- Umweltaktionsprogramm der Europäischen Union
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Mit einem Umweltaktionsprogramm (UAP) legt die Europäische Union jeweils für mehrere Jahre die mittelfristigen Zielsetzungen der europäischen Umweltpolitik fest. Derzeit ist das sechste Umweltaktionsprogramm gültig, das den Zeitraum 2002 bis 2012 umfasst. Die rechtliche Grundlage für die Umweltaktionsprogramme bildet Art. 192 Abs. 3 AEU-Vertrag. Sie werden nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren von Europäischem Parlament und Rat der Europäischen Union nach Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie des Ausschuss der Regionen erlassen.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung der Umweltaktionsprogramme
Erstes Umweltaktionsprogramm (1974 - 1975)
Das erste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde 1973 verabschiedet. Die Erklärung des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 22. November 1973 über ein Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz basiert auf dem 1972 auf dem Gipfel von Paris verkündeten Willen der Staats- und Regierungschefs der europäischen Mitgliedsstaaten, den Lebensstandard, die Lebensbedingungen und die Lebensqualität zu verbessern. Das Vorsorgeprinzip, nach dem die Vermeidung von Umweltbelastungen besser ist als die nachträgliche Bekämpfung der Auswirkungen, war ein Kernaspekt des ersten UAP.
Zweites Umweltaktionsprogramm (1977–1981)
Das zweite, am 17. Mai 1977 beschlossene Umweltaktionsprogramm schrieb die Ziele des ersten UAP mit fünf Orientierungsgrundsätzen fort:
- Kontinuität in der Umweltpolitik
- Schaffung von Mechanismen für ein präventives Vorgehen insbesondere auf den Gebieten Verschmutzung, Raumplanung und Abfallwirtschaft
- Schutz und rationelle Nutzung des Lebensraumes
- Vorrang für Maßnahmen zum Schutz der Binnengewässer und des Meeres, zur Bekämpfung der Luftverschmutzung sowie den Kampf gegen den Lärm
- Berücksichtigung der Umweltaspekte bei der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Entwicklungsländern.
Drittes Umweltaktionsprogramm (1982–1986)
Mit dem dritten Umweltaktionsprogramm (beschlossen am 7. Februar 1983) wurde erstmals auch die schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen als neues Ziel in die Umweltpolitik mit aufgenommen.
Viertes Umweltaktionsprogramm (1987–1992)
Am 19. Oktober 1987 beschloss der Rat das vierte Umweltaktionsprogramm, nachdem wenige Monate zuvor die Einheitliche Europäische Akte in Kraft getreten war, die die umweltpolitischen Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft deutlich erweitert hatte. Da durch die Umsetzung des Europäischen Binnenmarkts die Möglichkeit nationaler Umweltnormen und Grenzwerte eingeschränkt wurde, sollten nun stattdessen mehr europaweite Normen zum Umweltschutz eingeführt werden. Darüber hinaus sollen auch die europäischen Bürger für den Umweltschutz sensibilisiert werden: 1987 wurde zum Europäischen Jahr des Umweltschutzes erklärt.
Fünftes Umweltaktionsprogramm (1992–2000)
Aus einem 1992 veröffentlichten Bericht über den Zustand der Umwelt ging hervor, dass trotz der bis dahin verabschiedeten vier Umweltaktionsprogramme, sich der Zustand der Umwelt in verschiedenen Bereichen, u.a. Luft, Gewässer, Artenvielfalt, verschlechtert hatte. Basierend auf diesem Bericht setzte sich das am 1. Februar 1993 beschlossene fünfte Umweltaktionsprogramm das Ziel, das Wachstumsmodell der Gemeinschaft in einer Weise zu verändern, daß ein Weg hin zu einer dauerhaften und umweltgerechten Entwicklung beschritten wird. Es wurde parallel zur Konferenz von Rio 1992 und der Agenda 21 ausgearbeitet und war die erste Initiative der Europäischen Kommission im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Zugleich war es das erste Umweltaktionsprogramm mit einem Namen: Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung.
Mit dem Programm wurden neben vier weiteren Zielen Strategien für sieben umweltbezogene Prioritäten (Globale Erwärmung, Übersäuerung, Artenschutz, Wasserwirtschaft, städtische Umwelt, Küstengebiete und Abfallwirtschaft) vorgeschlagen. Allerdings fehlten dem fünften Umweltaktionsprogramm quantifizierbare Ziele und Monitoringmechanismen. Bei der Überprüfung des Plans im Jahr 1996 hat die Europäischen Kommission das Fehlen konkreter Zielsetzungen und das mangelnde Engagement der Mitgliedstaaten als die größten Schwächen des Programms identifiziert.
Sechstes Umweltaktionsprogramm (2002–2012)
Mit der bisher längsten Laufzeit, nämlich zehn Jahren, wurde am 22. Juli 2002 das derzeit aktuelle sechste Umweltaktionsprogramm (Unsere Zukunft liegt in unserer Hand) beschlossen. Das bis zum 21. Juli 2012 geltende Programm benennt vier thematische Schwerpunktbereiche der aktuellen europäischen Umweltpolitik:
- Bekämpfung der Klimaänderungen: Reduktion der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2008-2012 um 8 %, sowie eine radikale Verringerung der weltweiten Emissionen um 20 bis 40 % bis 2020
- Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt: Unter anderem Schutz von Landschaften, neue Initiativen zum Schutz der Meeresumwelt
- Umwelt, Gesundheit und Lebensqualität: Unter anderem grundsätzliche Überarbeitung des Risikobewertungssystems der EU für Chemikalien, Bekämpfung der Lärmbelastung, eine spezifische Strategie zur Verbesserung der Luftqualität
- Nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und des Abfalls
Mit Ausnahme des Ziels der Bekämpfung des Klimawandels fehlen dem sechsten Umweltaktionsprogramm wiederum quantifizierbare Ziele. Stattdessen sieht das 6. Umweltaktionsprogramm sieben thematische Strategien vor, die innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Programms (Juli 2005) verabschiedet werden sollten. Am 21. September 2005 wurde die erste thematische Strategie (Luftreinhaltung) angenommen. Es folgten thematische Strategien
- zur Meeresumwelt (24. Oktober 2005),
- zur Abfallvermeidung und zum Recycling (21. Dezember 2005),
- zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen (21. Dezember 2005),
- zur Städtischen Umwelt (11. Januar 2006).
Aktuell (Stand Juli 2006) stehen noch die thematischen Strategien
- zum Bodenschutz und
- zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden
aus.
Bis 2010 sollen in der europäischen Gemeinschaft einheitliche Luftqualitätsstandards umgesetzt und die jeweiligen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt werden. Die EU-Kommission hat deshalb 2005 den „Richtlinienvorschlag über die Luftqualität und saubere Luft in Europa“ und eine „Thematischen Strategie über Luftverschmutzung (CAFE, Clean Air For Europe)“ vorgelegt.
Der Richtlinienvorschlag zielt darauf ab, das geltende gemeinschaftliche Recht im Bereich der Luftqualität grundlegend zu überarbeiten, zu vereinfachen und zu straffen, indem das bestehende Recht in nur einer Richtlinie zusammengeführt wird. Neu ist die Einführung der Kontrolle der Exposition des Menschen gegenüber kleinsten Schwebeteilchen in der Luft mit einem Durchmesser von höchstens 2,5 μm. Die Kommission schlägt damit eine Verschärfung bestehender Gesetze vor, so dass die Mitgliedstaaten gehalten sind, neue Pläne und Programme zu erstellen und durchzuführen, um dort, wo Umweltvorschriften nicht erfüllt werden, nachzubessern.
Weitere Ziele des Richtlinienvorschlags sind insbesondere:
- Definition und Festlegung von Luftqualitätszielen im Hinblick auf menschliche Gesundheit und Umwelt;
- Beurteilung der Luftqualität anhand einheitlicher Methoden und Kriterien;
- Bereitstellung von Messdaten zur Überwachung der Tendenzen und zur Erfolgskontrolle;
- Aufbau eines Systems der elektr. Berichterstattung zur Verbesserung des Informationsflusses;
- Gewährleistung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Luftqualitätsinformationen;
- Erhaltung und Verbesserung der Luftqualität.
Die im Richtlinienvorschlag vorgesehene umfassende Überwachung und Berichtspflicht über Luftschadstoffe soll langfristig Entwicklungen zu Luftverschmutzungen vorhersehbarer machen, frühzeitiger Modellrechnungen ermöglichen sowie rechtzeitig Gegenstrategien und Aktionspläne ermöglichen.
Insgesamt werden mit dem Vorschlag folgende bestehende Regelungen zusammengefasst:
- RL 96/62/EG über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (Luftreinhalte-Rahmen-RL);
- RL 1999/30/EG über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (1. Tochter-RL);
- RL 2000/69/EG über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft (2. Tochter-RL);
- RL 2002/3/EG über den Ozongehalt der Luft („Dritte Tochterrichtlinie“) sowie
- Entscheidung 97/101/EG des Rates zum Daten- und Informationsaustausch bezüglich der Luftqualitätsmessung der Mitgliedstaaten.
Nach Darlegung durch die Kommission liegen überzeugende Nachweise vor, dass Feinstaub PM2,5 gefährlicher ist als größere Partikel. Allerdings dürfen die gröbere Anteile (Partikel zwischen 2,5 bis 10 μm Durchmesser) nicht vernachlässigt werden. Daher ist ein neuer Ansatz zur Bekämpfung von PM2,5 erforderlich, um die bestehenden Maßnahmen für PM10 zu ergänzen. Der vorgeschlagene Ansatz sieht die Festlegung einer bis 2010 zu erreichenden Konzentrationsobergrenze für PM2,5 in der Luft vor, um unannehmbar hohe Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Zugleich schlägt die Kommission ein unverbindliches Ziel für die allgemeine Reduzierung der Exposition des Menschen gegenüber PM2,5 zwischen 2010 und 2020 vor.
Tabellarische Übersicht
UAP-Nr. Titel Laufzeit Wichtige Ziele, Bemerkungen Quelle 1 - 1974–1975* Verbesserung der Lebensqualität, u.a. durch Vermeidung von Umweltbelastungen Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 112 (20. Dezember 1973), S. 1–53 2 - 1977–1981 Fortschreibung der Ziele des 1. UAP; detailliertere Beschreibung der Umweltbelastungen Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 139 (13. Juni 1977), S. 1–46 3 - 1982–1986 Fortschreibung der Ziele des 1. bzw. 2. UAP; Schonung der natürlichen Ressourcen als neues Ziel; vorbeugender Charakter der Umweltpolitik wird betont Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 46 (17. Februar 1983), S. 1–16 4 - 1987–1992 Fortschreibung der bisherigen Ziele; Einbindung der Umweltpolitik in alle Politikbereiche; Sensibilisierung der Bevölkerung für Umweltschutz Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 328 (7. Dezember 1987), S. 1–44 5 Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung 1992–2000 Die Nachhaltige Entwicklung wird neu aufgenommen; Beschränkung auf Schwerpunktbereiche Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 138 (17. Mai 1993), S. 1 ff. 6 Unsere Zukunft liegt in unserer Hand 2002–2012 Verursacher- und Vorsorgeprinzip werden stärker betont; Aktionsbereiche werden definiert; Einführung thematischer Strategien Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 242 (10. September 2002), S. 1–15 Literatur
- Michael Langerfeldt: Das Sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft. Hoffnung auf zehn Jahre aktiven Umweltschutz in Europa? Natur und Recht 25(6), S. 339 – 342 (2003), ISSN 0172-1631
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