Verfassungsdurchbrechung

Verfassungsdurchbrechung

Verfassungsdurchbrechung beschreibt die Praxis, ein Gesetz in Kraft treten zu lassen, das mit der Verfassung des betreffenden Staates nicht zu vereinbaren ist. Gerechtfertigt wird dies mit der Begründung, das Gesetz habe eine qualifizierte Mehrheit hinter sich, mit der man auch die Verfassung ändern könnte.

Peter Badura beschreibt als Verfassungsdurchbrechung, dass ein Gesetz mit qualifizierter Mehrheit in Verfassungsrang erhoben wird, ohne jedoch den Wortlaut der Verfassung dahingehend zu ändern, dass die Unvereinbarkeit aufgehoben würde.[1] Damit wird die verfassungsgerichtliche Kontrolle des Gesetzes verhindert. Der Begriff wurde von Erwin Jacobi und Carl Schmitt geprägt.[2]

Situation in Deutschland

Als bekannte Beispiele einer Verfassungsdurchbrechung gelten die Ermächtigungsgesetze in der Weimarer Republik. Nicht mit der Weimarer Verfassung zu vereinbaren war auch die Verlängerung der Amtszeit des Reichspräsidenten Friedrich Ebert 1922. Ebert war im Februar 1919 von der Nationalversammlung ernannt worden, noch bevor die Verfassung ausgearbeitet und im August in Kraft trat. 1922 verlängerte der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit seine Amtszeit bis 1925, mit der offiziellen Begründung, in der damaligen Krisenzeit sei eine Neuwahl unverantwortlich. Die Verfassung hingegen verlangte eine Direktwahl des Reichspräsidenten durch das Volk.

Um ähnliche verfassungsdurchbrechende Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, enthält das Grundgesetz von 1949 folgende Bestimmung:

„Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.“

Art. 79 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Situation in Österreich

In Österreich werden verfassungsändernde Bestimmungen oftmals im Rahmen einfacher Gesetze beschlossen, da der Wortlaut von Artikel 44 Abs. 1 und 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes ausdrücklich Verfassungsgesetze und -bestimmungen außerhalb der Verfassungsurkunde erlaubt. Diese Bestimmungen sind ausdrücklich als Verfassungsbestimmungen zu bezeichnen. Nachdem die genannten Bestimmungen mit ihrer Bezeichnung als Verfassungsbestimmung jedoch formell Teil des Verfassungsrechts werden, liegt hier kein Fall von Verfassungsdurchbrechung im engeren Sinn vor.

Belege

  1. Peter Badura, Staatsrecht, ISBN 3-406-51445-6, S. 497.
  2. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band VI, S. 424.

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