Walter Birnbaum (Theologe)

Walter Birnbaum (Theologe)

Walter Birnbaum (* 6. April 1893 in Coswig (Sachsen); † 24. Januar 1987 in München) war ein deutscher Theologe und Hochschullehrer. In der Zeit des Nationalsozialismus war er Mitglied der Deutschen Christen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Birnbaum war Sohn eines Eisenbahnbeamten. Er legte sein Abitur in Dresden ab und studierte Evangelische Theologie in Tübingen und Leipzig. Er gehörte der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung an und meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger zum Heeresdienst und wurde Hilfssanitäter. Im Jahre 1918 absolvierte er ein Vikariat in Bernstadt a. d. Eigen (Oberlausitz). Ab 1921 bildete er sich am Predigerkolleg St. Pauli in Leipzig fort. Er war bis 1924 Pfarrer in Radeberg, bewarb sich aber gedrängt von wirtschaftlichen Nöten beim Rauhen Haus in Hamburg, wo er Geschäftsführer der Wichern-Vereinigung wurde. Bei mehreren volksmissionarischen Aktionen fuhren er und andere Mitarbeiter in entkirchlichte Orte und Dörfer, um Angehörige enttäuschter Arbeiterkreise für die Kirche zurückzugewinnen.[1]

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 fand er Anschluss an die Bewegung der Deutschen Christen, in deren Reichsleitung er aufstieg. Er wurde im gleichen Jahr Oberkirchenrat in der Reichskirchenregierung. Als solcher organisierte er kirchliche Höhepunkte wie die Trauerfeier für Reichspräsident Paul von Hindenburg und die Amtseinführung des Reichsbischofs Ludwig Müller. Er trat der NSDAP bei.[2] Andere Literatur besagt, dass er der NSDAP, trotz seiner der Naziideologie entsprechenden völkischen, nationalistischen und antilinken Einstellung, nie beigetreten sei. [3] [4] Im Herbst 1933 schloss er sich den Deutschen Christen an. Seit 1935 hatte er eine Professur für Praktische Theologie an der Georg-August-Universität Göttingen inne, ohne die akademischen Voraussetzungen dafür erbracht zu haben. Im Jahre 1939 erklärte er seine Mitarbeit am Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben.[5] Während des Zweiten Weltkrieges hielt er auf Bitten Hermann Görings Vorträge vor Wehrmachtssoldaten. Gegen Kriegsende kehrte er an die Fakultät zurück und organisierte den Luftschutz.

Nach Kriegsende wurde er aus den akademischen Diensten entlassen. Im Jahre 1948 war er Mitgründer des Verbandes der amtsverdrängten Hochschullehrer, dessen Vorstand er auch angehörte. 1951 wurde Birnbaum als Professor wieder zugelassen, jedoch ohne Zuordnung zu einer Fakultät. Seine Emeritierung erfolgte 1965.[6] Seine völkisch-rassistischen Überzeugungen revidierte er nicht. Noch 1973 schrieb er in seiner Autobiografie, keinesfalls dürfe die Kirche „ein allgemeines Sammelsurium rassisch nicht Integrierbarer im Volke“ sein.[7]

In der Sowjetischen Besatzungszone wurde Birnbaums Schrift Das Wesen der Gemeinde und ihre heute notwendige Gestalt, in der Deutschen Demokratischen Republik sein Wider die Front des Gottlosentums auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[8]

Schriften

Von und in Beteiligung mit Walter Birnbaum aus dem Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (chronologisch):

  • Birnbaum, Walter: Sokrates wird niemals sterben : Bühnenhandlung um Sokrates von Athen. M. Freudenberger, Faulbach am Main 1983
  • Birnbaum, Walter: Organisches Denken als Weg in die Zukunft. Katzmann, Tübingen 1982
  • Birnbaum, Walter: Sokrates : Urbild abendländ. Denkens. Musterschmidt, Göttingen, Zürich, Frankfurt (Main) 1973
  • Birnbaum, Walter: Zeuge meiner Zeit : Aussagen zu 1912 - 1972. Musterschmidt, Göttingen, Frankfurt [Main], Zürich 1973
  • Birnbaum, Walter: Theologische Wandlungen von Schleiermacher bis Karl Barth : Eine enzyklopäd. Studie z. prakt. Theologie. Katzmann, Tübingen 1963
  • Birnbaum, Walter: Christenheit in Sowjetrussland : Was wissen wir von ihr? Katzmann, Tübingen 1961
  • Birnbaum, Walter: Organisches Denken : Vortrag zur Feier d. 85. Geburtstages von Albert Schweitzer. [am 14. Januar 1960 in München] Mohr (Siebeck), Tübingen 1960
  • Birnbaum, Walter: Das Kreuz unter Palmen : Ein Bericht über d. Missionsarbeit auf d. Admiralitätsinseln in d. Jahren 1939-1953. Buchh. d. Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell (Württ.) 1953
  • Birnbaum, Walter: Das unverbrüchliche Gesetz im Tod des Sokrates. Göttinger Verlagsanstalt, Göttingen 1953
  • Birnbaum, Walter: Du und Deine Kirche : Ein Wort an Junge Menschen. Agentur d. Rauhen Hauses, Hamburg [1940]
  • Birnbaum, Walter: Die freien Organisationen der deutschen evangelischen Kirche : Ursprung, Kräfte u. Bindgn, Wirkensformen. Kohlhammer, Stuttgart 1939
  • Birnbaum, Walter: Das Wesen der Gemeinde und ihre heute notwendige Gestalt. Winter, Gnadenfrei 1936
  • Der Weg der Deutschen Christen zu deutschem Christentum : Predigt zum Morgen-Gottesdienst sowie Vorträge zur Landesschulungstagung d. Dt. Christen in Dresden am 24. Juni 1934. Deutsch-christl. Verl., Dresden 1934
  • Birnbaum, Walter: Wichern, ein Mann für unsere Tage. Wichern-Vereinigung zur Weckg u. Förderg christl. Volkslebens, Hamburg 1933
  • Birnbaum, Walter (Hrsg.): Von Dorf zu Dorf im Evangeliumswagen : Neue Wege d. Wortverkündigung. Salzer, Heilbronn 1933
  • Birnbaum, Walter: Wider die Front des Gottlosentums : Abwehr oder Verkündigung? Stiftungsverl., Potsdam 1932
  • Birnbaum, Walter: Wider die Front des Gottlosentums : Abwehr oder Verkündigung? Stiftungsverl., Potsdam 1931
  • Birnbaum, Walter: Hünefeld : Ein Leben d. Tat. Ernte-Verl., Potsdam 1931
  • Birnbaum, Walter: Hünefeld : ein Leben d. Tat : [Geleitw.: Kronprinz Wilhelm]. Ernte-Verlag, Potsdam 1930
  • Birnbaum, Walter (Hrsg.): Wichern, Johann Hinrich: Tagebuchblätter der Liebe : Aus Wicherns Brautbriefen. Agentur d. Rauhen Hauses, Hamburg 1929
  • Birnbaum, Walter: Trutz Tod! : Des jungen Hünefeld Werden u. Weg. Ernte-Verlag, Potsdam 1929
  • Immermann, Marianne: Eine deutsche Frau : Briefe an e. engl. Freund von Marianne Wolff. [Hrsg. in Verb. mit Walter Birnbaum von Felix Wolff.] Ernte-Verlag, Hamburg 1928
  • Birnbaum, Walter: Du und deine Kirche : Ein Wort an junge Menschen. Agentur d. Rauhen Hauses, Hamburg 1928
  • Birnbaum, Walter: Die deutsche Republik im Spiegel ihrer Verfassung : Für Schule u. Haus. [bearb. von Friedrich Walter.] Konkordia A.G., Bühl Baden 1927
  • Birnbaum, Walter: Die neue Sprache in der Wortverkündigung. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg [1926]
  • Birnbaum, Walter: Die katholische liturgische Bewegung : Darstellg u. Kritik. C. Bertelsmann, Gütersloh 1926
  • Immermann, Marianne: Marianne Wolff geborene Niemeyer, die Witwe Karl Immermanns : Leben u. Briefe. [Hrsg. in Verb. mit Walter Birnbaum von Felix Wolff.] Ernte-Verlag, Hamburg 1925
  • Birnbaum, Walter: Der Vertrag von Versailles : Für d. deutsche Jugend. [dargest. von Friedrich Walter.] Konkordia A.G., Bühl Baden 1925
  • Birnbaum, Walter: Prény, Mousson, Priesterwald : Was ich euch davon zu erzählen weiß ... ; Vortrag geh. vor Kameraden in Feindesland am 18. Aug. 1916. [von Friedrich Walter.] Appelhans, Braunschweig 1916
  • Birnbaum, Walter: Das ebene Problem des schlagenden Flügels. o. O., o. J.
  • Birnbaum, Walter: Das Kultusproblem und die liturgischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts. [2 Bde.] Katzmann, Tübingen o.J.
  • Birnbaum, Walter (Hrsg.): Taten mit Gott : Berichte und Bilder vom Kampfplatz d. Evangeliums. Salzer, Heilbronn o.J.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. zu diesem Abschnitt siehe: Matthias WolfesWalter Birnbaum (Theologe). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 16, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-079-4, Sp. 129–146.
  2. Heinrich Becker u.a. (Hrsg.): Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus. München 1998.
  3. Matthias WolfesWalter Birnbaum (Theologe). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 16, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-079-4, Sp. 129–146.
  4. Ericksen, Robert P.: Theologen unter Hitler. Das Bündnis zwischen evangelischer Dogmatik und Nationalsozialismus. Carl Hanser Verlag, München Wien 1986, S.230
  5. Hans Prolingheuer: Wir sind in die Irre gegangen. Köln 1987.
  6. Zu Birnbaums Aktivitäten in der Nachkriegszeit vgl. Ernst Klee: Das Personenlexikon zu Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt a.M. 2003, S. 50f.
  7. Walter Birnbaum: Zeuge meiner Zeit. Aussagen zu 1912 bis 1971. Göttingen–Frankfurt–Zürich 1973.
  8. Transkript der Listen von 1948 und 1953 bei polunbi.de

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