1-20). Hauppauge, NY.: Nova Science Publishers.
  • Stöbel-Richter, Y., Weidner, K., Förster, P., Brähler, E. & Berth, H. (2008). Familiengründung in Deutschland. Wie geplant sind Kinderwunsch, Schwangerschaft und Kinderlosigkeit? Gynäkologische Endokrinologie, 6, 177-184.
  • Stöbel-Richter, Y., Brähler, E., Weidner, K.. & Berth, H. (2010). Epidemiologische Aspekte der Familiengründung - was hat sich in den letzten 20 Jahren verändert? In E. Brähler & I. Mohr (Hrsg.), 20 Jahre deutsche Einheit - Facetten einer geteilten Wirklichkeit (S. 124-137). Gießen: psychosozial Verlag.

Forschungsberichte

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Förster, P. (2002). Junge Ostdeutsche auf der Suche nach der Freiheit. Eine Längsschnittstudie zum politischen Mentalitätswandel bei jungen Ostdeutschen vor und nach der Wende. Opladen: Leske + Budrich.
  2. Friedrich, W., Förster, P. & Starke, K. (Hrsg.) (1999). Das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig 1966 - 1990. Geschichte, Methoden, Erkenntnisse. Berlin: Edition Ost.
  3. a b Website der Sächsischen Längsschnittstudie (Geschichte), abgerufen am 9. April 2011
  4. Berth, H., Förster, P. & Brähler, E. (2003). Gesundheitsfolgen von Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzunsicherheit bei jungen Erwachsenen. Das Gesundheitswesen, 10, 555-560.
  5. Stöbel-Richter, Y. (2010). Fertilität und Partnerschaft. Eine Längsschnittstudie zu Familienbildungsprozessen über 20 Jahre. Gießen: Psychosozial-Verlag.
  6. Website der Sächsischen Längsschnittstudie (Teilnehmer), abgerufen am 9. April 2011
  7. Website der Sächsischen Längsschnittstudie (Fragestellungen), abgerufen am 9. April 2011

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