- Vereinfachtes Ertragswertverfahren
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Das Vereinfachte Ertragswertverfahren ist das nach § 199 des Bewertungsgesetzes für steuerliche Zwecke vorgesehen Verfahren zur Bewertung von Einzelunternehmen, Personengesellschaften, nicht notierten Anteilen von Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen der freien Berufe und ist ein wesentlicher Teil der Bewertung von Betriebsvermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Aufgrund der Verfassungswidrigkeit[1] der Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer wegen der Ungleichbehandlung der Vermögensarten vor dem 1. Januar 2009, musste der Gesetzgeber zum 1. Januar 2009 sowohl das Bewertungsgesetz als auch das Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz ändern[2]. Damit beseitigte er das alte nicht gesetzlich geregelte sog. Stuttgarter Verfahren, das nur die Anteile nicht notierter Anteile bewertete. Das Verfahren kapitalisiert den durchschnittlichen vergangenheitsbezogenen Jahresertrag mit einem typisierten Kapitalisierungsfaktor. Es ist nicht zu verwechseln mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 17 ff. ImmoWertV.
Methode
Methodisch entspricht das Verfahren den Grundsätzen der Unternehmensbewertung, wenn auch mit Vergangenheitszahlen. In einem ersten Schritt werden die Betriebsergebnisse pro Jahr bereinigt, danach wird ein durchschnittlicher Jahresertrag ermittelt.
Ausgangswerte sind die Gewinne im Sinne des § 4 Abs. 1 und 3 EStG:
diese Jahreserträge werden nun Hinzurechnungen ergänzt § 202 Abs. 1 Nr. 1 BewG): Investitionsabzugsbeträge, Sonderabschreibungen, Abschreibungen auf den Firmenwert, einmalige Veräußerungsverluste, außerordentliche Aufwendungen, Ertragsteueraufwnd u.a. Danach werden Abrechnungen vorgenommen (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 BewG wie z.B. einmalige Veräußerungsgewinne, außerordentliche Erträge, Erträge aus der Erstattung von Ertragsteuern, diverse andere Beträge und ein angemessner Unternehmerlohn).
Der Unternehmerlohn ist die einzige Rechengröße, die sich nicht aus dem Rechnungswesen ergibt, sondern individuell ermittelt werden muss. Halaczinsky bezeichnet den Unternehmerlohn als Hauptproblem[3]: die Finanzverwaltung hat es in ihren ErbSt-Richtlinien[4] nicht geschafft, den Unternehmen wesentliche Hinweise zur richtigen Ermittlung eines angemessenen kalk. Unternehmerlohnes zu geben. Von den bereinigten Betriebsergebnissen pro anno wird dann ein typisierter pauschaler Ertragsteueraufwand von jeweils 30% abgezogen; die so ermittelten Betriebsergebnisse der letzten 3 Jahre werden dann gemittelt. Der so ermittelte Durchschnittsbetrag wird nun kapitalisiert.
Basiszins ist ein einmal jährlich jeweils zum ersten Börsentag des Jahres durch die Bundesbank festgesetzter Zinssatz der vom Bundesfinanzministerium im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, zum 5. Januar 2011 beträgt der Basiszins 3,43 %[5]. Darauf wird ein pauschalierter Zuschlag von 4,5 % gerechnet, sodass sich dann ein Kapitalisierungszins von 7,93 % ergibt, der dann als reziproker Wert zu einem Kapitalisierungsfaktor von 12,61 führt.[6]
Durchschnittsertrag nach § 202 BewG: 7.500,-- € Basiszinssatz nach § 203 Abs. 2 BewG: 3,43% => Kapitalisierungszinssatz = 3,43% + 4,5% 7,93% => Kalkulationsfaktor = 1/7,93% 12,6103 => vereinfachter Ertragswert = 7.500 € x 12,6103 94.577,25 € Auf steuerliche Besonderheiten wie „junges Vermögen“, nicht betriebsnotwendiges Vermögen, Unterbeteiligungen, Sonderbetriebsvermögen, die Ermittlung von Verwaltungsvermögen u.a. wird hier nicht eingegangen. Festzuhalten bleibt nur, dass für steuerliche Zwecke immer der steuerliche Substanzwert mit ermittelt werden muss (§ 95 bis 97 BewG i. V. m. § 11 Abs. 2 BewG). Dieser Substanzwert ist eine Wertuntergrenze. Führt das vereinfachte Ertragswertverfahren zu einem unangemessen hohen Wert, so kann der Steuerpflichtige versuchen, durch ein individuelles Bewertungsgutachten, das ein Ertragswertverfahren sein muss (nach dem Wirtschaftspüferstandard IdW S1), einen niedrigeren Wert zu erklären. Das Bewertungsverfahren an sich ist relativ einfach, die Folgeberechnungen bei der Schenkungsteuer oder Erbschaftsteuer sind wegen der Steuervergünstigungen und Steuerbefreiungen (Verschonungsabschläge) sehr komplex: das erfordert für eine Schenkungssteuerplanung besondere interaktive Berechnungsprogramme.
Kritik
Vereinzelt werden in der Literatur wieder verfassungsrechtliche Bedenken gegen die neuen Regelungen geäußert. Betriebswirtschaftlich ist eine Unternehmensbewertung aufbauend auf Vergangenheitswerten wenig sinnvoll, diskontiert werden richtigerweise Zukunftsterträge. Die Diskontierung mit einem typisierten festen Zuschlag von 4,5 % berücksichtigt nicht immer alle Risiken der Zukunftsbetrachtungen. Die insbesondere für die freien Berufe festgestellten tendenziellen Überbewertungen erfordern zusätzlichen Aufwand für individuelle Gutachten.
Literatur
- Creutzmann,Unternehmensbewertung im Steuerecht - Neuregelung des Bewertungsrechts ab 1. Januar 2009, DB 2009, S. 2784 ff. m.w.H.
- Daragan/Halaczinsky/Riedel (Hrsg.), Praxiskommentar ErbStG und BewG, 2010
- Halaczinsky, Die Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuererklärung, 2. Auflage, Bonn 2010
- Knief, Der kalkulatorische Unternehmerlohn für Einzelunternehmer und Personengesellschafter, Eine betriebswirtschaftliche Herausforderung durch den BGH und die Reform des BewG und des ErbStG, DB 2010, S. 289 ff.
- Knief/Weipert, Erste praktische Erfahrungen mit dem vereinfchten Ertragswertverfahren gem. §§ 199 ff. BewG, in StBg 2010, S. 1 ff.
Einzelnachweise
- ↑ 1 BvL 10/2
- ↑ Erbschaftsteuerreformgesetz - ErbStRG
- ↑ a.a.O. S. 317
- ↑ vgl. Ländererlasse vom 25. Juni 2009, BStBl.I, S. 698
- ↑ http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_290/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/BMF__Schreiben/Veroffentlichungen__zu__Steuerarten/erbschaft__schenkungsteuerrecht/009__a,templateId=raw,property=publicationFile.pdf
- ↑ § 203
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