Zitadelle Thang Long

Zitadelle Thang Long
Zentralbereich der kaiserlichen Zitadelle von Thăng Long*
UNESCO-Welterbe Welterbe.svg

Flag tower, Hanoi.jpg
Flaggenturm der Zitadelle von Thăng Long
Staatsgebiet VietnamVietnam Vietnam
Typ Kultur
Kriterien ii, iii, vi
Referenz-Nr. 1328
Regionª Asien und Ozeanien
Geschichte der Einschreibung
Einschreibung 2010  (Sitzung 34)

* Der Name ist auf der Welterbe-Liste aufgeführt.
ª Die Region ist von der UNESCO klassifiziert.

Die Zitadelle von Thăng Long (Hán tự: 昇龍 (黄城), vietnamesisch Hoàng thành Thăng Long, wörtlich: Kaiserliche Zitadelle des aufsteigenden Drachens) mit der ehemaligen Kaiserstadt lag am Westufer des Sông Hồng in Hanoi, der Hauptstadt Vietnams. Sie war der Kaiserhof mehrerer vietnamesischer Kaiser-Dynastien, unter denen Thăng Long zwischen 1010 und 1802 mit verschiedenen Namen Hauptstadt war.

Seit 2001 wurden an der Straße Hoàng Diệu 18 Teile des historischen Geländes wiederentdeckt und besonders bei Arbeiten für den Neubau der Nationalversammlung Hội trường Ba Đình gegenüber dem Ho Chi Minh-Mausoleum wurden große Funde gemacht. Seit 2002 werden archäologische Ausgrabungen durchgeführt[1]. Der Zentralbereich der Zitadelle wurde 2010 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt[2]. Die Fläche des Welterbes umfasst 20 ha der Gesamtfläche der Zitadelle von 140 ha.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Die Region um die Hauptstadt Hanoi im Delta des Roten Flusses gilt mit ihrer wechselhaften Geschichte als Wiege der vietnamesischen Kultur.

257 v. Chr., während der Hồng Bàng-Dynastie, schlug Thục Phán (蜀泮, Herrschername An Dương Vương) den letzten Hùng-König des Reiches Văn Lang bei Phật Tích in der heutigen Provinz Bắc Ninh. Daraufhin vereinigte er die Länder Tây Âu seines Stammes Âu Việt und Văn Lang des Stammes Lạc Việt und gründete das Königreich Âu Lạc. Als Hauptstadt erbaute er bei Phong Khê in Hanois ländlichem Bezirk Đông Anh, nördlich der heutigen Innenstadt, die Zitadelle Cổ Loa Thành (Hán Việt: 古螺, Antike Schneckenburg oder Spiralburg). Der Name deutet auf die Form der Ringwälle um die Festung hin[3]. Heute sind nur noch wenige Überreste erhalten.

Um 203 v. Chr. entstand unter den Namen Nam Việt (chữ Hán: 南越, Pinyin: Nányuè, Südliches Việt) durch den nordchinesischen Qín-General Zhào Tuó (赵佗 Chao T’o, vietn.: Triệu Đà, Königsname: Vũ Vương) ein unabhängiges Königreich. 111 v. Chr., während der chinesischen Han-Dynastie, annektierten die Truppen Hàn Wǔdìs Nam Việt und gliederten es als Präfektur Giao Chỉ (郡 jùn (quận), 交趾 Jiāozhǐ) in das chinesische Reich ein. Im Jahr 607 gründeten die chinesischen Besatzer am Zusammenfluss des Đuống und des Flüsschens Tô Lịch mit dem Roten Fluss einen Verwaltungssitz namens Tống Bình (宋平) und errichteten zu dessen Verteidigung gegen aufständische Vietnamesen am Ufer des Tô Lịch die Befestigungsanlage Đại La (大羅, Großes Netz), die immer weiter ausgebaut wurde. 866-870, während der Tang-Dynastie, erreichte diese Zitadelle unter General Cao Biền ihre größte Ausdehnung. Laut alten Chroniken soll der sechs km lange und acht m hohe Außenwall von 55 Wachtürmen überragt worden sein und fünf große Tore besessen haben. Während der chinesischen Besatzung wechselte der Name Tống Bình zu Long Đỗ (龍肚, Bauch des Drachen).

Zur Abwehr einer chinesische Expeditionsflotte ließ General Ngô Quyền 938 in den Fluss Bạch Đằng bei Hải Phòng Pfähle mit eisernen Spitzen einrammen. Bei Ebbe wurden die Schiffe von den Pfählen durchbohrt und mehr als die Hälfte sanken. Dies beendete die über tausendjährige chinesische Herrschaft über Nordvietnam. 939 gründete Ngô Quyền den unabhängigen Staat Đại Cồ Việt und bestimmte die alte Festung Cổ Loa zur Hauptstadt. Der Begründer der Đinh-Dynastie König Đinh Bộ Lĩnh verlegte die Hauptstadt des Reiches 968 in die Nähe seines Geburtsortes Gia Viễn nach Hoa Lư in der Gemeinde Trường Yên, Provinz Ninh Bình, inmitten der trockenen Halong-Bucht, wo sie während der Đinh- und der frühen Lê-Dynastie bis 1009 verblieb.

von Đại La zu Thăng Long

Haupttor des Literaturtempels

Im Jahre 1009 bestieg Lý Công Uẩn unter dem Herrschernamen Lý Thái Tổ den Königsthron und begründete damit die Lý-Dynastie. Im Jahre 1010 wählte er Đại La zu seiner Residenzstadt und nannte den Ort Thăng Long (昇龍, aufsteigender Drache). Der Legende nach soll er am Ufer des Tô Lịch die Vision eines aus den Fluten aufsteigenden gelben Drachen gehabt haben. Auf den Trümmern der chinesischen Festung und auf trockengelegtem Schwemmland wurde die neue kaiserliche Residenz errichtet, deren Architektur an chinesische Vorbilder angelehnt wurde. So wurden in der quadratische angelegten inneren Königsstadt (Hoàng Thành) die wichtigsten Gebäude entlang einer Nord-Süd-Achse angeordnet, in der Mitte die Thronhalle, die Ministerien und Verwaltungsgebäude. Nördlich lag die Purpurne Verbotene Stadt (Tử Cấm Thành) mit kunstvollen Palästen und Gartenanlagen, in der die königliche Familie residierte. Dieser innere Bereich wurde von der ebenfalls quadratischen Äußeren Stadt (Kinh Thành) mit den Vierteln des einfachen Volkes, der Händler und Handwerker umschlossen.

In der beginnenden Lý-Dynastie erlebte das Land eine Blüte in Politik, Verwaltung, Kultur und Religion, die sich auch in den Erweiterungen von Thăng Long widerspiegelte. 1049 beispielsweise ließ der Enkel von Lý Thái Tổ, König Lý Thánh Tông, die Einsäulenpagode (Chùa Một Cột) erbauen. 1054 änderte er den Namen des Reiches in Đại Việt (大越, Großes Viet). Im Jahr 1070 wurde der konfuzianische Literaturtempel, Văn Miếu (文廟), die erste Akademie des Landes, als Nationalakademie erbaut, in der 1076 bis 1915 die Söhne der Mandarine unterrichtet wurden[4]. Eine Sammlung von 82 Stein-Stelen im Literaturtempel, auf denen die Daten der Absolventen der kaiserlichen Prüfungen während der Lê- und der Mạc-Dynastien 1442 bis 1779 eingeschlagen sind, wurde am 9. März 2010 in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen [5]. Gegen die periodisch wiederkehrenden Überschwemmungen durch den Roten Fluss schützten die Baumeister die Zitadelle durch die Anlage von Deichen und Kanälen, eine Kunst, die seit jener Zeit im Delta des Flusses immer weiter perfektioniert wurde. 1225 übernahm die Trần-Dynastie die Macht und behielt die Hauptstadt bei.

Zwischen 1257 und 1288 wurde Thăng Long dreimal von den Mongolen angegriffen und völlig zerstört. 1288 besiegte General Trần Hưng Đạo die Truppen Kublai Khans am historischen Fluss Bạch Đằng. 1371, 1377 und 1383 eroberten Truppen der Champa unter König Chế Bồng Nga die Zitadelle. 1400 beendete der Rebell und Usurpator Hồ Quý Ly die Herrschaft der Trần-Dynastie und begründete die nur siebenjährige Hồ-Dynastie. Er verlegte seine Hauptstadt nach Thành Tây Đô (西都, westliche Hauptstadt) im heutigen Distrikt Vĩnh Lộc der Provinz Thanh Hóa, und gab Thăng Long den Namen Đông Đô (東都, östliche Stadt). Von Tây Đô sind außer den Toren nur Ruinen erhalten.

Um 1408 unterwarfen die Truppen der chinesischen Ming-Dynastie ganz Đại Việt und schleiften die Zitadelle Đông Đô, deren Name in Đông Quan (東關, Tor des Ostens) geändert wurde. 1428 gelang dem Begründer der Hậu Lê-Dynastie, Lê Lợi, dem postum der Tempelname Lê Thái Tổ verliehen wurde, die Befreiung Vietnams von der chinesischen Herrschaft. Er residierte wieder in der Zitadelle am Roten Fluss, wo er prachtvolle Paläste und Tempel errichten ließ, und die er 1430 von Đông Quan in Đông Kinh (東京, Östliche Königsstadt) umbenannte. Von diesem Namen rührt der Begriff Tonkin her, mit dem christliche Missionare den nördlichen Teil Vietnams bezeichneten. (Anm.: Mit den chinesischen Schriftzeichen bzw. Kanji 東京 wird auch die Japanische Hauptstadt Tokyo bezeichnet.) Während des Intermezzos der Mạc-Dynastie (1527–1592) und bis Ende der zweiten Herrschaftsperiode der Hậu Lê-Dynastie 1778 blieb der Name Đông Kinh.

Đoan Môn - das Haupttor der Zitadelle
Đoan Môn - das Haupttor der Zitadelle

Phú Xuân und Kolonialzeit

Karte von Hanoi, 1890

Im Jahre 1771 brach die Rebellion der Tây Sơn-Brüder (西山) aus, die 1775 Phú Xuân in Zentralvietnam (heute Huế) einnahmen und dort ihren Regierungssitz errichteten. Während der Unruhen besetzten die Chinesen 1780 erneut die Zitadelle Đông Kinh. Einer der drei den Aufstand anführenden Brüder, General Nguyễn Huệ (阮惠, 1753 – 1792), als Quang Trung der zweite König der Tây Sơn-Nguyễn-Dynastie (1778–1802), vertrieb die Chinesen 1789 aus Đông Kinh und aus dem Land Đại Việt. Während der Herrschaft der Tây Sơn-Dynastie trug die Zitadelle den Namen Bắc Thành (北城, Nördliche Festung). Aus dem Bürgerkrieg, der der Tây Sơn-Rebellion folgte, ging 1789 mit französischer Hilfe Prinz Nguyễn Phúc Ánh aus der einflussreichen Händlerfamilie Nguyễn als Sieger hervor, und ließ sich zum König Gia Long krönen. 1802 nahmen seine Truppen Bắc Thành ein, doch aus Furcht vor Aufständen legte auch Gia Long 1804 die Residenz des wiedervereinigten Reiches Việt Nam in seine Heimatstadt Huế.

Unter der damit begründeten Nguyễn-Dynastie (1802–1945) wurde die Zitadelle zweiter Königssitz und erhielt wieder den Namen Thăng Long. Allerdings wandelte sich die Bedeutung leicht. Die jetzt benutzten Schriftzeichen 昇隆 brachten das „Emporsteigen“ mit dem steigenden Wohlstand in Verbindung, und das Schriftzeichen für „Drache“ wurde durch das für „Aufblühen“ ersetzt. Während Gia Long die Hauptresidenz Huế prachtvoll ausbaute, ließ er Thăng Long zurückbauen. Zwischen 1802 und 1812 wurde die Zitadelle nach Plänen französischer Festungsbaumeister neu erbaut. 1831, unter Kaiser Minh Mạng, wurde erstmals der heutige Name Hà Nội (河内, Stadt innerhalb der Flüsse) benutzt, da der Drache in dem klassischen Namen als Symbol der kaiserlichen Macht der Hauptstadt Huế vorbehalten bleiben sollte.

1872/73 eroberte der Abenteurer und Händler Jean Dupuis mit Söldnern und 100 französischen Soldaten die Stadt und zerstörten weite Teile der Zitadelle. 1883 erklärten die Franzosen Hà Nội zur Hauptstadt von Tonkin und 1887 zur Verwaltungs-Zentrale für Französisch-Indochina.

Hauptartikel: Hanoi

Sehenswert

Die Überreste der Zitadelle von Thăng Long sowie die Funde an der Hoàng Diệu-Straße sind spezifisch für eine regionale Kultur, die sich im unteren Tal des Sông Hồng unter Einflüssen aus China im Norden und Champa im Süden entwickelte. Die Relikte verschiedener Epochen liegen heute überwiegend im Bezirk Ba Đình [6].

Überdachte Ausgrabungsstätte an der Hoàng Diệu 18
Überdachte Ausgrabungsstätte an der Hoàng Diệu 18

Galerie

Siehe auch

Geschichte Vietnams - Vietnam unter französischer Kolonialherrschaft

Weblinks

 Commons: Zitadelle von Hanoi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. The Long Lost Treasures Revealed (Fotos von Ausgrabung und Funden) (engl) (PDF). skyscrapercity.com / vietology.com (2005). Abgerufen am 6. August 2010.
  2. UNESCO Welterbe 1328 (engl). whc.unesco.org (2010). Abgerufen am 6. August 2010.
  3. Higham, Charles; Cambridge world archaeology (Hrsg.): Das Bronzezeitalter von Südostasien. Cambridge University Press, 1996 (Originaltitel: The bronze age of Southeast Asia), ISBN 0-521-56505-7, S. 122 ff.
  4. Temple of literature (Văn Miếu), Ha Noi (engl). VietnamNet.com. Abgerufen am 1. September 2010.
  5. UNESCO: First inscription from Macao on Memory of the World Register at MOWCAP 4 (engl). portal.unesco.org (2010). Abgerufen am 6. Oktober 2010.
  6. Thang Long Imperial Citadel - a new world cultural heritage site in Vietnam (engl). VietnamTourAsia.com. Abgerufen am 1. September 2010.
  7. Citadel named World Heritage Site (engl). VietnamNews (2010). Abgerufen am 19. August 2010.

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