Westbau

Westbau
Westbau der Berliner Nikolaikirche (mit neuzeitlicher Aufstockung aus Backstein)

Westbau ist ein kunsthistorischer Oberbegriff für turmartige Baukörper am Westende einer Kirche. Unter diesem Terminus werden zusammengefasst: Westwerke, Westriegel, Doppelturmfassaden, Westtürme und weitere Westbauten, die in keine dieser Kategorien fallen.

Märkischer Westbau

Als "märkischer Westbau" wird eine spezifische Kirchturmform im Gebiet der Deutschen Ostsiedlung bezeichnet.

Ernst Badstübner beschreibt die Westbauten östlich der Elbe als „kastenförmige Querbauten, die zwar – an der Westseite vor die Langschiffe gestellt – den Platz einer Turmfassade einnehmen, aber eher einem Haus gleichen, das man allenfalls als turmartig bezeichnen kann.“ Westbauten haben die Breite des Langhauses („schiffsbreit“); in manchen Fällen (z. B. in der Uckermark) haben sie geringe Überbreite.

In der Kunstlandschaft Brandenburg treten diese Westbauten an Dorf- und Stadtkirchen gleichermaßen auf und sind in der Regel aus Granitquadern errichtet. Die Westbauten der Stadtkirchen unterscheiden sich von denen der Dorfkirchen lediglich durch größere Abmessungen und nur in Ausnahmefällen durch eine differenziertere Gestalt (z. B. Marienkirche in Prenzlau). Die städtischen Beispiele stammen überwiegend aus dem 13. Jahrhundert (konzentriert um die Jahrhundertmitte), also der Gründungszeit der meisten märkischen Städte. An Dorfkirchen treten Westbauten auch noch im 14.-16. Jahrhundert auf, dann allerdings meist mit ungequaderten Feldsteinen oder Mischmauerwerk. Überbreite begegnet eher an Stadt- als an Dorfkirchen.

In Brandenburg sowie im südlichen Vorpommern und im Elbe-Havel-Winkel von Sachsen-Anhalt gibt es – über weit mehr als 100 Dorfkirchen hinaus – rund 50 Westbauten an Pfarrkirchen von Städten und Markflecken (oppida). Ausnahmefälle sind der Dom von Havelberg und die Klosterkirche von Stolpe (unklar, weil Klosterkirchen in der Regel über keine massiven Westtürme verfügen).

Westbauten östlich der Elbe werden manchmal irrtümlich als Westwerke oder Westriegel bezeichnet. Da das wichtigste Kennzeichen der Westwerke oft ein Fürstensitz ist, können Westwerke nicht an Pfarrkirchen auftreten. Im Bereich der Deutschen Ostsiedlung war das Königtum nicht präsent. Westwerke liegen daher westlich der Elbe-Saale-Linie, Westbauten dagegen (sofern es sich nicht um den Oberbegriff handelt) östlich der Elbe. Der Bau von Westwerken läuft mit dem 11. Jahrhundert aus. Die Errichtung von Westbauten (sofern nicht Oberbegriff) kommt erst nach dem Beginn der Ostsiedlung (Mitte des 12. Jahrhunderts), vor allem im 13. Jahrhundert.

Westbau der Dorfkirche Lindenberg (Barnim)

Literatur

  • Ernst Badstübner: Westbauten märkischer Pfarrkirchen – Gestalt, Funktion und Bedeutung einer Bauform der Kolonisationszeit. In: Regionale, nationale und internationale Kunstprozesse. 27.-30. Mai 1981 in Erfurt/Jenaer Arbeitskreis für Ikonographie und Ikonologie (= Wissenschaftliche Beiträge der Friedrich-Schiller-Universität Jena), Jena 1983, S.96-104.
  • Ulrich Waack: Bautypen mittelalterlicher Dorfkirchen in Berlin und der Mittelmark. In: Janowski, Bernd/Schumann, Dirk (Hrsg.): Dorfkirchen. Beiträge zur Architektur, Ausstattung und Denkmalpflege (= Kirchen im ländlichen Raum 3), Berlin 2004, S. 121-138.

Siehe auch


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