- Vereinigte Politische Führung
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Eine Vereinigte Politische Führung (arabisch قيادة سياسية موحدة, DMG qiyāda siyāsiyya muwaḥḥada, auch Vereinigtes Politisches Kommando) war 1964 zwischen den Präsidenten Ägyptens und Iraks (Gamal Abdel Nasser und Abd as-Sallam Arif) bzw. zwischen den Präsidenten Ägyptens und Nordjemens (Nasser und Abdallah as-Sallal) vereinbart worden. Sie sollte als gemeinsame Übergangsregierung fungieren, um den allmählichen Zusammenschluss Ägyptens und Iraks bzw. Ägyptens und Nordjemens zu einem Einheitsstaat bzw. den Anschluss Iraks und Jemens an die Vereinigte Arabische Republik (Ägypten) vorzubereiten.
Beide (voneinander unabhängigen) Projekte scheiterten spätestens 1966 bzw. 1967, dennoch gab es noch bis 1977 ähnliche Führungsallianzen zwischen Ägypten, Syrien, Jordanien, Libyen und Sudan.
Vereinigte Arabische Republik (1964–1966): Ägypten und Irak
Im Sommer 1963 war die als Neuauflage der Vereinigten Arabischen Republik geplante Ägyptisch-Irakische-Syrische Föderation gescheitert und das Bündnis zwischen Nasseristen und Baathisten zerbrochen. Nach dem Sturz der irakischen Baath-Regierung in der Ramadanrevolte und der Kündigung des syrisch-irakischen Militärbündnisses durch das weiterhin baathistische Syrien war es Anfang 1964 zu einer ägyptisch-irakischen Annäherung gekommen. Nasseristische Offiziere hatten am Sturz der Baath-Regierung maßgeblich mitgewirkt und waren in den neuen Revolutionsrat aufgerückt. Eine Regierung aus Nationalisten, Unionisten, Ex-Baathisten und Nasseristen wurde gebildet.
Am 26. Mai 1964 vereinbarten Nasser und Abd as-Sallam Arif die Bildung eines gemeinsamen Präsidentschaftsrates und am 16. Oktober 1964 die Bildung einer Vereinigten Politischen Führung. Dieser Vereinigten Führung sollten neben Nasser und Arif auch die Premierminister Ägyptens und des Iraks sowie die jeweiligen Minister für Wirtschaft, Finanzen und Planung angehören. Die Vereinigte Führung sollte als eine gemeinsames oberstes Machtorgan für beide Staaten die wirtschaftliche, politische und militärische Vereinigung Ägyptens und Iraks innerhalb von zwei Jahren vorbereiten. Eine gemeinsame Verfassung sollte erarbeitet und durch Volksabstimmungen angenommen werden, bis 1966 sollten Ägypten und Irak eine neue Vereinigte Arabische Republik bilden.
Nach ägyptischem Vorbild wurde im Juli 1964 auch im Irak eine Arabische Sozialistische Union (ASU) als regierende Einheitspartei und einzig zugelassene politische Organisation gegründet. Am 15. September 1964 wurden die ägyptische und die irakische ASU vereint, und am 24. September 1964 wurden auch die diplomatischen Dienste Ägyptens und Iraks vereint (am 12. Mai 1965 brachen Irak und Ägypten die diplomatischen Beziehungen zur BRD ab). Am 2. Juni 1965 übernahm der Irak den ägyptischen Wappenadler sowie die ägyptische Nationalhymne als neue staatliche Symbole.
Darüber hinaus folgte Arif Nassers Kurs staatlicher Nationalisierungen und sozialer Reformen, doch im Juli 1965 traten die nasseristischen und pro-nasseristischen Minister aus der Regierung Tahir Yahyas aus. Daraufhin berief Präsident Arif mit Arif Abd ar-Razzaq sogar einen Nasseristen als irakischen Premierminister.
Nach kaum einer Woche im Amt putschte ar-Razzaq im September 1965, weil er mit dem dennoch erfolglosen Verlauf der geplanten Vereinigung unzufrieden war. Sein Sturz stärkte die antinasseristischen und baathistischen Militärs im Irak und mit Arifs Tod im April 1966 war das Projekt gescheitert, auch wenn ar-Razzaq noch im Juli 1966 gegen Arifs Bruder bzw. Nachfolger Abd ar-Rahman Arif einen weiteren Putschversuch unternahm und dieser Arif im August 1966 mit Nadschi Talib nochmals einen Nasser-freundlichen Premier berief. Im Oktober 1966 wurde die irakische ASU direkt der irakischen Regierung unterstellt. Dennoch wurden noch bis November 1966 die Zusammenkünfte der Vereinigten Politischen Führung fortgesetzt. Die ASU-Vorbereitungskomitees wurden erst mit der erneuten Machtübernahme der Baath-Partei im Juli 1968 endgültig aufgelöst.
Vereinigte Arabische Republik (1964–1967): Ägypten und Nordjemen
- Siehe Nordjemenitischer Bürgerkrieg
Bereits von 1958 bis 1961 hatte das Königreich Jemen zusammen mit der Vereinigten Arabischen Republik eine lockere Föderation, die Vereinigten Arabischen Staaten, gebildet. Nach dem Sturz des Königs (1962) war der von as-Sallal gegründeten Jemenitischen Arabischen Republik (JAR) 1963 ein Beitritt zur Ägyptisch-Irakisch-Syrischen Föderation zugesagt, aber wegen des Bürgerkriegs zwischen Republikanern und Royalisten verschoben worden. As-Sallals republikanische Regierung war jedoch auf ägyptische Militär- und Wirtschaftshilfe angewiesen, Nordjemen stand faktisch bereits unter ägyptischer Kontrolle. Ende 1963 bzw. Anfang 1964 war auch im Nordjemen als Massenbasis des Regimes zunächst eine Arabische Sozialistische Union gegründet worden, dann aber mehrfach umbenannt bzw. umstrukturiert worden und weitgehend wirkungslos geblieben.
Anlässlich eines Besuchs Nassers in der JAR vom 23. bis 28. April 1964 äußerte as-Sallal den Wunsch der JAR, sich an die VAR anzuschließen. Nasser aber erklärte, über eine Vereinigung könne erst diskutiert werden, wenn Frieden im Land herrsche und die ägyptischen Soldaten abgezogen seien.
Dennoch wurde bei einem Gegenbesuch as-Sallals in Ägypten am 13. Juli 1964 auch zwischen Ägypten und Nordjemen eine Vereinigte Politische Führung als Vorstufe zu einer künftigen Vereinigung beider Staaten vereinbart. Unabhängig von den ägyptisch-irakischen Vereinigungsplänen sollte ein höchster Gemeinsamer Rat die Außen-, Verteidigungs-, Wirtschafts-, Sozial-, Kultur- und Informationspolitik koordinieren, bis die Vorbereitungen für eine Vereinigung Ägyptens und Jemens beendet wären. Den dafür notwendigen Frieden konnten ägyptische Truppen jedoch nicht erzwingen, und mit dem Rückzug der Ägypter und dem darauffolgenden Sturz as-Sallals war auch dieses Projekt Ende 1967 gescheitert.
Syrien und Jordanien (1975)
Nach der Niederlage Ägyptens und Syriens im Jom-Kippur-Krieg und dem Scheitern der Föderation Arabischer Republiken mit Libyen 1973 bedeuteten die ägyptisch-israelischen Truppenentflechtungsabkommen von 1974 und 1975 ein faktisches Ende der ägyptisch-syrischen Militärallianz. Syrien suchte daher den Ausgleich mit Jordanien und Saudi-Arabien, und mit weniger Erfolg auch zum Irak und den Palästinensern. Jordanien wiederum sah sich von den USA nach einem im Kongress gestoppten Waffengeschäft isoliert.
Am 12. Juni 1975 wurden zwischen dem syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad und dem jordanischen König Hussein I. mehrere politische und wirtschaftliche Kooperationsabkommen geschlossen und zu deren Umsetzung ein gemeinsamer Oberster Politischer Kommandorat vereinbart. Ein Gemeinsames Oberstes Komitee sollte ein gemeinsames Militärkommando, politische Koordination und wirtschaftliche Integration vorantreiben. Mit der erneuten zwischenzeitlichen Hinwendung Syriens zu Ägypten (1976-1977), Irak (1978-1979) und Libyen (1980-1981) wurde das Projekt wieder obsolet, 1980 standen sich syrische und jordanisch-irakische Truppen an der Grenze feindlich gegenüber.
Ägypten, Libyen, Sudan und Syrien (1969–1970 bzw. 1976–1977)
Nach dem Putsch Muammar al-Gaddafis in Libyen und dem Putsch Dschafar Muhammad an-Numairis im Sudan war Ende 1969 zwischen Ägypten, Libyen und dem Sudan eine Revolutionäre Arabische Front und später auch eine Vereinigte Politische Führung vereinbart worden, die in eine Föderation Arabischer Republiken münden sollte. Auch Syrien plante Ende 1970 den Beitritt zu dieser Föderation.
Nach Nassers plötzlichem Tod (September 1970), dem Putsch Hafiz al-Assads (November 1970) und einem pro-kommunistischen Putschversuch im Sudan (Juli 1971) hatte sich die Ausgangslage jedoch verändert. Die Föderation wurde 1971 von Ägypten, Libyen und Syrien gebildet und trat am 1. Januar 1972 in Kraft, Sudan sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt anschließen.
Innerhalb der Föderation vereinbarten Ägypten und Libyen 1972 eine Union, die von einer Vereinigten Politischen Führung vorbereitet werden sollte. Diese Vereinigte Führung sollte die Grundlagen des Zusammenschlusses erarbeiten, gemeinsame Komitees sollten dann eine Verfassung, eine gemeinsame Militärführung und die wirtschaftliche, finanzielle und juristische Vereinigung erarbeiten.[1] Das Projekt scheiterte schon 1973. Ebenfalls innerhalb der Föderation vereinbarten 1976 auch Syrien und Ägypten eine Union, die wiederum durch eine Vereinigte Politische Führung vorbereitet werden sollte. Auch Sudan beabsichtigte 1977 wieder, sich der Vereinigten Führung bzw. der Ägyptisch-Syrischen Union anzuschließen.[2]
Nach dem Jerusalem-Besuch des ägyptischen Präsidenten Sadat lösten Syrien und Libyen die Föderation im November 1977 endgültig auf.
Libyen, Sudan und Tschad (1989-1990)
- Siehe: Libysch-Sudanesische Union
Syrien und Libyen einerseits bzw. Ägypten und Sudan andererseits verfolgten fortan voneinander unabhängige Vereinigungsprojekte. Erst nach einem Militärumsturz im Sudan 1989 vereinbarten Libyen und Sudan wieder eine Vereinigte Politische Führung zur Koordination der Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik, diesmal zusammen mit dem Tschad. Doch schon 1990 stürzten Libyen und Sudan gemeinsam die Regierung im Tschad und vereinbarten einen libysch-sudanesischen Einheitsstaat, der 1994 endgültig scheiterte.
Siehe auch
Literatur
- Lothar Rathmann (Hrsg.): Geschichte der Araber - Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bände 6 und 7. Akademie-Verlag Berlin 1983
- Günther Barthel (Hrsg.): Die arabischen Länder - Eine wirtschaftsgeographische Darstellung. Haack Gotha 1987
- Günter Kettermann: Atlas zur Geschichte des Islam, Seiten 163-166 (Der Pan-Arabismus: Pakte und Zusammenschlüsse). Darmstadt 2001
- Johannes Berger, Friedemann Büttner und Bertold Spuler: Nahost-PLOETZ - Geschichte der arabisch-islamischen Welt zum Nachschlagen. Freiburg/Würzburg 1987
- Marion und Peter Sluglett: Der Irak seit 1958 - Von der Revolution zur Diktatur. Suhrkamp Frankfurt 1991
- Prof. Dr. Gustav Fochler-Hauke (Hrsg.): Fischer Weltalmanach ’66. Frankfurt 1965
- Dr. Werner Rosenberg: Die Welt - Daten, Fakten, Informationen des Jahres 1964. Dietz Verlag Berlin 1965
- Dr. Werner Rosenberg: Die Welt - Daten, Fakten, Informationen des Jahres 1965. Dietz Verlag Berlin 1966
- Dr. Werner Rosenberg: Die Welt - Daten, Fakten, Informationen des Jahres 1966. Dietz Verlag Berlin 1967
- Prof. Dr. Walter Markov, Prof. Dr. Alfred Anderle, Prof. Dr. Ernst Wurche: Kleine Enzyklopädie Weltgeschichte, Band 1 und 2. Bibliographisches Institut Leipzig 1979
Einzelnachweise
Kategorien:- Arabisches Einheitsstreben
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